Direkt zum Inhalt
News 25. Oktober 2018

Sind Verpackungen aus Biokunststoffen wirklich so umweltverträglich?

Die Fraunhofer-Projektgruppe IWKS hat sich mit Biokunststoffen als nachhaltige Alternative zu konventionellen Kunststoffen befasst.
Mais ist eine gängige Rohstoffquelle für biobasierte Kunststoffe.
Mais ist eine gängige Rohstoffquelle für biobasierte Kunststoffe.

Die Fraunhofer-Projektgruppe IWKS hat sich mit Biokunststoffen als nachhaltige Alternative zu konventionellen Kunststoffen befasst.

Die meisten der heute verwendeten Kunststoffe werden aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl oder Erdgas hergestellt. Obwohl flexibel und vielseitig einsetzbar, haben herkömmliche Kunststoffe den Nachteil, nicht erneuerbare Ressourcen bei der Herstellung zu verbrauchen und sich nicht (vollständig) biologisch abzubauen. Da Kunststoff in unserer Gesellschaft unter anderem in der Medizintechnik zu einem essenziellen Werkstoff geworden ist, der hohe Anforderungen erfüllen muss, lässt er sich nicht ohne Weiteres durch andere Materialien ersetzen. Ein Ansatz, um fossile Ressourcen zu schonen und das Abfallaufkommen zu vermindern, ist die Nutzung von Kunststoffen, basierend auf Rohstoffen aus der Natur. Diese Stoffe können, müssen jedoch nicht biologisch abbaubar sein. Zudem gibt es auch Kunststoffe, die biologisch abbaubar sind, aber aus petrochemischen Rohstoffen hergestellt werden. Um eine Unterscheidung zu erleichtern, spricht man daher oft von biobasierten – also aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellten – und bzw. oder biologisch abbaubaren – also durch in der Umwelt vorhandene Mikroorganismen zersetzbaren – Kunststoffen.

Alles bio – also ab in die Biotonne?

Sogenannte biologisch abbaubare Kunststoffe gibt es mittlerweile auch im Einzelhandel zum Beispiel als Tüten für den Biomüll zu kaufen. Diese sollen eigentlich mit dem Biomüll in den kommunalen Kompostierungen entsorgt werden. Jedoch gibt es zwischen den einzelnen Biokunststoffen nochmals erhebliche Unterschiede. Nicht jeder biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoff zersetzt sich gleich schnell. Dies hängt nicht nur mit dem Material selbst, sondern auch mit den Umgebungsbedingungen (etwa Temperatur und Feuchtigkeit) zusammen. Deshalb verweigern manche kommunalen Abfallbetriebe die Verarbeitung von Bioplastiktüten für die Kompostierung, da sie sich unter den dort herrschenden Bedingungen nicht oder nicht vollständig zersetzen. Für den Verbraucher ist dies oft nur schwer ersichtlich und wenig nachvollziehbar. Mittlerweile gibt es hier erste Orientierungshilfen anhand von Normen oder von Zertifizierungen. Dazu zählen beispielsweise das OK Compost Home-Logo, das Produkte kennzeichnet, die auch im heimischen Kompost vollständig abbaubar sind, sowie das Keimling-Symbol des European Bioplastics e. V.

Nachwachsender Rohstoff = gut für die Umwelt?

Ad

Üblicherweise besteht heute genutztes Bioplastik für abbaubare Plastiktüten aus Biomasse, die aus Mais, Zuckerrohr oder Holz gewonnen wird. Prinzipiell hat dies den Vorteil, dass die Umwelt durch nachwachsende Ausgangsstoffe und daher eine bessere CO2-Bilanz geschont wird, da bei der Kompostierung keine thermische Verwertung erfolgt. Es gibt jedoch noch einige Herausforderungen:

  • Biokunststoffe aus Mais oder Zucker stehen in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die rasant steigende Weltbevölkerung und die teils prekäre Ernährungssituation ein ernstzunehmendes Phänomen. Ein Blick auf Deutschland: Im Jahr 2017 belief sich die Anbaufläche von Industrie- und Energiepflanzen deutschlandweit auf rund 2,7 Mio. ha. Zum Vergleich: Insgesamt wurden in Deutschland 2017 nur rund 16,7 Mio. ha landwirtschaftlich genutzt.
  • Beim Anbau von nachwachsenden Rohstoffen kommen häufig Monokulturen zum Einsatz, die einen hohen Verbrauch von Böden und Wasser zur Folge haben, was wiederum in die CO2-Bilanz mit einzurechnen ist. Dazu kommt der Energieverbrauch bei der Herstellung.
  • Oft sind die Eigenschaften der biobasierten Werkstoffe noch nicht gleichwertig wie die der herkömmlich hergestellten Kunststoffe (beispielsweise bei der Verwendung als Verpackungsmaterial für Lebensmittel).
  • Die Abtrennung von Biokunststoffen in automatisierten Sortieranlagen ist bisher noch sehr unzureichend, wodurch diese Materialien dem Stoffkreislauf durch Kompostierung verloren gehen und stattdessen verbrannt oder deponiert werden.

Biokunststoffe ja, aber richtig!

Die Forscher der Fraunhofer-Projektgruppe IWKS sind der Meinung, dass Biokunststoffe einen erheblichen Beitrag zur Entlastung der Ressourcen und der Umwelt leisten können. Allerdings sind hier einige Grundvoraussetzungen zu erfüllen. Die Forscher empfehlen daher:

  • alternative biobasierte Rohstoffe zu nutzen, die nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelherstellung stehen. Nur dann sind Biokunststoffe unter ökologischen, ökonomischen sowie sozialen Faktoren sinnvoll und nachhaltig einzusetzen.
  • Ansätze der Forschung wie die Nutzung von Resten aus der Lebensmittelherstellung konsequent für die Anwendung im industriellen Maßstab weiterzuverfolgen (etwa aus Himbeer- oder Apfeltrestern).
  • die Eigenschaften der Biokunststoffe nach den Anforderungen der Industrie weiter zu verbessern, ohne hier Abstriche bei der Nachhaltigkeit zu machen (zum Beispiel biobasierte und biologisch abbaubare Beschichtungen auf Basis von Hemicellulose oder biogene Haftvermittler, um die mechanischen Eigenschaften von nachhaltigen Kompositmaterialien zu verbessern).
  • mehr Transparenz für Verbraucher zu schaffen durch eindeutige Kennzeichnung auf den Produkten, um einerseits die Möglichkeit der Einflussnahme durch das Kaufverhalten zu eröffnen und andererseits die korrekte Entsorgung zu gewährleisten.
  • bioabbaubare Kunststoffe für eine automatisierte Sortierung entsprechend einheitlich zu kennzeichnen. Nur dann ist aus Sicht der Fraunhofer-Projektgruppe IWKS eine Zuführung in den Recyclingkreislauf sinnvoll.
  • aktive Einbeziehung der Industrie sowie der Recyclingunternehmen durch Anreize zur Entwicklung von Prototypen und Umsetzung in den Industriemaßstab (Anreize statt ausschließlich Verbote, Ansatz des Design for Circularity).

pl

Passend zu diesem Artikel