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Ukraine-Krieg: Industrie leidet unter Energiepreisen

Die durch den Ukraine-Krieg explodierenden Energiepreise belasten die deutsche Wirtschaft aktuell stark, so DIHK und das Institut der Deutschen Wirtschaft.
Durch den Ukraine-Krieg sind die Energiepreise in Deutschland explodiert.

Die durch den Ukraine-Krieg explodierenden Energiepreise belasten die deutsche Wirtschaft aktuell stark, so DIHK und das Institut der Deutschen Wirtschaft.

Durch den Krieg sind die Energiepreise weiter drastisch gestiegen – und das stellt immer mehr Unternehmen vor ein Dilemma. Laut der jüngsten Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) nannten bereits kurz vor Kriegsbeginn zwei Drittel der Betriebe aus allen Branchen und Regionen die Energie- und Rohstoffpreise als großes Geschäftsrisiko. In der Industrie waren es sogar 85 %. Damit lagen diese Werte so hoch wie noch nie. Und nun verschärft sich die Situation noch weiter.

Befragungen des Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zwischen dem 5. und 11. März 2022 bestätigen dies: Demnach erwarten fast 70 % der Unternehmen große oder sehr große Belastungen durch die erhöhten Energiepreise. Bei einer Befragung Ende Februar/Anfang März – also unmittelbar nach Ausbruch des militärischen Konflikts – waren es noch 62 %. Ausfallende Zulieferungen von Gas stellen demnach leicht ansteigend für gut ein Drittel aller Unternehmen ein Problem dar.

Mittelfristig werden Belastungen durch Energiepreise weiter steigen

Die höheren Energiepreise sind in der Einschätzung der Unternehmen die gravierendsten wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. Laut der aktuellen Studie des IW rechnen 37 % aller Betriebe dadurch kurzfristig mit starken negativen Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit und weitere 39 % mit mittleren Effekten. Lediglich 8 % sieht hier überhaupt keinen Effekt. Mittelfristig nimmt diese Gefahr für die Unternehmen deutlich zu. Demnach geht fast die Hälfte von starken und weitere 36 % von mittleren Belastungen durch die Energiepreise bis zum Jahresende aus.

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Mit deutlichem Abstand folgen im Ranking des IW die erwarteten Belastungen aufgrund fehlender Gaslieferungen. „Gleichwohl stellen ausfallende Gaslieferungen – und damit direkte Produktionsbeeinträchtigungen und nicht nur die kostenmäßigen Belastungen – für fast zwei von fünf Firmen eine Gefahr bereits in den kommenden drei Monaten dar. Mittelfristig wächst dieser Anteil sogar auf über die Hälfte der Befragten an“, so Professor Hubertus Bardt, Geschäftsführer und Leiter Wissenschaft am IW.

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Hohe Energiepreise belasten direkt die Produktionsmöglichkeiten

Dazu muss man wissen: Mehr als die Hälfte des deutschen Gasverbrauch beruht auf Lieferungen aus Russland. Beim Öl sind es gut ein Drittel und bei der Kohle rund ein Viertel des deutschen Verbrauchs, der aus russischen Zulieferungen stammt. „Lieferunsicherheiten und hohe Energiepreise belasten direkt die Produktionsmöglichkeiten und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die vergleichsweise viel Energie einsetzen müssen“, betont Bardt. „Die Energiemärkte haben schon während der Krisenzuspitzung erhebliche Turbulenzen gezeigt. Insbesondere auf dem europäischen Gasmarkt wurden neue Rekordpreise weit oberhalb bisheriger Preisniveaus verzeichnet. Sorgen um Liefereinschränkungen – sei es durch einen russischen Lieferstopp oder ein westliches Embargo – haben zu den Preisausschlägen beigetragen.“

Strom- und Gas zu noch teureren Konditionen

Höhere Energiekosten sind der am stärksten spürbaren Effekt des Ukraine-Kriegs für deutsche Unternehmen: Neun von zehn Unternehmen äußerten dies bei einer Blitzumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Mitte März 2022.

Für die deutsche Industrie ist die Lage auf dem Energiesektor nach Einschätzung des DIHK auch deswegen so prekär, weil viele Unternehmen aufgrund der sehr hohen Preise in den vergangenen Monaten beim Energieeinkauf abgewartet, nur für kurze Zeiträume Lieferverträge abgeschlossen oder auch durch die hohen Preise ihren Versorger verloren haben. Sie hatten teilweise bei ihrer Beschaffung auf eine Entspannung der Märkte gesetzt.

In der Vergangenheit hatten viele Betriebe einmal im Jahr für die kommenden zwölf Monate beschafft. „Das hat sich durch die aktuelle Preisspirale deutlich verändert", sagt Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer. „Damit steht jedes zweite Unternehmen vor einer Kostenexplosion, die kaum aufzufangen ist.“

50 % mussten bei Kriegsbeginn noch Strom- und Gasverträge abschließen

Bei Ausbruch des Krieges in der Ukraine hatte die Hälfte der Unternehmen ihre Strom- und Gasbeschaffung für das laufende Jahr noch nicht abgeschlossen, ergab eine aktuelle Befragung des DIHK bei 2.000 Betrieben aller Branchen. Fast jedes dritte Unternehmen muss noch mehr als 70 % des für 2022 benötigten Stroms einkaufen, ein Viertel muss sogar noch mehr als 70 % seiner Gasmengen beschaffen – nun mit weitaus höheren Kosten.

Betriebe von klein bis groß stark beeinträchtigt

Der sprunghafte Preisanstieg trifft die deutsche Wirtschaft massiv. Mittelständler mussten laut DIHK auch aufgrund staatlicher Zusatzlasten bereits in Vor-Krisenzeiten die höchsten Preise in Europa zahlen – etwa doppelt so viel wie vergleichbare Unternehmen in Frankreich. Nun wird immer öfter eine Existenz gefährdende Schwelle überschritten.

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Vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage kann nicht alles abfedern

Daher fordert der DIHK von der Politik einen Mix aus kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen. „Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 ist ein wichtiges Signal. Sie kann aber nur einen Bruchteil der höheren Beschaffungskosten ausgleichen“, sagt Dercks. „Nötig sind jetzt kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen, etwa eine Absenkung der staatlichen Umlagen und der Stromsteuer zusammen mit zinsgünstigen KfW-Krediten oder sogar direkten Notfallzahlungen. Mittelfristig brauchen wir Lösungen, um die Höhe der Energiekosten in Deutschland auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu halten. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für grüne Direktverträge wäre ein wichtiger Schritt dorthin.“

Der Grünstrombezug über langfristige Direktlieferverträge (PPA) bietet die Möglichkeit, sich langfristig stabile Strompreise zu sichern und zugleich die betriebliche Klimabilanz zu verbessern. Mehr als 70 % der Betrieb haben nach Zahlen des DIHK Interesse an PPAs, denn sie stabilisieren den Strompreis über mehrere Jahre. 

sk

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