Zahnbürsten werden bislang nicht recycelt, eine von Zahoransky und Evonik neu entwickelte Monomaterial-Zahnbürste aus Polyamid 12 dies ändern. Sie ist zu 100 Prozent recycelbar.
Zahnärzte empfehlen, Zahnbürsten spätestens alle drei Monate zu wechseln, bei Abnutzungserscheinungen oder einer Erkältung auch früher. Daran hält sich der Durchschnittsdeutsche nicht, er tauscht nur alle sechs Monate die alte gegen eine neue Bürste. Bei zwei Zahnbürsten pro Jahr und rund 83 Mio. Einwohnern in Deutschland landen so rechnerisch 146 Mio. jährlich im Müll. Weltweit sind es Milliarden und wertvolle Ressourcen gehen unwiederbringlich verloren.
Herkömmliche Handzahnbürsten haben einen durchgehenden Griff aus zwei, häufig sogar drei verschiedenen Materialien (2K- oder 3K-Spritzguss). Die Borsten wiederum sind aus einem weiteren, besonders widerstandsfähigen Kunststoff. Sie können auf zwei Arten verarbeitet werden: mit oder ohne Verankerung. Im letzteren Fall werden sie U-förmig in den Kopf eingeführt und mit einem kleinen Metallstück fixiert.
Zahnbürsten bestehen also in jedem Fall aus mehreren Komponenten, die mit Anlagen wie dem Cube des Maschinenbauers Zahoransky hochautomatisiert und in beliebigen Designs und Ausstattungsvarianten hergestellt werden. In Sachen Recycling teilen sie alle das gleiche Schicksal: Die einzelnen Materialkomponenten lassen sich nicht mehr voneinander trennen und landen als Wegwerfprodukt komplett im Restmüll. Eine Alternative sind Zahnbürsten, bei denen je nach Modell nur der Kopf oder sogar nur die Borsten ausgetauscht werden können. Doch verlängert dies nur die Gebrauchsdauer des Griffs, irgendwann fallen auch hier nicht recyclebare Kunststoffabfälle an.
Komplett recycelbar: Zahnbürste aus Monomaterial
Gemeinsam mit Evonik hat Zahoransky zur K-Messe 2022 ein Innovationsprojekt zur Herstellung einer biobasierten Zahnbürste aus nur einem einzigen Material gestartet. Das Material dafür: ein biobasiertes Polyamid 12, das Evonik unter dem Namen Vestamid Eco vermarktet.
Als Zahoranskys Materialvorräte für die Testproduktion von Zahnbürsten zur Neige gingen, kam der Kontakt zu Johannes-Florian Krampe, Manager Filaments & New Business Development im Bereich High Performance Polymers bei Evonik zustande. Krampe machte Zahoransky auf die Möglichkeiten von langkettigen Polyamiden aufmerksam, zu denen auch Polyamid 12 (PA12) zählt. Dieses Material wird als Hochleistungskunststoff bereits für hochwertige Zahnbürstenborsten eingesetzt, kann aber auch für allen anderen Teile einer Zahnbürste verwendet werden. Krampe: „Da diese dann nur aus einem Material bestehen, wären diese Modelle vollständig recycelbar. Das sollte unser gesellschaftliches Ziel sein: Recycelbare Produkte, aus denen sich eine Kreislaufwirtschaft aufbauen lässt.“
So reifte bei Zahoransky und Evonik die Idee, einen Prototypen auf Basis von biobasiertem PA12 zu entwickeln und auf der K 2022 zu präsentieren.
Die erste Herausforderung war das enge Zeitfenster. Denn von der ersten Idee im Juni 2022 bis zum Start der K-Messe im Oktober blieben nur fünf Monate. Zudem musste das passende PA12-Granulat von Evonik erst produziert werden. Zur praktischen Umsetzung erzählt Ingo Kumpf, Leiter F&E bei Zahoransky: „Die komplette Zahnbürste, also sowohl die Filamente als auch das Griffmaterial, sollte aus rein biobasiertem PA12 bestehen. Bisher hatten wir dieses Material jedoch weder in einem Spritzgießwerkzeug zur Herstellung des Griffs noch in einer Stopfmaschine, die die Filamente vereinzelt und dem Griff zuführt, verarbeitet. Unsere Erfahrungen aus vielen Projekten in der Vergangenheit haben gezeigt, dass bei der Verarbeitung eines neuen Materials oft Überraschungen auftreten können. Auch die Spritzgießverarbeitung muss sich erst auf neue Materialien einstellen.“
Da das eingefärbte Granulat von Evonik sehr kurzfristig geliefert werden konnte und beim Filamentlieferanten PMM aus Mexiko auch ein Produktionsfenster zur Verfügung stand, konnten die Filamente rechtzeitig vor der K 2022 dem Griff zugeführt werden. In beiden Fällen erwiesen sich die Materialien als gut verarbeitbar, und pünktlich zum Start der K-Messe waren die Prototypen tatsächlich fertig.
Biobasiertes Polyamid 12 gut zu verarbeiten
Seitens Zahoransky sind noch weitere Entwicklungsschritte geplant, um eine rein biobasierte Zahnbürste mit hoher Funktionalität in großer Serie herstellen zu können. Diese kann dann nach Gebrauch als Monomaterialzahnbürste der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden.
Der biobasierte Werkstoff PA12 eignet sich laut Ingo Kumpf gut für die Herstellung von Griffen und Filamenten, wobei die Verarbeitungseigenschaften mit den gängigen fossil basierten Werkstoffen wie PA6.12 oder PBT vergleichbar sind. Mit dem Wissen um die Funktion und Verarbeitung dieses Werkstoffs kann Zahoransky seine Kunden noch besser in Bezug auf nachhaltige Produkte beraten und ihnen entsprechende ganzheitliche Lösungen anbieten.
Johannes-Florian Krampe freut sich über das gelungene Projekt: „Da diese Zahnbürste nur aus einem Material besteht, wäre sie vollständig recycelbar. Das sollte unser gesellschaftliches Ziel sein: wiederverwertbare Produkte, aus denen sich eine Kreislaufwirtschaft aufbauen lässt.“ mg