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So wird Mulchfolie zum Dünger

Eine neu entwickelte Mulchfolie macht Schluss mit Mikroplastik und Treibhausgasemissionen, ist kostengünstiger und wird am Ende ihres Lebens zu Dünger.

Am Ende ihre Lebens kann die Mulchfolie einfach zerkleinert in den Boden eingebracht werden, wo die Biokohlenstoffe dauerhaft CO2 binden und den „Superdünger Terra Preta“ bilden.

Am Gründungsort und Hauptsitz der Carbonauten in Giengen an der Brenz macht man sich ständig Gedanken darüber, wie sich Materialien „rethinken“ lassen – zum Beispiel Kunststofffolien, wie sie als Mulchfolien in der Landwirtschaft oder Bau- und Abdeckfolien in der Bauindustrie zum Einsatz kommen. In einem gemeinsamen Projekt mit der Hochschule Aalen arbeitet Carbonauten an einer Alternative, die fossile Mulchfolien durch biologisch abbaubare, mit Biokohlenstoffen gefüllte Mulchfolien ersetzt.

Aus Mulchfolie wird ein Superdünger

Diese neu entwickelte Mulch- oder Abdeckfolie macht Schluss mit Mikroplastik und Treibhausgasemissionen und ist dabei kostengünstiger als die herkömmliche Variante, die sie ersetzen soll. Und nach Ende ihres Lebenszyklus kann sie einfach zerkleinert in den Boden eingebracht werden, wo die Biokohlenstoffe dauerhaft CO2 binden und den „Superdünger Terra Preta“ bilden.

Intelligenter Einsatz von Kunststoff

Prof. Dr. Tobias Walcher ist Studiendekan für Kunststofftechnik, Leichtbau und Polymertechnologie an der Hochschule Aalen. Neben der örtlichen Nähe zum Hauptsitz der Carbonauten verbinden den Dozenten und das Start-up ein differenzierter Blick auf das Thema Kunststoff: „Kunststoff hat ein Imageproblem“; sagt Prof. Walcher, „und das natürlich teilweise zurecht. Niemand kann bestreiten, dass Mikroplastik nicht in die Natur gehört, dass fossile Rohstoffe knapp werden und die CO2-Emissionen auch in dieser Branche sinken müssen.“

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Dieses Imageproblem macht sich an seiner Fakultät auch durch gesunkene Studierendenzahlen bemerkbar, was er bedauert. „Kunststoffe haben zugleich ein großes Potenzial, zum Beispiel für den Leichtbau im Automobil, was gerade bei der Elektromobilität ein großes Thema ist. Ich wünsche mir daher einen intelligenten Einsatz dieses fantastischen Materials Kunststoff, statt einer Verteufelung.“

Defossilisierung als zentrale Voraussetzung

Cristian Hedesiu, CTO bei den Carbonauten Polymers: „Wir müssen die Vorzüge von Kunststoffen nutzen, um unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“

So sieht es auch Cristian Hedesiu, CTO bei den Carbonauten Polymers. Der Polymerexperte war über 20 Jahre in führenden Positionen in globalen Mineralölunternehmen tätig. Mit diesem Wissen arbeitet er heute an der nachhaltigen Transformation der Kunststoffindustrie. „Wir müssen die Vorzüge von Kunststoffen nutzen, um unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, betont Cristian Hedesiu, „und die Defossilisierung der Kunststoffindustrie ist dafür eine zentrale Voraussetzung.“ Genau daran arbeiten die Carbonauten seit ihrer Gründung im Jahr 2017.

Negative CO2-Emissionen

Die Gründer und Geschäftsführer der Carbonauten Torsten Becker und Christoph Hiemer nutzen hierfür das Verfahren der trockenen Destillation, um aus Biomasse wie Pflanzenresten oder Lebensmittelabfällen Biokohlenstoffe herzustellen. Diese haben gleich mehrere Vorzüge: Bei ihrer Herstellung speichern diese CO2 und zwar das Äquivalent von bis zu 3,3 Tonnen pro 1 Tonne Biokohlenstoff. Somit senken sie die Treibhausbilanz jedes Produkts, für das sie verwendet werden.

Zudem entsteht bei dem Verfahren überschüssige grundlastfähige und klimaneutrale Energie. Und nicht zuletzt sind die Biokohlenstoffe ein kostengünstiges Material, da sie aus Abfallprodukten hergestellt werden. In Verbindung mit Bindern wie biogenen und fossilen Polymeren können die Biokohlenstoffe bis zu 60 % Anteil an Masterbatches und Compounds einnehmen, die dann entweder biologisch abbaubar oder dauerhaft stabil sind. Carbonauten NET Materials nennen sie diese Materialien, was für Negative Emissionstechnologie steht. Der ganzheitliche Ansatz des Carbonauten Systems macht Materialien, Lebensmittel und Energie nachhaltig und billig.

Karbonfolie für Bau und Landwirtschaft

Diese Materialien können die Basis für viele diverse Produkte sein, vom Biokoks bis hin zu Kunststoffen, Bau- und Dämmmaterialien oder Verpackungen. Prof. Dr. Walcher war von dieser Idee sofort begeistert: „Aus Abfallprodukten einen Werkstoff zu machen, der dann auch noch CO2 speichert, ist ein großartiges Vorhaben und ein Beispiel für intelligente Kunststofflösungen, in denen ich die Zukunft der Branche sehe.“

Mulchfolie wird nach Verwendung in den Boden eingearbeitet

Die Biokohlenstoffe werden mittels trockener Destillation aus Biomasse wie Pflanzenresten oder Lebensmittelabfällen hergestellt und speichern dabei CO2 .

Im Rahmen einer Masterarbeit forscht einer seiner Studierenden derzeit an einer Rezeptur für eine Karbonfolie aus den Biokohlenstoffen der Carbonauten und Biopolymeren für den Einsatz etwa als Mulchfolie in der Landwirtschaft oder als Abdeckfolie in der Bauindustrie. „Ihr großer Vorzug ist einerseits, dass sie zu weiten Teilen aus Abfallprodukten entsteht, was das Produkt kostengünstig macht“, erklärt Prof. Dr. Walcher. „Zudem ist sie aber auch noch ein gutes Beispiel für ein zirkuläres System.“ Denn durch die Verwendung der Biokohlenstoffe und Biopolymere kann die Folie nach Verwendung einfach in den Boden eingearbeitet werden und wirkt dann als Bodenhilfsstoff.

„Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber bisherigen Plastikfolien, die nach Verwendung entsorgt oder verbrannt werden, was weder für die Umwelt noch das Klima noch den Geldbeutel optimal ist“, erklärt Cristian Hedesiu. „Und genau da setzen wir an: Gut für Klima und Umwelt darf nicht teuer heißen, Nachhaltigkeit darf kein Luxus sein, unsere Lösungen müssen immer ökologisch und ökonomisch überzeugen.“

Die Zukunft ist zirkulär

Kunststoff hat eine Zukunft, daran besteht kein Zweifel. Aber die Herausforderungen der Menschheit machen den Umschwung zur Kreislaufwirtschaft unausweichlich. Prof. Dr. Walcher: „Plastik kann Bio sein – wie im Fall unserer gemeinsam entwickelten Karbonfolie – muss es aber nicht. Wichtig ist, dass wir die Technologie so weiterentwickeln, dass Kunststoffe immer im System zirkulieren, idealerweise im Sinne des Upcycling. Für die Landwirtschaft und Bauindustrie machen wir da momentan einen guten Anfang.“ gk

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