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Automotive

PUR-Sandwich im 3D-Format mit Haifischhaut

Unter der Bezeichnung "Street Shark 4.0" entstand ein innovativer Heckflügel für für eine Corvette. Der Flügel wird in einer neuartigen dreidimensionalen Sandwichbauweise aus PUR hergestellt, was ihn nicht nur besonders leicht macht, sondern seiner Unterseite auch die Oberfläche einer Haifischhaut verpasst.
Corvette mit Heckflügel. Der Flügel besteht aus hartem PUR-Schaum als Kern und carbonfaserverstärktem PUR als Außenhaut. Die Unterseite hat die filigrane Struktur einer Haifischhaut, die direkt auf die Oberflächen aufgebracht werden konnte.
Corvette mit Heckflügel. Der Flügel besteht aus hartem PUR-Schaum als Kern und carbonfaserverstärktem PUR als Außenhaut. Die Unterseite hat die filigrane Struktur einer Haifischhaut, die direkt auf die Oberflächen aufgebracht werden konnte.

Unter der Bezeichnung "Street Shark 4.0" entstand ein innovativer Heckflügel für für eine Corvette. Der Flügel wird in einer neuartigen dreidimensionalen Sandwichbauweise aus PUR hergestellt, was ihn nicht nur besonders leicht macht, sondern seiner Unterseite auch die Oberfläche einer Haifischhaut verpasst.

Der Ansatz, Strukturbauteile in Sandwich-Bauweise aus einem leichten Kern und Decklagen aus faserverstärktem Composite-Material darzustellen, ist nicht neu. Dennoch führten die vergleichsweise höheren Kosten in der Vergangenheit oft dazu, dass die Entscheidung zugunsten schwererer aber kostengünstigerer Aluminium-Lösungen ausfiel.

Dieser Herausforderung hat sich Frimo gestellt und in Kooperation mit mehreren Partnern einen neuen Ansatz entwickelt, der eine clevere und wirtschaftliche Leichtbaulösung aus Polyurethan (PUR) auch in Verbindung mit bionischen Oberflächen ermöglicht. Das Kooperationsprojekt heißt Street Shark, bei dessen jüngster Version, der Street Shark 4.0, ein Heckflügel in einer neuartigen dreidimensionalen PUR-Sandwichbauweise hergestellt und in ausgewählten Bereichen mit einer bionischen Oberflächenstruktur nach dem Vorbild des Mako-Hais versehen wurde.

Gewichtsoptimiertes Multisandwich im 3D Format

Der Corvette-Heckflügel hat im Unterschied zu bisherigen eher flächigen Teilen eine vergleichsweise komplexe dreidimensionale Geometrie. Beim dem Flügel kommt eine gewichtsoptimierte Sandwichbauweise zum Einsatz. Im Mittelpunkt dabei steht hier der Herstellungsprozess für einen dreidimensionalen Schaumkern im Serienmaßstab.

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Bislang wurde für die unterschiedlichen Sandwichaufbauten mit verschiedenen Core-Materialien, zum Beispiel mit PET, PP oder PUR-Schäumen, in Form von Platten oder Tafeln gearbeitet. Derart erzeugte flache Sandwichplatten waren zu Beginn der Entwicklung notwendig und hilfreich, um Ergebnisse an realen Bauteilen zu dokumentieren und auch potenzielle Kunden für das Sandwichprinzip und das Fertigungsverfahren zu interessieren und von den Vorteilen zu überzeugen.

3D-Kern aus hartem PUR-Schaum

Im Zuge der Weiterentwicklung durch Frimo können mittels Formschäumen nun auch komplexere dreidimensionale Sandwichstrukturen aus PUR erzeugt werden. Dazu wurde ein Versuchswerkzeug aufgelegt, in dem zunächst der dreidimensionale Kern aus hartem PUR-Schaum erstellt wird. Bereits bei der Herstellung dieses leichten Kerns können weitere Funktionen integriert werden, wie zum Beispiel die Berücksichtigung von Befestigungspunkten oder elektronischen Elementen.

Außenhaut aus faserverstärktem PUR

Ist der dreidimensionale Kern erstellt, werden in einem Hochdruck-RTM Verfahren aus einer Faserstruktur und einem speziellen PUR-Matrixsystem die Außenhäute erzeugt. In ein RTM-Werkzeug wird dazu als erstes die untere Decklage des Vorformlings aus Verstärkungsfasern (Carbon, Glas, Natur) eingelegt. Anschließend wird der formgeschäumte Kern und zum Schluss die obere Faserdecklage eingelegt. danach wird das RTM Werkzeug geschlossen und ein spezielles niedrigviskoses PUR-Matrixsystem eingebracht.

Die niedrige Viskosität des PUR-Systems erlaubt einen raschen Eintrag in das Werkzeug und durch die Snap Cure (= "Sprungreaktion") sind der Beginn und die Dauer des Aushärtevorgangs zeitlich relativ präzise einstellbar. Der Prozess weist mit einer maximalen Reaktionstemperatur von deutlich unter 100 °C eine relativ geringe Exothermie auf. Dennoch ist das Material mit einer Glasübergangstemperatur (TG) von über 200 °C durchaus für die Oberflächenbeschichtung in KTL-Anlagen geeignet.

Das Konzept ist für bestimmte Anwendungen im Großserieneinsatz wesentlich wirtschaftlicher und gleichzeitig robuster als klassische Matrixmaterialien. Durch die niedrigen Werkzeugtemperaturen unter 100 °C und die geringen Werkzeug-Innendrücke ist das System bei vergleichsweise geringem Invest geradezu prädestiniert, auch für die Decklagen bei Sandwich-Bauteilen eingesetzt zu werden, denn dadurch wird der Schaumkern nicht geschädigt. Da nur niedrige Schließkräfte des Werkzeuges nötig sind, kann mit keramischen Werkzeugen gearbeitet werden.

Anders als bei den meisten marktüblichen Verfahren können auf diese Weise auch komplexere und großvolumige dreidimensionale Strukturbauteile direkt in der gewünschten Geometrie gefertigt werden.

Funktionsoberflächen mit Sandwich-Leichtbau kombiniert

Bionische Oberfläche aus PUR nach dem Vorbild eines Mako-Hais
Bionische Oberfläche aus PUR nach dem Vorbild eines Mako-Hais

Im Rahmen des Street Shark Projektes gelang es Frimo mithilfe seiner Kooperationspartner, eine bionische Fahrzeugoberfläche herzustellen, die den Strömungswiderstand verringert. Wie der Name verrät, diente die Haut eines Hais als Vorbild, um die Aerodynamik zu verbessern – ein Bereich, in dem insbesondere Autobauer stetig nach Verbesserungen suchen. Die zahnförmigen Plättchen auf der Haihaut verringern den Strömungswiderstand. Das konnte auch im Projekt anhand von Windkanaltests nachgewiesen werden.

Während die ersten Haifischhaut-Strukturen mittels spezieller Folien auf Trägerteile aufgebracht wurden, ist es nun möglich, mit neuartigen Polyurethan-Matrixmaterialien und dem Einsatz darauf abgestimmter Werkzeug- und Anlagentechnologien filigrane Strukturen direkt auf die Oberflächen von Leichtbaukomponenten aufzubringen. Dabei wurde von Version zu Version die Oberflächenstruktur durch Skalierung optimiert und in Windkanalversuchen geprüft und bestätigt. Seit der Erstpräsentation wurden zahlreiche neue Versuche und Weiterentwicklungen mit Interessenten aus den unterschiedlichsten Industriezweigen getätigt, zum Beispiel aus den Bereichen Windenergie und Sport- und Freizeitindustrie, die sich derzeit im Prototypen und Vorserienstadium befinden.

mg

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