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K 2022 27. Oktober 2022

Recycler und Kunststoffverarbeiter rücken zusammen

Auf der K 2022 spricht Thorsten Kühmann mit Ulrich Reifenhäuser und Michael Ludden über das Zusammenspiel der Recycling- und der Verarbeiterseite.

Ulrich Reifenhäuser und Michael Ludden sprechen auf der K 2022 über das Zusammenspiel der Recycling- und der Verarbeiterseite.
Ulrich Reifenhäuser und Michael Ludden sprechen auf der K 2022 über das Zusammenspiel der Recycling- und der Verarbeiterseite.

Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des Fachverbandes Kunststoff- und Gummimaschinen im VDMA interviewt Ulrich Reifenhäuser als Vorstandsvorsitzender dieses Fachverbands und Michael Ludden als Vorstandsvorsitzender des VDMA-Fachverbands Abfall- und Recyclingtechnik über die aktuellen Entwicklungen.

Kunststoffabfall auf der K-Messe

Welchen Stellenwert hat Kunststoffabfall und welche Bedeutung hat die Behandlung dieses Abfalls hier auf der K bekommen?

Ludden: Wir in der Abfall- und Recyclingtechnik sind heute in der Lage, sowohl aus dem Hausmüll, aber vor allem aus den Verpackungsabfällen einen Stoffstrom zu erzeugen, der in Rezyklaten endet. Diese können dann weiterverarbeitet werden. Die Branche hat in den letzten 20 Jahren Geräte entwickelt, die in der Lage sind, die Monomere des Kunststoffs, also etwa Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol oder PET zu unterscheiden. Diese Geräte sind heute wichtige Komponenten der Sortieranlagen. Der Wiedereinsatz dieses Rezyklates funktioniert ganz gut. Auf politischen Druck hin fordern die Verarbeiter jetzt größere Mengen und bessere Qualitäten, denn das Material soll möglichst oft im Kreislauf gefahren werden. Deshalb die zunehmende Nähe der Recycler zu den Verarbeitern, die hier auf der K versammelt sind. Diese wollen wissen, was geht und was noch nicht. Die Verarbeiter haben bislang meist Virgin-Material auf Erdölbasis eingesetzt. Jetzt müssen sie sich mit Rezyklaten beschäftigen, die oft andere Eigenschaften haben als Virgin-Material.

Ihre Firma Sutco Recyclingtechnik ist Aussteller auf der IFAT und erstmals jetzt auch auf der K. Warum ist es so wichtig, dass diese beiden Messen inhaltlich zueinander finden?

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Ludden: Wenn wir eine hohe Qualität des Granulats erreichen wollen, sind Inputströme mit gleichbleibender Qualität wichtig. Die bekommt man, wenn man das Material aus einer Sortieranlage auf technologisch höchstem Niveau kauft. Dann kann man sich auf die Qualitäten verlassen. Und dann kann man auch die Aufbereitung auf diese Qualitäten einstellen. Diese Diskussion zwischen dem, der sortiert und dem, der aufbereitet, findet jetzt statt - hier auf der K und auch auf der IFAT. Es ist wichtig zu wissen, was der eine kann und der andere braucht.

Herr Reifenhäuser, ihre Firma stellt Maschinen her, mit denen man große Mengen an Kunststofffolie herstellen kann. Setzten Sie Rezyklate ein und wenn ja, was ist da wichtig?

Reifenhäuser: Der Einsatz von Rezyklaten ist in unserer Prozesstechnik überhaupt kein Problem. Das Problem ist vielmehr, dass es kaum Rezyklate gibt. Das Sammeln des Kunststoffabfalls funktioniert in einigen Ländern schon sehr gut. Aber das Sortieren ist die Herausforderung. Zu bestimmen, was ist PE, was ist PP, was ist PET. Besonders bei Mehrschichtfolien ist die Sortierung schwierig. Manche sind recycelbar, manche nicht. Wie will man das erkennen? Aus meiner Sicht muss jede Kunststoffverpackung digitalisiert werden. Sie muss einem Sortierer sagen, woraus sie besteht. Es gibt da schon gute und nachhaltige Ansätze. Die müssen jetzt auf die Bahn gebracht werden. Ob sie schlussendlich die Lösung sind, lässt sich heute noch nicht sagen. Aber man muss anfangen.

Nachhaltige Ansätze und Rezyklate

Welche Ansätze gibt es?

Reifenhäuser: Es gibt R-Cycle und Holy Grail. R-Cycle ist ein offener Standard zur Realisierung des digitalen Produktpasses für Kunststoffe. Holy Grail ist eine Initiative zur Etablierung einer einheitlichen Markierung dieses Produktpasses mittels unsichtbarem Wasserzeichen. Beide Gruppen arbeiten schon zusammen. Das sind innovative Ansätze, die aus meiner Sicht geeignet sind, das Sortierungsproblem zu lösen. Aber daneben bemüht sich die Industrie nach Kräften, Rezyklate einzusetzen. Wir bei Reifenhäuser haben eine Technologie entwickelt, mit der wir Post-Consumer-Kunststoffe in der Folienverarbeitung einsetzen können. Nicht für High-End-Folien, sondern für Müll- oder auch Postsäcke. Die finale Lösung muss es aber sein, die Sortierung insgesamt zu verbessern, indem wir Digitalisierung einsetzen.

Der Verbraucher ist bei allem außen vor?

Reifenhäuser: Der Verbraucher kann die Sortierung in der Form, in der wir sie brauchen, nicht leisten. Dazu weiß er einfach zu wenig. Er müsste Spezialist auf diesem Gebiet sein. Deshalb heißt der richtige Ansatz: Technologie, Digitalisierung. Jedes Produkt braucht einen digitalen Zwilling.

Ludden: Wir haben auf der Abfallseite in den letzten 20 Jahren gelernt, dass der Mensch nicht in der Lage ist, Polymere zu unterscheiden. Dafür gibt es in modernen Sortieranlagen Nahinfrarotgeräte. In einer modernen Sortieranlage, wie wir sie gerade in Schweden bauen, sind 30 dieser Nahinfrarotgeräte verbaut. Damit können wir zwölf gute Monomerfraktionen erzeugen. Die können wir auch noch nach Farben sortieren. Wir brauchen aber entsprechende Materialmengen, um das Material unterscheiden zu können und diese Mengen fehlen heute noch. Es gibt einen großen Druck im Markt, weil alle Rezyklate haben wollen. Aber der Verbraucher ist nicht außen vor, denn alle Techniken basieren darauf, dass der Kunststoffstrom erst einmal erfasst worden ist. Deshalb bleibt es sehr wichtig, dass der Verbraucher seine Kunststoffverpackungen in die gelbe Tonne wirft.

Welche Rolle spielt das Produktdesign in dem Bemühen, mehr Rezyklate zu bekommen?

Ludden: Bei einfachen Verpackungen gibt es im Produkt-Design sicherlich Möglichkeiten, den Materialmix zu verringern. Sobald eine Verpackung aber eine besondere Funktion hat, wird das schwieriger. Die Multilayer-Folie einer Fleischverpackung zum Beispiel bildet eine Oxydationssperrschicht, die die Haltbarkeit des Produktes gewährleistet. Man kann also nicht einfach sagen, wir nehmen nur drei Kunststoffsorten und daraus macht man alles.

Reifenhäuser: Wenn wir über Kreislaufwirtschaft reden, dann müssen wir Produkte haben, die rezyklierbar sind. Dann müssen wir eben weg von diesen Multilayers, die Käse neun Monate haltbar machen und akzeptieren, dass sie nur fünf Wochen haltbar sind. Das wäre ein vernünftiges Design. Wir müssen die Produkte in Richtung Kreislaufwirtschaft re-designen. ad

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