Revolution bei der Pultrusion?
iPul heißt ein ganz neues Pultrusionsverfahren mit Geschwindigkeiten von bis zu 3 m/s, der Hersteller Krauss Maffei spricht von völlig neuen Möglichkeiten und lud zu einer Live-Vorführung nach München. Eine Revolution bei der Pultrusion? Über 200 Besucher wollten sich davon überzeugen.
Wenn Gäste aus den USA, China und Japan extra nach München reisen, um eine Neuentwicklung zu sehen, dann ist die Zeit offenbar reif dafür. Beim Competence Day Pultrusion am 28. Juni präsentierte Krauss Maffei mit iPul die erste Komplettanlage für das kontinuierliche Strangziehen. Das Interesse war so groß, dass der Anmeldeschluss für die Tagung vorgezogen werden musste.
Schnell und schlüsselfertig
"Die Pultrusion ist die effizienteste Art Profile aus Verbundwerkstoffen herzustellen, doch es gibt bislang kaum Turn-Key-Angebote, das haben wir mit unserer Komplettanlage iPul jetzt geändert. Hilfreich bei ihrer Entwicklung war, dass wir uns mit Fasern, Dosiertechnik und in der Extrusion gleichermaßen auskennen." So beschrieb Nicolas Beyl, President des Segments Reaktionstechnik der Krauss Maffei Gruppe, bei der Begrüßung der Gäste die Motivation von Krauss Maffei, in den Bereich Pultrusion einzusteigen. Zudem sieht Beyl in der Pultrusion eine Wachstumsbranche.
Bereits auf der JEC in Paris war die neue Komplettanlage iPul auf großes Interesse gestoßen, und beim Competence Day nutzten nun 220 Besucher die Gelegenheit, sie live zu erleben – mit einem so großen Ansturm hat selbst der Veranstalter nicht gerechnet, schließlich gibt es weltweit nur rund 350 Pultrudeure. Begleitet wurde die Live-Vorführung mit Vorträgen seitens der Entwicklungspartner und Rohstoffhersteller sowie einem "Speed-Dating" zwischen Fachleuten und Interessenten.
Innovation in zweierlei Hinsicht
Bei der Pultrusion werden Endlosfasern, meist aus Glas, Carbon oder Aramid, mit einer reaktiven Kunststoffmatrix infiltriert und in einem beheizten Werkzeug in die gewünschte Profilform gebracht. Greifer ziehen das ausgehärtete Profil kontinuierlich weiter und führen es einer Sägeeinheit zu. Die neue iPul-Anlage von Krauss Maffei beinhaltet diesen ganzen Ablauf und revolutioniert die seit langem gebräuchliche Technik in zweierlei Hinsicht: Sie kapselt das Tränken der Fasern, das bislang meist in offenen Wannenbädern stattfindet, in einer Injektionsbox, wodurch schnell reagierende Systeme (Epoxy, Polyurethan, Polyamid 6) eingesetzt werden können. Und sie erhöht die Produktionsgeschwindigkeit von den üblichen 0,5 bis 1,5 m/min auf rund 3 m/min. Damit nähert sich die Effizienz dem PVC-Extrudieren an, was völlig neue Märkte für diese Technik eröffnet. Das breite Interesse zeigte sich am Auditorium. Vier der zehn weltweit größten Pultrudeure waren ebenso nach München gekommen wie Sportartikel-, Fenster- und Automobilhersteller.
"Die Geschwindigkeit ist der Schlüsselfaktor bei der Pultrusion. Wir können sie mithilfe der Injektionsbox jetzt derart steigern, dass wir damit völlig neue Kundengruppen ansprechen, die für ihre Produkte die Pultrusion bislang noch nicht im Fokus haben", erklärte Beyl. "Für diese Kunden ist es zudem interessant, dass wir ihnen eine Turn-Key-Anlage liefern." Beyl sieht daher ein großes Potenzial für die Pultrusionstechnik, er rechnet mit 50 bis 100 verkauften Maschinen in den nächsten drei Jahren. Er sieht dabei vor allem drei neue Anwendungsfelder: Erstens Bewehrungsstäbe, zweitens Fensterprofile und drittens Rotorblätter für Windenergieanlagen.
Fachvorträge untermauern Wachstumspotenziale
Wolfgang Hinz und Daniel Lachhammer, die Experten für Pultrusion bei Krauss Maffei, zeichneten in ihrem Vortrag die Entwicklung der iPul-Anlage in den vergangenen eineinhalb Jahren nach und erklärten auch den Namen: "Das "i" in iPul steht für injected, innovative, integrated und industrialized, also die Kerneigenschaften unserer Anlage."
Die folgenden Vorträge von Entwicklungspartnern beleuchteten jeweils Teilaspekte der Pultrusion. So ging Dr. Klaus Jansen (Thomas Technik) auf die Fertigung gebogener und unregelmäßig geformter Profile ein. Hierbei wurde deutlich, warum sich beide Unternehmen so gut ergänzen. Die Freude am Entwickeln optimaler Lösungen auch für Nischenanwendungen trifft auf Industriekompetenz, Effizienzorientierung und weltweite Vermarktung. Renato Bezerra vom Fraunhofer IGCV präsentierte die Forschungskapazitäten des Augsburger Instituts und Stephan Constantino von Huntsman ging mit der Pultrusion sogar in die Luft: Das Unternehmen arbeitet mit Krauss Maffei an Lösungen für Windenergieanlagen. Fallbeispiele aus dem Baubereich erläuterte Wladimir Richter von Evonik: So konnte bei einer Sandwich-Fassade durch die Verwendung von pultrudierten Glasfaser-Armierungen (statt der Stahlversion) sehr viel Beton gespart werden, weil die Betonschicht mit 10 bis 15 mm deutlich dünner ausgeführt werden durfte, als bei korrodierenden Stahlbewehrungen (40 mm). Benedikt Kilian von Covestro stellte in seinem Vortrag die Vorzüge von Polyurethan gegenüber Matrixmaterialien wie Polyester (schlechtere mechanische Eigenschaften) und Konkurrenzverfahren wie extrudiertem Aluminium (geringere Isolationsfähigkeit und geometrische Stabilität) dar.
Erfolgreiche Premiere
Vor der folgenden Live-Vorführung der iPul-Anlage durchschnitten Nicolas Beyl, Wolfgang Hinz, Daniel Lachhammer und der scheidende Entwicklungsleiter Josef Renkl, der nach über 40 Jahren bei Krauss Maffei seinen letzten Arbeitstag vor dem Ruhestand erlebte, das Band. Eine Werksführung und ein abendliches Get-Together bildeten den Abschluss des erfolgreichen ersten Competence Day Pultrusion.
mg