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Märkte 17. Februar 2022

Rekordhoch für Exporte nach China

Die Aufträge aus China für Kunststoff- und Gummimaschinen befinden sich auf einem Rekordhoch. Doch die Exportgeschäfte werden zusehends schwieriger.
Deutsche Exporte bei Kunststoff- und Gummimaschinen verzeichneten 2021 ein Rekordhoch in China. Doch eine wachsende Abschottung des Landes trübt den Ausblick auf 2022.
Deutsche Exporte bei Kunststoff- und Gummimaschinen verzeichneten 2021 ein Rekordhoch in China. Doch eine wachsende Abschottung des Landes trübt den Ausblick auf 2022.

Die Aufträge aus China für Kunststoff- und Gummimaschinen befinden sich auf einem Rekordhoch. Doch die Exportgeschäfte werden zusehends schwieriger.

Deutschland exportierte 2021 so viele Kunststoff- und Gummimaschen nach China wie nie zuvor – ein Rekordhoch, doch für 2022 trübt Chinas Null-Covid-Politik und Abschottung die Stimmung ein. Zumindest die allgemeine Wirtschaftspresse verbreitet derzeit wenig Optimismus. „China schottet sich ab“; „Katerstimmung bei deutschen Unternehmen“; „Geschäftsklima trübt sich merklich ein“ lauten die Überschriften.

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Fragt man Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des VDMA Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen, nach der Marktentwicklung seiner Mitgliedsunternehmen in China, zeichnet sich für die Kunststoffbranche ein ganz Bild: „Die Aufträge aus China befinden sich aktuell auf einem Rekordhoch“, so Kühmann. In der jüngsten VDMA-Statistik (Jan.-Nov. 21) der zehn wichtigsten Exportländer Deutschlands für Kunststoff und Gummimaschinen löst China die USA als wichtigsten Markt ab. Obwohl der Dezember noch gar nicht berücksichtigt ist, weist die Statistik für China sogar ein neues Allzeithoch aus.

Rekordhoch für Kunststoff- und Gummimaschinen in China 2021

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Bei einzelnen Unternehmen ergibt sich dasselbe Bild. „2021 war das beste Jahr unserer Unternehmensgeschichte in China. Das will etwas heißen, denn wir sind hier seit fast einem Vierteljahrhundert aktiv“, erklärt Pietro Scattarreggia, Geschäftsführer Demag Plastics Machinery (Ningbo). „Sowohl beim Auftragseingang als auch beim Umsatz haben wir jeweils Rekordwerte erzielt. Nimmt man 2020 und 2021 zusammen, betrug das Wachstum gegenüber dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019 rund 60 Prozent.“

2020 seien laut Scattarreggia vor allem Maschinen für Verpackungen und Medical-Anwendungen gefragt gewesen. „Hier gab es Zuwächse zwischen 80 und 100 Prozent.“ Im vergangenen Jahr habe dann der Bereich Automotive ein Wachstum von 25 % generiert. Auch das Segment Consumer habe sich 2021 mit einem Plus von 15 % sehr gut entwickelt, während Verpackungen und Medical-Anwendungen auf Vorjahresniveau blieben.

Pietro Scattarreggia, Geschäftsführer Demag Plastics Machinery China<br>
Pietro Scattarreggia, Geschäftsführer Demag Plastics Machinery China<br>

"Alles, was mit Präzision und schnellen Zykluszeiten zu tun hat, läuft in China prächtig"

Pietro Scattarreggia, GF Demag Plastics Machinery China

Auch für Engel in China war 2021 ein sehr gutes Jahr. „Wir haben im Auftragseingang deutlich zugelegt“, gibt Dr. Stefan Engleder, CEO der Engel Gruppe bekannt. Wachstumsträger seinen vor allem die Bereiche Automotive und Medical. „China hat die Verkäufe von New Electric Vehicles (NEV) im letzten Jahr um mehr als 160 Prozent gesteigert. Den größten Anteil dabei machen reine Elektrofahrzeuge aus, die vielfach neue Spritzgießtechnologien erfordern“ erklärt Engleder. „Der Bereich Medical profitierte auch in China von der starken Nachfrage vor allem nach Diagnostik-Produkten.“

Bei Krauss Maffei China ist die Freude über das Jahr 2021 ebenfalls groß: „Es war ein außergewöhnliches Jahr für Krauss Maffei China. Trotz der volatilen Markt- und Lieferkettensituation konnten wir viele bemerkenswerte Erfolge erzielen“, erklärt Krauss Maffei China CEO Xiaojun Cui. „Vor allem in den Bereichen Elektromobilität, Petrochemie, Medizin und Consumer Electronics konnten wir ein beträchtliches Wachstum verzeichnen.“

Null-Covid-Politik könnte Exporte im Maschinenbau dämpfen

Doch bleibt dies auch 2022 so? Eine Reihe neuer Lockdowns in China könnte eine Abwärtsspirale in Gang setzen – und auch viele deutsche Unternehmen hart treffen. Schließlich hält China an seiner Null-Covid-Politik fest, der Linienflugverkehr ist bereits eingestellt und die Omikron-Welle fängt gerade erst an, nach China hereinzuschwappen. Selbst bei kleinen lokalen Ausbrüchen werden Flug- und Containerhäfen geschlossen oder ganze Städte unter Quarantäne gestellt. Für Unternehmen bedeutet dies, dass ständig und überall Störungen in der Logistikkette auftreten können. Das verstärkt nochmals die ohnehin schon vorhandenen Engpässe an Vorprodukten und Rohstoffen.

Thorsten Kühmann sieht im derzeit eingestellten Flugbetrieb für die Maschinenbauer ein wachsendes Problem: „Die hohe Zahl bestehender Aufträge muss abgearbeitet werden. Hierfür ist der stark exportorientierte Maschinenbau auf größtmögliche Reisefreiheit angewiesen, damit Servicetechniker die Maschinen vor Ort in Betrieb nehmen können. Das klappte bislang den Umständen entsprechend gut. Mit dem Stopp des Linienflugverkehrs nach China kommt für die Unternehmen nun eine weitere Herausforderung hinzu, die zu größeren Verwerfungen führt und die Verlässlichkeit europäischer Maschinenbauer in China stark trübt.“

Restriktionen behindern Aufbau und Inbetriebnahme

Xiaojun Cui beurteilt für Krauss Maffei die Situation nicht ganz so kritisch: „Natürlich beeinflussen uns die Reiserestriktionen sowohl bei unseren internen Abstimmungen als auch auf der Kundenseite bei Aufbau und Inbetriebnahme vor allem bei Großprojekten und komplexen Systemen. Digitale Werkzeuge wie unser Smart Assist ermöglichen es uns jedoch, für die meisten Fragestellungen Lösungen zu finden.“

Xiaojun Cui, CEO Krauss Maffei China. <br>
Xiaojun Cui, CEO Krauss Maffei China. <br>

„Der chinesische Markt hat 2021 schnell zu altem Wachstum zurückgefunden.“

Xiaojun Cui, CEO Krauss Maffei China

Auch Pietro Scattarreggia betont für Demag Plastics Machinery China, wie zunehmend wichtig die lokale Präsenz vor Ort sei: „Durch acht Servicebüros an allen wichtigen Industrie-Standorten sind wir breit aufgestellt und schnell vor Ort. Lediglich die Abriegelung eines wichtigen Hafens hat uns zeitweise gebremst, weil die Lieferketten unterbrochen waren.“ Laut Scattarreggia habe die Corona-Pandemie aber insgesamt wenig Einfluss auf die Geschäftstätigkeit mit Demag Spritzgießmaschinen in China gehabt. „Die Inzidenzen sind bislang niedrig, jeder Fall wird einzeln nachverfolgt. Natürlich hat man sich bei Geschäftsreisen überlegt, ob die unbedingt notwendig sind. Denn man musste damit rechnen, in einen Lockdown zu geraten und dann zwei Wochen festzuhängen.“

Chinas Binnenorientierung erschwert künftige Exporte

Die Stimmung der europäischen Maschinenbauer mit Aktivitäten in China ist mit Rückblick auf 2021 also bestens. Doch laut einer aktuellen Umfrage der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) China könnten abseits der Corona-Beschränkungen längerfristig wirkende Faktoren die Stimmung in deutschen Firmen zum Chinageschäft künftig ein wenig vermiesen.

Da ist zunächst einmal Chinas neue Politik zur Selbstversorgung und technologischer Unabhängigkeit, die chinesische Unternehmen bei einer Auftragsvergabe grundsätzlich bevorzugt. Das Konzept soll chinesische Firmen stärken und von ausländischer Technologie und globalem Handel unabhängiger machen. „Die Vorzugsbehandlung heimischer Wettbewerber vor dem Hintergrund einer politischen Fokussierung der chinesischen Wirtschaft auf sich selbst ist zur größten Herausforderung deutscher Unternehmen in China geworden“, heißt es bei der AHK China.

Als Reaktion darauf lokalisieren viele deutsche Firmen technisches und betriebliches Know-how in China. „Mit einer steigenden Nachfrage nach ehemals hochbegehrten ausländischen Produkten rechnet nur noch ein Drittel der deutschen Unternehmen in China“, beobachtet auch Clas Neumann, Präsident der deutschen Handelskammer in Shanghai.

Binnennachfrage gewinnt in China an Bedeutung

Unternehmen wie Engel, Krauss Maffei und Sumitomo Demag mit bereits eigener Entwicklung und Produktion in China haben hier die Nase vorn. Dr. Stefan Engleder, CEO Engel Gruppe, betont, dass „China auch künftig ein wichtiger Wachstumsmarkt bleibt, was zu einem immer größeren Teil aus der Binnennachfrage resultiert. Hinzu kommt der Trend, lokal zu produzieren, um unabhängiger von internationalen Lieferketten zu sein. Dabei verändern sich die Anforderungen an Spritzgießlösungen, worauf wir uns einstellen.“

Xiaojun Cui, Krauss Maffei China, erklärte hierzu: „Aufgrund unserer starken lokalen Präsenz in China können wir die negativen Auswirkungen auf unser Geschäft begrenzt halten.“

Laut Pietro Scattarreggia, Demag Plastics Machinery China, trifft die neue Politik zur Selbstversorgung High-Tech Produkte nicht: „Alles, was mit Präzision und schnellen Zykluszeiten zu tun hat, läuft prächtig, egal wo die Maschine produziert wird. Der Markt für unsere vollelektrischen Maschinen, welche ausschließlich in Deutschland oder Japan gebaut werden, ist 2021 in China um 35 % gewachsen.“ Scattarreggia beobachtet in China eine immer größere Nachfrage nach Maschinen für höherwertige und komplexere Anwendungen.

Dr. Stefan Engleder, CEO Engel Gruppe.
Dr. Stefan Engleder, CEO Engel Gruppe.

„Das Wachstum in China resultiert zu einem immer größeren Teil aus der Binnennachfrage.“

Dr. Stefan Engleder, CEO Engel Gruppe

Die Vorzugsbehandlung heimischer Unternehmen spielt dem chinesischen Spritzgießhersteller Haitian in die Hände. „Der Kunststoffmarkt in China hat sich generell gut entwickelt, und die Maschinennachfrage bei Haitian International ist 2021 gegenüber 2020 gestiegen, so dass wir ein weiteres Rekordjahr in Bezug auf Stückzahlen hatten“, erklärt Mr. Sun Yiming, General Manager Haitian International Germany, auf Nachfrage. „Einige Branchen wie die Medizin- oder Verpackungsindustrie haben zum Teil sogar wegen Corona wieder angezogen. Für uns als chinesischer Maschinenhersteller ist und bleibt China damit das Rückgrat des Geschäfts. Auch wenn wir weltweit immer mehr Interesse und Anerkennung für unsere Lösungen bekommen – mehr als 10.000 Exportmaschinen im Jahr 2021 sind ein Beleg dafür.“

Neue Herausforderungen für Geschäfte in China

Wie wird sich da Jahr 2022 für die Kunststoffbranche in China entwickeln? „Für das Jahr 2022 und unsere Marktentwicklung in China sind wir optimistisch. Krauss Maffei engagiert sich stark für den chinesischen Markt, da dieser eine immer wichtigere Rolle spielt“, erklärt China-CEO Xiaojun Cui von Krauss Maffei.

Auch für die Engel Gruppe bleibt China ein wesentlicher Wachstumsmarkt. Dr. Stefan Engleder hat dabei auch das gebremste Bevölkerungswachstum und das steigende  Durchschnittsalter in China im Blick: „Künftig wächst weniger Fachpersonal nach. Entsprechend rücken die Themen Automatisierung und intelligente Assistenz stärker in den Fokus. Auch dafür sind wir mit einem eigenen Automatisierungszentrum und einem eigenen Digital-Solutions-Sales-Team in Shanghai gerüstet.“

Mr. Sun Yiming, General Manager Haitian International Germany.
Mr. Sun Yiming, General Manager Haitian International Germany.

„Nach einem Rekordhoch in 2021 erwarten wir für 2022 ein schwieriges Jahr.“

Mr. Sun Yiming, General Manager Haitian International Germany

Dennoch: Das Jahr 2022 könnte für alle Akteure auch in China herausfordernd werden. Deutlich wird, dass vor allem die Binnennachfrage das Geschehen bestimmen wird. Doch die Omikronwelle könnte ich China noch stark anwachsen, Reisebeschränkungen andauern und die Bevorzugung chinesischer Firmen zunehmen.

China bleibt Exportmotor für deutsche Unternehmen

„Zu Beginn 2022 haben wir einen leichten Abschwung des Marktes gesehen. Dies wird auch zunächst so weitergehen. Umsatzzuwächse erwarten wir dann wieder im 3. und 4. Quartal“, so die Einschätzung von Scattarreggia. Dies sei jedoch typisch für China. Nach zwei sehr starken Jahren folge meist ein halbes Jahr der Abkühlung. Seine langfristige Einschätzung trotz aller politisch gewollten Bevorzugung chinesischer Hersteller: „Der Markt im Reich der Mitte bleibt extrem wichtig für Demag. 55 Prozent aller Spritzgießmaschinen weltweit kommen in China zum Einsatz, mit immer höheren Anforderungen an Komplexität und Qualität.“

Also genau das Metier europäischer und japanischer Hersteller. Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), bringt die Entwicklung auf den Punkt: „China bleibt ein Wachstumsmotor für viele deutsche Unternehmen, doch die Früchte hängen höher.“

Matthias Gutbrod

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