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Märkte 15. Mai 2020

Rechtsgutachten zu abfallrechtlichen Produktverboten

Das Rechtsgutachten eines Abfallrechts-Experten zu Produktverboten zeigt verfassungs- und europarechtliche Leitplanken für den Gesetzgeber auf.
Besteck, Geschirr, Strohhalme, Wattestäbchen und Essstäbchen aus Kunststoff sowie Styropor-Essensverpackungen sollen ab 2021 in der EU verboten sein oder erheblich reduziert werden.
Besteck, Geschirr, Strohhalme, Wattestäbchen und Essstäbchen aus Kunststoff sowie Styropor-Essensverpackungen sollen ab 2021 in der EU verboten sein oder erheblich reduziert werden.

Das Rechtsgutachten eines Abfallrechts-Experten zu Produktverboten zeigt verfassungs- und europarechtliche Leitplanken für den Gesetzgeber auf.

Im Auftrag der fünf Industrieverbände Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V. (GKV), IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e. V., Industrieverband Papier- und Folienverpackung e.V. (IPV), PlasticsEurope Deutschland e. V. und Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen, hat sich der Berliner Abfallrechts-Experte Stefan Kopp-Assenmacher kritisch mit Produktverboten als Instrument des Abfallrechts auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gekommen, dass Produktverbote das „schärfste Schwert“ des Gesetzgebers seien und eine absolute Ausnahme bleiben müssten.

Seit Beginn der 2000er-Jahre werden auf globaler Ebene vermehrt Verbote von Produkten diskutiert, denen eine besondere Rolle im Abfallaufkommen zukommt. Zunächst führten Schwellen- und Entwicklungsländer, die über kein umfassendes und geordnetes Abfallwirtschaftssystem verfügen, entsprechende Vorschriften ein. Auch in der aktuellen Novelle des deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) ist diesbezüglich eine Neuregelung in Planung: Danach soll die Bundesregierung ermächtigt werden, bestimmte Produkte zu verbieten, wenn „ihre Verwendung in erheblichem Umfang zur Vermüllung der Umwelt beiträgt und dies nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verhindert werden kann“ (§ 24 Nr. 4 b) KrWG-E). Diese weitreichende Ermächtigung und zukünftige Verordnungen auf ihrer Grundlage werfen verfassungsrechtliche Fragen auf, wie das aktuelle Rechtsgutachten zeigt.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

Der Gesetzgeber muss darauf achten, dass er Wesentliches selbst regelt und nicht an die Exekutive delegiert. Deshalb gelten für die Bestimmtheit von Inhalt, Zweck und Ausmaß der geplanten Ermächtigung strenge Anforderungen. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffs „Vermüllung“ das Ausmaß der Delegation unklar bleibt und die Ermächtigung bereits verfassungsrechtlich bedenklich ist.

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Die Wirtschaft nimmt ihre Produktverantwortung sehr ernst und engagiert sich auf vielfältige Weise bei der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Verordnungen auf Grundlage der vorgeschlagenen Ermächtigung für abfallrechtliche Produktverbote auf nationaler Ebene in den meisten Fällen nicht den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen werden.

Verfassungsrechtliche Leitplanken für Produktverbote

Im Hinblick auf Verordnungen, welche auf Grundlage der Ermächtigung zukünftig erlassen werden könnten, zeigt das Gutachten die verfassungsrechtlichen „Leitplanken“ insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auf. Durch Produktverbote werden regelmäßig die Grundrechte der Berufsfreiheit und der Eigentumsfreiheit sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen.

Im Rahmen der Prüfung, ob ein spezifisches Produktverbot auf der Grundlage von § 24 Nr. 4 b) KrWG-E „verhältnismäßig“ ist, sei bereits problematisch, dass eine Vielzahl an Produkten grundsätzlich als „vermüllungsneigend“ zu bewerten seien. Greife sich der Verordnungsgeber aus dieser Menge ein einzelnes Produkt heraus, müsse er begründen und bewerten, wieso er gerade dieses spezifische Produkt verbietet. Zukünftige Verbote müssten daher in ein kohärentes und abgewogenes Politikkonzept eingebunden sein und dürften nicht für rein politische Zwecke zum Beispiel mit Blick auf die Öffentlichkeitswirksamkeit eingesetzt werden.

Produktverbote seien zudem stets nur als letztes Mittel (ultima ratio) in Betracht zu ziehen, weil sie den „schärfsten Eingriff“ in die Handlungsfreiheit darstellen. Es seien daher strenge Anforderungen an die Suche wirksamer Maßnahmen zu stellen, jedoch ohne Verbote auszusprechen. Infrage kommen etwa freiwillige Maßnahmen, Informationspflichten sowie verstärkte Kontrollen und schließlich höhere Bußgelder für das achtlose Wegwerfen.

Nationale Alleingänge nur in Einzelfällen gerichtfertigt

Vor diesem Hintergrund zeigt das Gutachten, dass Produktverbote als „nationale Alleingänge“ nur in wenigen, gut zu begründenden Einzelfällen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein werden. Sie sollten daher eine absolute Ausnahme bleiben.

Aus Sicht der Auftraggeber liefert das Rechtsgutachten wichtige Hinweise für die rechtliche Stellung betroffener Unternehmen sowie eine Reihe rechtspolitischer Empfehlungen für den Gesetz- und den Verordnungsgeber. Die Verbände empfehlen im Rahmen der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes die aufgezeigten Leitplanken zu berücksichtigen, jedoch ohne die Schärfe von Verboten. Produktverbote, die über die Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften hinausgehen, sollten unter Parlamentsvorbehalt gestellt werden.

gk

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