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Schaumspritzgießen: So entstehen perfekte Oberflächen

Das IKV hat herausgefunden, dass isolierende Werkzeugbeschichtungen die Oberflächenqualität beim Thermoplast-Schaumspritzgießen verbessern.

Aufgrund von Oberflächendefekten ist es derzeit meist nicht möglich, das Thermoplast-Schaumspritzgießen im Sichtbereich einzusetzen. Zur Oberflächenverbesserung können verschiedene Verfahren eingesetzt werden, die jedoch die Prozesskomplexität und/oder die Kosten erheblich steigern. In einem gemeinsamen, ZIM-geförderten Forschungsprojekt untersuchen das IKV an der RWTH Aachen und SK Industriemodell (SKI) mit Sitz in Übach-Palenberg deshalb den kostengünstigen Einsatz von isolierenden Werkzeugbeschichtungen im physikalischen und chemischen Thermoplast-Schaumspritzgießen zur Verbesserung der Oberflächenqualität.

Das Thermoplast-Schaumspritzgießens ist ein verbreitetes und wirtschaftlich bedeutendes Spritzgießsonderverfahren, welches insbesondere im Automobilbau diverse Vorteile bietet. Zu den wichtigsten Vorteilen des Verfahrens gehört die Dichtereduktion im Formteil und Viskositätsreduktion der Schmelze, wodurch eine erhebliche Materialeinsparung im Formteil erreicht werden kann. Durch das Thermoplast-Schaumspritzgießen wird außerdem eine höhere Gestaltungsfreiheit ermöglicht, da das Aufschäumen des Treibmittels als interner Nachdruck im Formteil wirkt und insbesondere bei Dickstellen am Fließwegende Einfallstellen verhindert und die Maßhaltigkeit verbessert.

Geringe Oberflächenqualität durch Schmelzeeruptionen

Der Nachteil beim Thermoplast-Schaumspritzgießen ist die geringe Oberflächenqualität aufgrund von Schmelzeeruptionen und Silberschlieren. Beide Defekte sind eine Folge von unerwünschten Blasen, die sich bei der Formteilfüllung bilden. Die entstandenen Defekte können durch verschiedene Verfahren reduziert, kaschiert oder verhindert werden. Zu diesen Verfahren gehören beispielsweise die variotherme Temperierung, das Hinterspritzen von Dekorfolien, das Gasgegendruck-Verfahren oder der Einsatz eines atmenden Werkzeugs. Diese Verfahren bedingen jedoch alle spezielle Werkzeug- oder Temperiertechnik, die die Kosten steigern.

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Alternativ besteht die Möglichkeit, isolierende Werkzeugbeschichtungen einzusetzen, wodurch eine Steigerung der Kontakttemperatur zwischen Schmelze und Werkzeug erreicht wird. Durch die erhöhte Kontakttemperatur kann ein ähnlicher Effekt wie bei der variothermen Temperierung erreicht werden. Die Defekte an der Oberfläche können länger durch den Schmelzedruck verformt und ausgeheilt werden. Die Investitionskosten für die Beschichtung sind verglichen mit den Kosten für andere Methoden zur Oberflächenverbesserung gering.

Einsatz der Beschichtungen im Spritzgießwerkzeug

Es konnten anhand einer Literaturrecherche mehrere Beschichtungen mit Potenzial für den Einsatz im Thermoplast-Schaumspritzgießen aus anderen Industriezweigen identifiziert werden. Diese wurden in praktischen Versuchen im Spritzgießwerkzeug auf ihre Eignung bei der Verarbeitung von verschiedenen Polypropylen-Compounds sowie PC/ABS und Polyamid untersucht. Als Zielgrößen für die Eignung einer Beschichtung wurden die optischen Kennwerte Glanzgrad und Grauwert sowie die Standfestigkeit der Beschichtung bei Einsatz von glasfasergefülltem Material analysiert. Dabei konnten insbesondere mit einem Einbrennlack gute Ergebnisse für PP und PC/ABS erzielt werden. Diese Beschichtung ermöglicht hohe Glanzgrade und ist somit insbesondere bei glatten Oberflächen im Werkzeug geeignet.

Zudem wurde auch die Beschichtung Cera-Shibo von Eschmann Textures International untersucht, die sich besonders durch die Vielfalt an möglichen Oberflächenstrukturen auszeichnet. Die Kombination von Beschichtung und Oberflächenstrukturen wie einer Ledernarbungen ermöglichen Formteile komplett frei von sichtbaren Oberflächendefekten und ermöglicht somit den Einsatz von Thermoplast-Schaumspritzgießen-Formteilen im Sichtbereich. Gleichzeitig werden die guten gewichtsspezifischen Biegeeigenschaften der Formteile durch die Beschichtung kaum beeinflusst.

Durch den Einsatz der Beschichtungen konnte auch der Einfluss der Prozessparameter oder des Fließwegs auf die Oberflächenqualität reduziert werden, wodurch die Prozessführung beim Thermoplast-Schaumspritzgießen vereinfacht wird. Zusätzlich ermöglicht die Beschichtung eine höhere Gewichtsreduktion und eröffnet somit noch mehr Freiheiten bei der Formteilgestaltung, auch wenn derzeit bei glatten Werkzeugoberflächen noch nicht die Oberflächenqualität der variothermen Temperierung erreicht werden kann.

In folgenden Untersuchungen sollen nun weitere Materialien in Kombination mit den beiden erwähnten Beschichtungen untersucht werden. Bei den bisherigen Untersuchungen war es mit den beiden Beschichtungen möglich, eine signifikante Verbesserung der Oberfläche zu erreichen. Dadurch sollen die Vorteile der Technologie weiter analysiert und bei SKI in die Serie überführt werden. Zu diesem Zweck wird dieses Jahres ein Demonstratorwerkzeug mit Beschichtung in Betrieb genommen, an dem die Vorteile veranschaulicht werden können.

Autoren: Jan Wolters und Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann, Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) an der RWTH Aachen

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