Deutsche Maschinen- und Anlagenbauer hatten 2021 weniger Schaden durch Produktpiraterie, so eine Studie des VDMA; getroffene Maßnahmen greifen offenbar.
Die Maschinen- und Anlagenbauer sind nach der Studie „Produktpiraterie 2022“ in der Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie in den vergangenen beiden Jahren einen guten Schritt vorangekommen. Während die jährliche Schadenssumme in der Dekade von 2010 bis 2020 auf einem hohen Niveau von mehr als 7 Mrd. EUR verharrte, ist sie nun auf 6,4 Mrd. EUR deutlich gefallen. Der durch Plagiatoren angerichtete Schaden ist damit gegenüber 2020 um 9 % gesunken.
„Das ist zwar immer noch eine enorme Summe, die im Maschinen- und Anlagenbau umgerechnet knapp 29.000 Arbeitsplätze bedeuten würde. Aber wir sehen eine deutliche Zunahme von Maßnahmen, die nach Entdeckung eines Plagiatsfalls eingeleitet werden und das scheint sich auszuzahlen“, sagt Steffen Zimmermann, Leiter des VDMA Competence Center Industrial Security.
72 % aller Firmen betroffen
Alle zwei Jahre befragt der VDMA seine Mitgliedsfirmen zu den Bedrohungen und Auswirkungen von Fälschungen. In der aktuellen Studie, die vom Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC im Auftrag des VDMA erstellt wurde, gaben 72 % (2020: 74 %) der befragten Unternehmen an, von Produktpiraterie betroffen zu sein. Nach wie vor stammen die meisten Fälschungen dabei aus China. Die Volksrepublik führt mit 87 % deutlich die Liste der Herkunftsländer von Plagiaten an. Auf Platz 2 folgt erstmalig Indien mit 26 %, vor Deutschland auf Platz 3 (19 %).
„Die Bedrohung, die von Fälschungen ausgeht, ist gewaltig: Plagiate stellen nachweisbar ein Sicherheitsrisiko dar“, so Zimmermann. 41 % der Unternehmen berichten von Fälschungen, die eine Gefahr für Bediener oder Anwender mit sich bringen. Mehr als die Hälfte der Befragten (57 %) sehen bei den von ihnen entdeckten Plagiaten eine Gefahr für den sicheren Betrieb der Anlage.
Produktpiraterie geht meist aufs Konto direkter Wettbewerber
Als Auftraggeber für Plagiate nennen die meisten befragten Unternehmen direkte Wettbewerber (70 %), aber auch Geschäftspartner wie Kunden, Zulieferer oder Joint-Venture-Partner werden als Ausgangspunkt von Fälschungen gesehen (41 %). Einen deutlichen Zuwachs verzeichnen inzwischen professionelle Großplagiatoren, die von 30 % der befragten Unternehmen genannt wurden. Am häufigsten werden dabei einzelne Teile oder das äußere Erscheinungsbild/Design gefälscht (jeweils 60 %). Seltener kommen sogenannte „weiche“ Plagiate vor (Kataloge, Broschüren, Produktfotos), die einen Rückgang um 9 Prozentpunkte auf 29 % verzeichnen. Erstmalig gefragt wurde nach Plagiaten von Websites und Online-Shops, von denen jedes fünfte Unternehmen betroffen ist.
Nur noch einer von drei entdeckten Fällen bleibt folgenlos
Entdeckt ein Unternehmen ein Plagiat, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. In den vergangenen beiden Jahren gab es bei den eingeleiteten Maßnahmen einen deutlichen Zuwachs in allen Kategorien, so dass nur noch in einem von drei Fällen die Entdeckung eines Plagiats folgenlos blieb – ein deutlicher Rückgang zur Umfrage 2022, als es noch 49 % waren. Der deutlichste absolute Zuwachs um 20 Prozentpunkte ist bei außergerichtlichen Maßnahmen zu verzeichnen, die dieses Jahr in 58 % der Fälle erstmalig häufiger als bei jedem zweiten entdeckten Plagiat eingeleitet wurden.
KMU verzichten laut Studie oft auf Maßnahmen
Schon in den vergangenen Studien zeigte sich der Trend, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht im selben Umfang tätig werden, wie Großunternehmen. „Während Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden nur in einem von sieben Fällen keine Maßnahmen einleiten, ist dies bei kleinen und mittleren Unternehmen in rund einem von zwei Fällen der Fall“, erläutert Zimmermann. Neben der Tatsache, dass Plagiatoren oder Vertriebswege nicht immer zweifelsfrei identifiziert werden können, kann für betroffene Unternehmen eine rigorose Verfolgung von Plagiaten auch unwirtschaftlich oder nicht mit angemessenem Aufwand umsetzbar sein.
Besonders deutlich zeigt sich dieser Trend bei zivilgerichtlichem Vorgehen. Während nach der Studie „Produktpiraterie 2022“ mehr als jedes zweite Großunternehmen nach Plagiatsentdeckung ein Verfahren einleitete, ist dies nur bei jedem siebten kleinen und mittleren Unternehmen der Fall. Zimmermann: „Wir empfehlen den Unternehmen daher, zuerst ein außergerichtliches Vorgehen zu prüfen, beispielsweise Anwaltsschreiben, persönliche Gespräche oder Aufklärungsmaßnahmen beim Kunden. Erfahrungsgemäß stellt sich danach eine erste Besserung ein, da viele Plagiatoren unerkannt agieren und nicht öffentlich genannt werden wollen.“
sk