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Produktentwicklung als Schlüssel zum 3D-Druck in Serie

Matthias Weißkopf erklärt im Interview mit der K-ZEITUNG, warum eine andere Art der Produktentwicklung für erfolgreichen 3D-Druck in Serie so wichtig ist.
Matthias Weißkopf, Prokurist von Oechsler und verantwortlich für alle europäischen 3D Entwicklungen des Unternehmens: "Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Produktentwicklung, also in der Entwicklung von Produkten, welche die Additive Fertigung benötigen."

Matthias Weißkopf erklärt im Interview mit der K-ZEITUNG, warum eine andere Art der Produktentwicklung für erfolgreichen 3D-Druck in Serie so wichtig ist.

Oechsler gilt als erste Adresse, wenn es um den 3D-Druck in Serie geht. Das Spektrum von additiv gefertigten Serienteilen reicht von Schuhsohlen über Fahrradsättel bis hin zu großen Sitzstrukturen für Sportwagen. Zu den Details der Fertigung hält sich Oechsler zwar bedeckt. Bekannt ist aber, dass heute in Werken in Deutschland und China mit mehreren hundert 3D-Druckern jährlich eine siebenstellige Zahl von Bauteilen produziert wird – Tendenz: stark steigend.

Warum dazu ein völlig neuer Ansatz in der Produktentwicklung nötig ist, erklärt Matthias Weißkopf, Prokurist von Oechsler und verantwortlich für die Entwicklung im Exklusiv-Interview mit der K-ZEITUNG.

Herr Weißkopf, unter Ihrer Regie hat sich die Additive Fertigung bei Oechsler rasant und sehr erfolgreich entwickelt. Was waren dabei die wesentlichen Erfolgsfaktoren?
Matthias Weißkopf: Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Produktentwicklung, also in der Entwicklung von Produkten, welche die Additive Fertigung benötigen. Zuerst ein Kunststoffteil zu entwickeln und sich dann zu überlegen, wie man es herstellen will, ist nach meiner Überzeugung der falsche Weg. Denn dann scheidet die Additive Fertigung in aller Regel aus. Heute lassen sich auch mit Spritzguss sehr effizient kleinere Serien herstellen, so dass es wenig Sinn macht, solche Teile mit 3D-Druck zu produzieren.

Wir haben uns deshalb bei Oechsler entschlossen, eine eigene 3D-Druck-Produktentwicklung aufzubauen. Deshalb verfügen wir heute über Spezialisten, die sich hervorragend im 3D-Druck auskennen – zum Beispiel bei den Gitter- oder Latice-Strukturen, die gerade in aller Munde sind. Diese Strukturen, die man auch als bionisch bezeichnen kann, lassen sich nur mit Additiver Fertigung herstellen. Dabei entstehen wiederum Produkte, die sich konventionell nicht mehr herstellen lassen.

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3D-gedruckte Gitterstrukturen für Autositze bereits im Serienfahrzeug

Können Sie uns dazu ein Beispiel nennen?
Weißkopf: Ein sehr gutes Beispiel ist die auf Gitterstrukturen basierende Innenstruktur für Autositze, die Oechsler komplett entwickelt hat und die inzwischen von einem führenden Autohersteller in Serie eingesetzt wird. Hier hat Oechsler absolutes Neuland beschritten und musste dafür sogar in die Softwareentwicklung einsteigen. Denn auf dem Markt gab es keine Software, die unsere Anforderungen erfüllen konnte. Extrem wichtig sind jedoch insbesondere die Menschen, die in der Entwicklung arbeiten.

In welcher Beziehung?
Weißkopf: Für die Additive Fertigung braucht es die richtigen Personen in der Produktentwicklung. Wir sind am Anfang mit einer gemeinsamen Entwicklung gestartet, haben dann aber schon sehr bald bemerkt, dass dies keinen Sinn macht. Es funktioniert nicht, wenn man einen klassischen Produktentwickler dahin bringen will, dass er neben den konventionellen Verfahren auch die Möglichkeiten der Additiven Fertigung im Hinterkopf hat und mit in die Entwicklung einfließen lässt.

Additive Fertigung als „separate Welt“ sehen

Wir haben deshalb entschieden, die Additive Fertigung als „separate Welt“ zu sehen und haben das dafür notwendige Team komplett neu aufgebaut. Denn eine Additive Fertigung in bestehende Strukturen zu integrieren, ist aus meiner Sicht unmöglich.

Dies spiegelt sich auch im Spektrum der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wider. Das Team unserer Additiven Fertigung ist sehr jung und sehr digital, es denkt und handelt ganz anders. Dieses hervorragend funktionierende Team ist jetzt ein Magnet für weitere Mitarbeiter, die genauso ticken und auf der Suche nach einem Job sind, der ihnen Spaß macht.

Was unterscheidet denn die Entwickler der Additiven Fertigung von denen der konventionellen Fertigung?
Weißkopf: Jeder Entwickler aus der Additiven Fertigung kennt die additiven Prozesse bis ins letzte Detail. Sie haben zuvor an den Geräten gearbeitet und wissen sehr genau, was möglich ist und was nicht. Sie kennen die Programme und wissen, wie man ein Bauteil am besten auslegt – unabhängig von den Grenzen konventioneller Herstellverfahren. Und sie wissen, wie man es im Bauraum positionieren muss, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Solche Mitarbeiter sind heute schwer zu bekommen, denn es gab in den letzten Jahren keine Ausbildung und kein Studium dafür. Das fängt jetzt erst richtig an.

Können Sie uns denn ein Beispiel aus der Praxis nennen, das die Vorteile dieser Art der Produktentwicklung verdeutlicht?
Weißkopf: Hier gibt es ein sehr schönes Beispiel aus dem Bereich der Aktuatorik – ein Anwendungsbereich, bei dem Oechsler übrigens weltweit führend ist. Vor kurzem haben wir einen besonderen Aktuator entwickelt, der mit neuen Konzepten den Ansatz der bisherigen Aktuatorik weiterführen soll. Für mich das komplexeste Produkt, das wir jemals entwickelt haben.

Während der Entwicklung haben wir die Nachricht erhalten, dass der OEM den Zeitplan für die Produkterprobung um 14 Wochen verkürzt hat.

Für 3D-Druck in Serie müssen die Kunden neue Wege gehen

Wir haben das zum Ansporn genommen, komplett anders an die Aufgabe heranzugehen. Unsere Botschaft war: Wir schaffen das, wenn auch beim Kunden die Bereitschaft besteht, neue Wege zu gehen. In einem interdisziplinären Team der Aktuatorik- und Additive Manufacturing-Entwicklung konnten große Synergien durch das jeweilige Expertenwissen geschaffen werden. Im Normalfall hätte der Kunde wohl kaum zugestimmt, aber angesichts des Zeitdrucks kam das „Go“. Wir haben fünf relevante Bauteile des Aktuators 3D-gedruckt, die anschließend in das Erprobungsfahrzeug eingebaut wurden.

Mit Hilfe unserer Additiven Fertigung ist es uns gelungen, die Bauteile in weniger als sieben Tagen in ein Genauigkeitssegment zu heben, bei dem selbst unsere erfahrenen Kollegen aus Werkzeugbau, Werkzeugbeschaffung und Prototypenbau beeindruckt waren.

Das Interview führte Günter Kögel

Kurz nach dem Interview hat Oechlser bekannt gegeben, dass die pulverbasierte Additive Fertigung enorm ausgebaut wird. Mehr dazu in diesem Beitrag der K-ZEITUNG.

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