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Plastics Europe: Klares Nein zum Gasembargo

Der scheidende Vorstandsvorsitzende von Plastics Europe Deutschland, Dr. Michael Zobel, fordert ein klares „Nein“ zu einem Gasembargo gegen Russland.
Dr. Michael Zobel, scheidender Vorstandsvorsitzende von Plastics Europe Deutschland: „Ein Gasembargo hätte unabsehbare Auswirkungen für Chemieindustrie und damit für 90 % aller Wertschöpfungsketten.“

Der scheidende Vorstandsvorsitzende von Plastics Europe Deutschland, Dr. Michael Zobel, fordert ein klares „Nein“ zu einem Gasembargo gegen Russland.

Ein klares „Nein“ zu einem Gasembargo gegen Russland sprach der scheidende Vorstandsvorsitzende von Plastics Europe Deutschland, Dr. Michael Zobel, vor Medienvertretern in Hamburg aus. „Gut 44 % des gesamten Energieverbrauchs der Kunststofferzeuger entfallen auf Erdgas, vor allem als Energieträger für Großanlagen. Bei einem Gasembargo würden Teile der Produktion zum Stillstand kommen, da unsere Unternehmen diese Großanlagen abschalten müssten – und diese können nicht einfach mal aus- und wieder eingeschaltet werden. Daher ist unsere Haltung ein klares Nein zu einem Gasembargo“, so Dr. Zobel.

Unabsehbare Auswirkungen eines Gasembargos

Zobel warnte auch vor den Auswirkungen auch auf die gesamte nachgelagerte Industrie: „In 90 % aller Wirtschöpfungsketten der deutschen Wirtschaft stecken Vorprodukte der Chemie- und Kunststoffbranche. Bei einem Abschalten der Großanlagen sind die Auswirkungen unabsehbar.“

Auch ohne eines möglichen Gasembargos stehen die Kunststofferzeuger bereits vor großen Herausforderungen. „Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Lieferketten schätzen wir als schwerwiegend ein. Insbesondere, da die Lieferketten schon vor dem Krieg stark angespannt waren, erklärte Dr. Zobel. „Sorge bereitet auch eine Schwächung unserer eigenen Kundschaft. Etwa fehlen Kabelbäume oder auch Neongas und Palladium aus Russland und der Ukraine, die zur Herstellung von Halbleiterchips verwendet werden. Davon sind besonders unsere Kunden in der Automobilindustrie betroffen.“

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Kunststofferzeuger mit stabilem Wachstum in 2021

Dabei hatten sich die Kunststofferzeuger in Deutschland im Jahr 2021 trotz Coronapandemie und der damit verbundenen stark steigenden Rohstoff- und Energiepreise noch wacker geschlagen, ja sogar ein erfolgreiches Jahr hingelegt: So stieg die Kunststoffproduktion in Deutschland 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 17,2 % auf 21,3 Mio. t. Der Gesamtumsatz (im In- und Ausland) der Kunststofferzeuger stieg um 33,8 % auf 31 Mrd. EUR und resultierte zu gleichen Teilen aus dem Mengenwachstum und gestiegenen Preisen.

Die Resilienz der Branche ging laut Dr. Zobel sowohl auf die Möglichkeit zurück, Preissteigerungen aufgrund der hohen Nachfrage teilweise weitergeben zu können, als auch auf die Flexibilität der Unternehmen – etwa über Umstellungen ihrer Kunden auf Kunststoffe, die eine höhere Liefersicherheit hatten.

Plastics Europe sieht Erholungsprozess gefährdet

Dieser Erholungsprozess in 2021 nach dem Conrona-Einbruch in 2020 könnte jetzt durch den Ukrainekrieg spürbar gestört werden. Dr. Zobel machte deutlich, dass die wirtschaftliche Volatilität der Pandemiezeit nicht mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges in 2022 vergleichbar sei. So gefährde der russische Angriffskrieg in Osteuropa die Rohstoffsicherheit nachhaltig, verteure die Energie maßgeblich und störe oder unterbreche Transportwege sogar komplett.

Insgesamt drohe aufgrund deutlich höherer Produktionskosten in Kombination mit einer eingetrübten Weltkonjunktur ein Einbruch bei Kaufkraft und Nachfrage. „Inwiefern Kunststofferzeuger in diesem Umfeld Preissteigerungen weitergeben können wie noch in 2021 ist fraglich“, erklärte Dr. Zobel.

Akute Handlungsfähigkeit und grüne Transformation

Im Anschluss an Dr. Zobel warf Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, einen Blick auf die anstehenden, entscheidenden Weichenstellungen für die Kunststoffbranche. Es sei eine politische Neupriorisierung erforderlich, welche die aktuelle Situation ganzheitlich denke: „Wir müssen in die Sicherung unserer akuten Handlungsfähigkeit investieren, aber ebenso die grüne Transformation unserer Branche mit höchster Dringlichkeit umsetzen.“

Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer Plastics Europe Deutschland: „Es ist eine Neupriorisierung erforderlich, welche die aktuelle Situation ganzheitlich denkt.“

So sei es Priorität, unmittelbar sicherzustellen, dass die benötigte Energie verfügbar und bezahlbar sei. Ansonsten gerate der Standort Europa in einen strukturellen Nachteil mit schwerwiegenden Folgen. Gleichzeitig sollte laut Bühler mehr für die Kreislaufwirtschaft, nachwachsende Rohstoffe und Erneuerbaren Energien getan werden.

Um diese Herausforderungen zu meistern fordert Bühler mehr Unterstützung seitens der Politik: „Erstens geht es um die Vermeidung zusätzlicher von der Politik beeinflussten Kosten wie Abgaben und Steuern. Die Abschaffung der EEG-Umlage ist ein wichtiger Schritt.  Zweitens brauchen wir maximales Tempo bei Genehmigungen und drittens geht es darum, mehr Unterstützung beim Aufbau der klimaneutralen Kreislaufwirtschaft zu erhalten. Chemische Recyclingverfahren etwa sollten gleichwertig in die Abfallhierarchie aufgenommen werden.“

Trotz aller Herausforderungen, mit der die Branche in dieser Form nocht nicht konfrontiert war, blicken die Vertreter von Plastics Europe Deutschland mit Vorfreude und Zuversicht auf die Weltleitmesse K in Düsseldorf im Oktober. Auf der Sonderschau Plastics shape the future werden hochkarätige Experten zu den Messeleitthemen Kreislaufwirtschaft, Klimawandel und Digitalisierung diskutieren.

mg

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