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Spritzgießmaschinen 30. August 2022

Spritzgießmaschinen: ZF setzt auf Direktcompoundierung

ZF will in seinem Werk in Vigo/Spanien polymerseitig die Fäden in der Hand halten und setzt auf Direktcompoundierung auf seinen Spritzgießmaschinen.

Der Einschneckenextruder ist für die Direktcompoundierung mit DCIM bedienerfreundlich in Huckepack-Stellung über der Plastifizierung der Spritzgießmaschine angebracht.
Der Einschneckenextruder ist für die Direktcompoundierung mit DCIM bedienerfreundlich in Huckepack-Stellung über der Plastifizierung der Spritzgießmaschine angebracht.

Die Ansprüche an Rückverfolgbarkeit und Transparenz wachsen für Kunststoffverarbeiter ebenso stark wie der Kostendruck – aus Qualitätsgründen hat sich ZF daher für die Direktcompoundierung auf seinen Spritzgießmaschinen entschieden. Dabei nutzt der Automobilzulieferer Verfahrenstechnik von Krauss Maffei.

Achim Härtel, Core Engineer Plastics bei ZF in Alfdorf, hat schon viele Überraschungen bei Standardpolymeren wie Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) oder Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere (ABS) vom Compounder erlebt: „Manchmal war das PP überhitzt, ohne dass es jemand bemerkte, und wir haben auch mehrfach Fremdkörper wie Metallpartikel in Compounds gefunden“, sagt er. Unternehmen, die wie ZF sicherheitsrelevante Bauteile für die Automobilindustrie herstellen, wissen, was es bedeutet, wenn es aufgrund von Fehlern zu Rückrufaktionen oder gar Bandstillständen kommt. Da möchte man das eigene Produkt so gut wie möglich absichern. Und wenn das noch dazu ökonomisch sinnvoll ist, umso besser.

Direktcompoundierung ermöglicht eigene Rezepturen

Die DCIM-Schnecke zeichnet sich durch ein optimiertes Design aus und verfügt über eine außerordentliche Länge. Das Verhältnis von Länge zu Durchmesser liegt bei 30L/D.
Die DCIM-Schnecke zeichnet sich durch ein optimiertes Design aus und verfügt über eine außerordentliche Länge. Das Verhältnis von Länge zu Durchmesser liegt bei 30L/D.

Der Anspruch bei ZF ist jeweils der Gleiche: Polymere sollen geblendet, additiviert, verstärkt oder gefüllt und in den Spritzgießprozess eingespeist werden. Dies spart einerseits Kosten für das externe Compounding und gibt andererseits dem Verarbeiter maximale Kontrolle über das verwendete Material. Härtel sieht einen weiteren wichtigen Vorteil: „Wir können bei neuen Projekten oder geänderten Anforderungen nun selbst Rezepturvorschläge machen, die direkt auf die Spezifikation des jeweiligen Bauteils zugeschnitten sind. Die Materialqualität liegt dann bei ZF, und wir haben das Know-how geschützt im eigenen Haus, vollständig dokumentiert und geprüft.“

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Die Entscheidung, das DCIM-Verfahren (Direct Compounding Inject Molding) von Krauss Maffei einzusetzen, fiel aus zwei Gründen: Es ist für Bauteile von 50 bis 2.000 g wirtschaftlich attraktiv – und funktioniert zykluszeitneutral. Die erste DCIM-Maschine hat ZF in seinem Werk in Vigo in Betrieb genommen.

Krauss Maffei verfügt über zwei Jahrzehnte Erfahrung im Bereich Direktcompoundierung, allerdings war die etablierte IMC-Anlage (Injection Molding Compounder) mit ihrem Zweischneckenextruder aufgrund der Investitionskosten wirtschaftlich vor allem für Bauteile ab 1,5 kg Gewicht geeignet. Das neue DCIM-Verfahren erweitert nun das Portfolio. Und da es einen Einschneckenextruder verwendet, rechnet es sich schon für Artikel ab 50 g – basierend auf PP Natur.

Spezielle Extruder-Schnecke sorgt für die richtige Durchmischung

Dafür, dass alle Inhaltsstoffe sehr gut durchmischt und homogenisiert werden, sorgt die besondere Schnecke des Extruders, die sich nicht nur durch ihr optimiertes Design auszeichnet, sondern auch über eine außerordentliche Länge verfügt. Für gewöhnlich liegt das Verhältnis von Länge zu Durchmesser bei Standard-Spritzgießmaschinen bei etwa 17 bis 23, bei DCIM aber bei enormen 30 L/D. Da technische Teile, die für die Direktcompoundierung in Frage kommen, meist Zykluszeiten von 20 s und mehr haben, lässt sich die zusätzliche Materialaufbereitung sogar zykluszeitneutral machen.

Das DCIM-Konzept bietet dem Kunststoffverarbeiter eine hohe Flexibilität. Auf eine hydraulische Standard-Maschine – meist der GX-Baureihe – ist der Einschneckenextruder bedienerfreundlich in Huckepack-Stellung über der Einspritzeinheit montiert. Beide produzieren diskontinuierlich. Das heißt der Extruder stoppt jeweils automatisch, wenn das Schussvolumen für den nächsten Zyklus erreicht ist, und die compoundierte Schmelze gelangt ohne Abkühlung oder Zwischenlagerung direkt in die Plastfizierung der Spritzgießmaschine.

Produktion in einer Wärme reduziert den CO2-Fußabdruck

Durch den Einstufenprozess erfolgt die Produktion in einer Wärme, wodurch sich nicht nur der Polymerabbau verringert, sondern man wertvolle Energie spart und den CO2-Ausstoß reduziert. Wenn man gerade nicht compoundieren möchte, lässt sich die Maschine ohne aufwändige Umbauarbeiten einfach im Standardbetrieb nutzen. Durch den Z-Aufbau des Aggregats ist die Spritzmaschine sehr kompakt – mit entsprechend kleinem Footprint.

Für Spritzgießmaschinen mit 1.600 bis 11.000 kN Schließkraft

Oberhalb des Einschneckenextruders befindet sich bei DCIM die Zufuhr der Materialien, die compoundiert werden sollen.
Oberhalb des Einschneckenextruders befindet sich bei DCIM die Zufuhr der Materialien, die compoundiert werden sollen.

2019 auf den Markt gebracht (hier haben wir erstmals darüber berichtet), wurde DCIM durch die Corona-Zeit etwas ausgebremst, findet aber nun immer mehr Interessenten. Für ZF-Kunststofftechniker Härtel zeichnet es sich gegenüber Verfahren anderer Anbieter, die Endlosfasern mit niedrigviskosem Matrixmaterial imprägnieren, dadurch aus, dass man auch Kunststoffe mit mittlerer Viskosität verarbeiten kann, die im Hinblick auf sicherheitsrelevante Bauteile über bessere mechanische Eigenschaften verfügen.

Für das ZF-Werk in Vigo, das Personenschutzsysteme für Fahrzeuge wie zum Beispiel Sicherheitsgurte und Airbags fertigt, ist das ein wichtiger Gesichtspunkt, der für DCIM spricht Zudem wird das Verfahren für Spritzgießmaschinen mit Schließkräften von 1.600 bis 11.000 kN angeboten, eignet sich also auch für größere Anwendungen oder Mehrkavitätenwerkzeuge.

Materialkosten senken und schneller ROI

Dass sich neben der Hoheit über die Materialeigenschaften auch noch Kostenvorteile ergeben, zeigt ein Anwendungsbeispiel von Krauss Maffei: Bei einem Kunststoffteller für die Montage von Mineralwolle, der aus PA6 mit 50 % Glasfaseranteil, 2 % Fließhilfe, 0,5 % Masterbatch und 0,5 % Wärmestabilisator compoundiert und gespritzt wird, ließen sich die Materialkosten mit DCIM um 20 % senken. Dadurch amortisiert sich der Mehraufwand für die DCIM-Anlage gegenüber einer Standardmaschine in weniger als einem Jahr.

Auch interessant für Recycling-Material und Biokunststoffe

Das Projektteam für die erfolgreiche Directcompoundierung bei ZF Vigo; der fünfte von links ist Achim Härtel, Core Engineer Plastics bei ZF.
Das Projektteam für die erfolgreiche Directcompoundierung bei ZF Vigo; der fünfte von links ist Achim Härtel, Core Engineer Plastics bei ZF.

Besonders interessant wird die Technologie auch im Hinblick auf Recycling und die Verwendung von Biokunststoffen und Naturfasern werden. Jacob Luis Lopez, Manufacturing Engineer Specialist bei ZF Vigo, hat diese Themenfelder bereits im Auge: „Der Wettbewerb ist so hart geworden, dass man immer einen Schritt voraus sein muss.“ Zunächst gilt es aber für ZF, die Technologie zu etablieren und auf andere Standorte zu übertragen. Für das Werk in Timisoara/ Rumänien sind bereits zwei DCIM-Maschinen bestellt worden und auch der ZF-Standort Vigo hat schon eine weitere DCIM-Maschine angefragt. sk

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