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News 15. November 2021

„Rohstoffmangel als echte Herausforderung“

Die K-ZEITUNG spricht mit Ian Mills und Bernd Sparenberg (beide Mocom) u.a. über den Rohstoffmangel als derzeit größte Herausforderung.
Ian Mills, CEO Mocom.
Ian Mills, CEO Mocom.

Die K-ZEITUNG spricht mit Ian Mills und Bernd Sparenberg (beide Mocom) u.a. über den Rohstoffmangel als derzeit größte Herausforderung.

Ian Mills, CEO beim Compoundeur Mocom, sieht im aktuellen Rohstoffmangel eine echte Herausforderung für alle Marktakteure. Seit einem Jahr agiert Mocom, ehemaliger Geschäftsbereich Technical Compounds bei Albis, als eigenständiges Unternehmen. CEO Ian Mills und Bernd Sparenberg, Vice President Global Sales, blicken nun auf das erste Jahr zurück und sprechen über die aktuellen Herausforderungen nach einem von der Corona-Pandemie geprägtem Jahr.

Herr Mills, Mitte Oktober – pünktlich zur Fakuma – wurde Mocom ein Jahr alt. Wie hat sich dieser erste Geburtstag angefühlt?

Ian Mills: Der erste Geburtstag ist ein schöner Meilenstein. Wir blicken mit einer gewissen Genugtuung auf das erste Jahr des Mocom-Geschäfts zurück und mit Vorfreude darauf, was noch kommen wird. Das Mocom-Team hat in den letzten zwölf Monaten wirklich hart gearbeitet und ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass wir ein Jahr später da stehen, wo wir jetzt sind. Ich bin ich stolz auf das, was wir erreicht haben. Aber natürlich gibt es gibt noch viel zu entwickeln und zu verbessern.

Der Name Albis ist eine langjährig bekannte Größe im Markt – der Name Mocom war vor einem Jahr hingegen völlig unbekannt. Hat sich Mocom als Marke am Markt bereits etablieren können?

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Mills: Mein Eindruck ist ja. Wir haben bereits zahlreiche Marketingaktivitäten unter dem neuen Branding durchgeführt. Unter anderem waren wir auf der Fakuma erstmals mit einem eigenen Messestand vertreten. Außerdem haben wir seit einem Jahr unsere eigenen Verkaufsteams. Der Name Mocom etabliert sich also mehr und mehr.

Bernd Sparenberg: Die Präsentation der Marke Mocom ist zudem anders als branchenüblich. Sie ist bunter und hat ein bisschen mehr den Charakter eines Startups und das haben wir auch auf der Fakuma auf unserem eigenen Stand an prominenter Stelle gezeigt.

Die Ausgliederung des ehemaligen Compounding-Bereichs der Albis als eigenständige Mocom ist in einer schwierigen Zeit erfolgt, nämlich der Covid-Pandemie.

Mills: Natürlich hatten wir mit der Pandemie zu kämpfen. Das hat nicht nur die junge Mocom, sondern auch die ganze Branche vor große Herausforderungen gestellt. Vor der Geburt von Mocom – von März bis September 2020 – gab es eine kurze Zeitspanne, in der wir mit einem Mangel an Aufträgen konfrontiert waren. Das hat uns natürlich belastet. Im Oktober 2020 dann stieg die Nachfrage rasant an – in einem Maße, wie wir es noch nie erlebt haben.
Das hat unter anderem zu Schwierigkeiten in der Lieferkette, zu logistischen Herausforderungen und zu deutlichen Preissteigerungen geführt, bis hin zu einem Niveau, das man sich vor einem Jahr noch kaum hätte vorstellen können.

Beschaffung der Rohstoffe bleibt größte Herausforderung

Mit welchen besonderen Schwierigkeiten hatte Mocom zu kämpfen? Wie hat Mocom diese bewältigt?

Mills: Es gab viele Herausforderungen im Zusammenhang mit der Pandemie: Eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen, die Umstellung auf das Homeoffice von heute auf morgen, keine persönlichen Kundenbesuche mehr, all die Tests, die wir bei den Teams in der Produktion durchführen müssen. Das alles hat den Druck, dem wir als Unternehmen ausgesetzt waren, noch erhöht. Aber unsere Teams haben darauf reagiert. Unsere Compound-Linien waren ohne Unterbrechung in Betrieb.
Allerdings haben wir die Auswirkungen der Pandemie noch nicht vollständig hinter uns. Die größte Herausforderung, die wir heute haben, ist, die benötigten Rohstoffe zu bekommen. Das ist ein alltägliches Problem. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage derzeit auf einem sehr hohen Niveau. Das übt Druck auf unseren Kundenservice aus. Unsere Kolleginnen und Kollegen setzen alles daran, unsere Kunden entsprechend unserer hohen Servicestandards zu beliefern, aber das ist aufgrund dieser Bedingungen nicht einfach.

Wie geht Mocom mit dem Rohstoffmangel um. Werden bestimmte Kunden bevorzugt bedient?

Mills: Wir sind uns des Drucks auf unsere Kunden sehr bewusst, die ihre eigene Produktion am Laufen halten müssen. Da wir nicht alle Rohstoffe in ausreichender Menge beziehen können, sind wir gezwungen, vorhandene Mengen zuzuteilen. Und zwar so, dass alle unsere Kunden so viel wie möglich von dem Material, das sie unbedingt brauchen, zum richtigen Zeitpunkt erhalten. Das ist eine echte Herausforderung und wir arbeiten sehr hart daran, sie zu meistern.

Bernd Sparenberg, Vice President Global Sales, Mocom, sieht im  Rohstoffmangel eine echte Herausforderung.
Bernd Sparenberg, Vice President Global Sales, Mocom, sieht im Rohstoffmangel eine echte Herausforderung.

Sparenberg: Ich möchte ergänzen, dass wir derzeit materialabhängig deutlich längere Vorlaufzeiten als normalerweise haben. Bei anderen Anbietern am Markt ist das nicht anders. Langfristig planende Kunden wissen das.
Sehr dringende Aufträge versuchen wir, in unserem engmaschigen Prozess noch irgendwie hineinzubekommen. Mit all den zusätzlichen Kosten und mit all der Teampower, die das mit sich bringt. Immerhin wickelt Mocom Produktionsaufträge in vierstelliger Größenordnung im Monat ab. So vermeiden wir bei den Verarbeitern Worst-Case-Szenarios wie etwa einen kompletten Produktionsstopp.

Bei welchen Materialen, die Mocom als Compoundeur benötigt, ist der Engpass derzeit besonders hoch?

Mills: Glasfasern waren sehr knapp und sind es auch weiterhin. Einige Polymere sind ebenfalls stark betroffen. PA66 ist nach wie vor ein Problem, wie schon vor zwei oder drei Jahren. Insgesamt ist aber eine ganze Bandbreite von Rohstoffe betroffen – auch Pigmente, Additive und Verpackungsmaterialien.

Dieser Mangel treibt die Preise auf Rekordhöhen, sehr zu Freude der Kunststofferzeuger, die Rekordgewinne verbuchen können. Profitiert auch Mocom von dem hohen Preisgefüge?

Sparenberg: Gewinnsteigerungen sehe ich in anderen Stufen der Wertschöpfungskette, nicht bei den Compoundeuren, die alle Vorprodukte und Rezepturbestandteile sehr viel teurer zukaufen müssen. Natürlich müssen wir diese Kosten an unsere Kunden weitergeben.

Mills: Mocom hat erst mit seiner Ausgliederung aus der Albis im Oktober 2020 damit begonnen, Einnahmen und Ausgaben eigenständig zu verbuchen. Wir sind profitabel, aber können nicht sagen, ob wir Rekordgewinne erzielen, denn es fehlen Vergleichsdaten. Meiner Meinung nach machen wir die für Compoundeure branchenübliche Rendite.

Vor einem Jahr kündigten Sie an, in Deutschland eigene Kundenservice-Teams aufzubauen und mit der Zeit mehr Direktgeschäfte zu entwickeln. Konnte Mocom hier bereits neue Geschäfte anbahnen?

Sparenberg: Die Teams waren schon vor dem offiziellen Start von Mocom unter der Albis-Flagge aktiv. In den Marktsegmenten Automotive, E&E, General Industries,  gibt es diese Business Development Teams schon seit vielen Jahren. Wir haben sie jetzt passend zu der Anzahl unserer Kunden um einen eigenen Vertrieb, Customer Service und Technical Service Center ergänzt und gehen mit den Teams zu den Tier 1 und OEMs, um neue Geschäft zu entwickeln. 60 Prozent von dem, was wir auf der Mocom-Seite an Business Development machen, landet nicht bei den Direktkunden der Mocom, sondern bei Kunden, die nach wie vor von der Albis-Distribution betreut werden.

Ebenfalls kündigten Sie an, eventuell andere Compoundeure zuzukaufen. Haben Sie bereist geeignete Kandidaten im Visier?

Mills: Wir haben uns in den letzten zwölf Monaten einige Möglichkeiten angeschaut, aber bislang noch kein Unternehmen gefunden, das wirklich zu uns passt. Wir arbeiten weiter an der Entwicklung von M&A-Aktivitäten, aber ich kann heute nichts Konkretes sagen, nur so viel: Wir sind aktiv auf der Suche.

Starke Nachfrage nach Rezyklate im Automobilbau

Die Fakuma stand im Zeichen von Recycling und Kreislaufwirtschaft. Können Sie hier bereits klare Trends erkennen? Hat Mocom sein Portfolio hinsichtlich Rezyklat-Compounds ausgeweitet?

Sparenberg: Recycling und Rezyklate sind bei uns kein neues Thema. Wir bieten seit über 25 Jahren Rezyklate auf einem hohen Niveau an. Der derzeitige Trend ist unser Freund. Jetzt kommen sogar Konkurrenten auf uns zu, die fragen, ob wir zusätzliches Recyclingmaterial für sie haben.
Besonders im Automobilbau werden Rezyklate in Near-to-Prime Qualität gefragt. Wenn man eine Recyclinglösung hat, die mit der Leistung und der Qualität mithalten kann, die in der Automobilindustrie benötigt wird, dann ist man im Geschäft.

Stichwort Automobilbau: Gibt es Verlagerungen im Kunststoffmix zugunsten einiger Polymertypen?

Sparenberg: Ein Trend ist natürlich E-Mobility. Für Mocom wird sich im Bereich Interieur nicht viel ändern – den ganzen Bereich Innenraum, Oberflächen sowie Beleuchtung sehen wir schon heute als unsere Kernkompetenz und erwarten hohe Wachstumsraten.
Änderungen gibt es am Antriebstrang. Ohne Verbrenner herrschen dort niedrigere Temperaturen – daraus  ergeben sich Umschichtungen bei den Materialien. Man kann aber nicht sagen, dass bestimmte Materialien verschwinden, denn es gibt ganz neue Anwendungsfelder, etwa im Bereich Struktur, Kühlung, Batterien oder Brennstoffzellen.
Ein anderer Trend sind Human Machine Interface (HMI) – Displays mit Touch-Technologie - und hybride Displays, die analoge und digitale Elemente kombinieren. In Mode kommen hier Black-Panel Effekte. Auch für diese Technologie hat Mocom die passende Materialvielfalt.

Design for Recycling: Clustern der Materialvielfalt wird wichtiger

Mocom muss sein Portfolio also nicht weiter verändern? Sondern nur nach neuen Anwendungen in anderen Branchen suchen?

Sparenberg: Soweit würde ich nicht gehen. Wir müssen natürlich auch bei uns schauen, dass wir die Materialien immer wieder anpassen. EMV-Abschirmung oder das Gegenteil, Materialien mit hoher Transmission bei HF-Anwendungen (5G/Radar) bleiben Entwicklungsaufgaben auch für uns. Auch das Clustern der Materialvielfalt im Sinne von Design for Recycling wird wichtiger. Da müssen wir sehr wachsam sein. Mocom ist mit seiner Eigenständigkeit noch agiler geworden, sehr nah am Kunden und kann mit seiner starken Entwicklungskompetenz auf diese Trends reagieren.

Welche weiteren Pläne haben Sie für Mocom in der näheren Zukunft? Wird es weitere Veränderungen im Unternehmen oder im Produktportfolio geben?

Sparenberg: Wir schätzen die Komplexität, die von unseren Kunden an uns herangetragen wird, und wir werden weiter daran arbeiten, unsere Dienstleistungen und unser Portfolio den sich stets ändernden Kundenbedürfnissen anzupassen. Da der aktuelle Markt sehr dynamisch ist, gibt es eine Menge an Möglichkeiten für innovative Produkte.

Mills: Mit unseren insgesamt fünf Produktionsstandorten in den USA, China und Deutschland verfügen wir bereits über eine starke Präsenz auf der Welt. Das erste Mocom-Jahr in den USA lief sehr gut, wir werden unser Geschäft dort weiterentwickeln. Dasselbe gilt für China. Um die Kapazitäten im deutschen und europäischen Geschäft zu erweitern und unsere Kundenpräsenz zu erhöhen, tätigen wir noch in diesem Jahr einige Investitionen. Bei all diesen Aktivitäten liegt unser Hauptaugenmerk darauf, dass wir unser hohes Serviceniveau noch steigern können.

Die Fakuma ist gerade zu Ende gegangen, der Blick war auf die Themen Nachhaltigkeit und Recycling gerichtet. Wie wird sich Mocom im nächsten Jahr zu K-Messe in Düsseldorf präsentieren?

Mills: Wir denken bereits an die K-Messe. Nachhaltigkeit wird dabei wieder ein zentrales Thema sein. Mocom wird sein Portfolio auch in dieser Hinsicht weiterentwickeln. Natürlich blenden wir dabei unsere klassischen Anwendungen wie Kunststoffe in der Automobilbeleuchtung oder für den Leichtbau nicht aus.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Werden wir im Oktober nächstes Jahr auf der K-Messe wieder normal funktionierende Märkte haben? Eine Zeit ohne Lieferengpässe, explodierende Preise und Corona-Einschränkungen?

Mills: Das ist schwer vorherzusagen. Einerseits übersteigt in vielen Bereichen die Nachfrage weiterhin das verfügbare Anbot. Vielleicht kehrt die globale Logistik zu einer gewissen Normalität zurück, und das wird uns helfen, alle Kundenwünsche zu erfüllen.
Andererseits sehen wir, welche Auswirkung die Halbleiterkrise bei unseren Kunden in der Automobilindustrie hat, was sich letztlich dann auch auf Mocom auswirkt. Was ich im Moment also sehe, sind sehr gemischte Botschaften. Ich habe noch keinen wirklichen Eindruck davon, wie sich die Dinge nächste Jahr entwickeln werden. Mein Instinkt sagt mir aber, dass das nächste Jahr für Mocom ein ziemlich starkes sein wird.

Matthias Gutbrod

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