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Mobiler Desinfektionsroboter hält Coronavirus in Schach

Das Fraunhofer IPA präsentiert den ersten Prototypen eines mobilen Reinigungs- und Desinfektionsroboters. Er fährt kontaminierte Objekte selbständig an.
Mithilfe seines flexiblen Reinigungswerkzeug kann Dekonbot eine Wischdesinfektion unterschiedlicher Objekte, beispielsweise auch Aufzugknöpfe, durchführen. Foto: Fraunhofer IPA/

Das Fraunhofer IPA präsentiert den ersten Prototypen eines mobilen Reinigungs- und Desinfektionsroboters. Er fährt kontaminierte Objekte selbständig an.

Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, hat das Stuttgarter Forschungsinstitut in kurzer Zeit den Prototyp eines mobilen Reinigungs- und Desinfektionsroboters entwickelt. Er fährt selbstständig zu potenziell kontaminierten Objekten wie Türgriffen, desinfiziert sie gründlich und ist dabei ressourcenschonend sowie zeiteffizient.

Dekonbot heißt der neue Prototyp des mobilen Desinfektionsroboters des Fraunhofer IPA. Die am Stuttgarter Forschungsinstitut in kurzer Zeit entwickelte Automati­sierungslösung arbeitet dabei komplett selbstständig. Der Roboter reinigt und desinfiziert potenziell kontaminierter Bereiche wie Türgriffe, Lichtschalter oder Aufzugknöpfe. Der große Vorteil: Dekonbot kann rund um die Uhr arbeiten.

Robotergestützt und mobil desinfizieren

Dekonbot in Aktion: Der mobile Reinigungs- und Desinfektionsroboter fährt selbstständig zu Objekten wie Türgriffen und desinfiziert diese.
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Der Roboter unterscheidet sich gegenüber vergleichbaren Lösungen am Markt in mehrerlei Hinsicht. Zum einen reinigt er relevante Oberflächen gezielt und direkt und versprüht die einzusetzenden Mittel nicht wie verschiedene andere Roboter großflächig im Raum. Das spart Desinfektionsmittel und Zeit. Und weil die zu reinigende Fläche auf das Wesentliche begrenzt wird, verhindert das auch Gefahren wie ein Ausrutschen auf feuchten Flächen oder das Einatmen potenziell schädlicher Mittel.

Desinfektionsroboter, die beispielsweise UV-Strahlen für das Abtöten von Viren nutzen, müssen aus Sicherheitsgründen einer menschenleeren Umgebung arbeiten. Hier ist das nicht der Fall. Damit der Dekonbot erfolgreich arbeiten kann, wird er anfangs mithilfe eines Tablets in seiner neuen Einsatzumgebung eingelernt. Alles intuitiv und ohne große Vorkenntnisse.

Im ersten Schritt fährt das Bedienpersonal den Roboter einmal durch die Umge­bung, wobei dieser eigenständig eine Karte seiner Einsatzumgebung erstellt. Zudem „zeigt“ der Anwender dem Roboter die zu reinigenden Objekte und die durchzufüh­rende Reinigungsbewegung. Hierzu wird der Roboterarm mit dem Desinfektionswerkzeug beispielsweise zum Türgriff geführt und dann das Werkzeug so bewegt, wie es für die Reinigung erforderlich ist. Der Roboter speichert die Bahn dann ab und kann sie im Folgenden selbstständig wiederholen.

Der Roboter erkennt die zu reinigenden Objekte aktuell noch mithilfe sogenannter Tags. In diesem Fall kleine schwarzweiße Schilder. Relativ zu diesen positioniert sich der Roboter. Künftig werden jedoch keine Tags mehr gebraucht. Vielmehr werden neu am Fraunhofer IPA entwickelte Methoden zum Einsatz kommen, die zum einen die automatische Erken­nung dieser Objekte in Kameradaten ermöglichen. Zum anderen wurde im Projekt ein neuer 3D-Sensor entwickelt, der die zu reinigenden Objekte und ihre Lage im Raum besser als verfügbare Sensoren erkennt – beispielsweise auch, wenn es sich um eine metallene, spiegelnde Oberfläche handelt. Basierend auf diesen Erkennungsfunktionen kann der Roboter in der finalen Ausbaustufe die Reinigungsbewegungen automatisch planen und ausführen.

"Anti-Corona" gefördert

Verfahren des maschinellen Lernens ermöglichen es, die zu reinigenden Objekte im Raum zu detektieren, hier am Beispiel von Türgriffen in einem Flur.

Der Prototyp ist das Ergebnis einer gemeinschaftlichen IPA-Entwicklung der Abteilungen Roboter- und Assistenzsysteme, Laborautomatisierung und Bioproduktionstechnik sowie Reinst- und Mikroproduktion. Gefördert wurde das Projekt mitunter aus dem inter­nen Programm der Fraunhofer-Gesellschaft „Anti-Corona“. Bereits im April dieses Jahres fand eine erste Machbarkeitsuntersuchung des Projektes statt. Hier wurde noch ein einfaches Sprühwerkzeug zur Desinfektion eingesetzt.

„Nur vier Monate später konnten wir den Roboter mit seinem neuen Werkzeug für die Wischdesinfektion in Betrieb nehmen – und das trotz der Einschränkungen, die die Corona-Pandemie auch für uns Fraunhofer-Mitarbeitende mit sich brachte“, erklärt Dr. Birgit Graf, Gruppenleiterin für Haushalts- und Assistenzrobotik und verantwortlich für die Entwicklung von Dekonbot.

Bei den Arbeiten am Prototypen profitierte man auch von den umfangreichen Vorarbeiten des Instituts in der mobilen Service- und Reinigungsrobotik. So wird beispielsweise die mobile Platt­form des Assistenzroboters Care-O-Bot® 4 genutzt, die bereits von einer Ausgründung des Instituts als Serienprodukt vertrieben wird. Vorhandene Softwaremodule für die Navigation, 3D-Objekterkennung und Manipulation konnten anwendungsspezifisch weiterentwickelt werden. Aktuell werden erste Dauertests des Roboters in den Büro-räumen des Fraunhofer IPA durchgeführt. Nachfolgend sollen Mitarbeiter eines Reinigungsunternehmens den Roboter in einem externen Gebäude erproben.

Über eine intuitiv zu bedienende graphische Benutzeroberfläche wird die Einsatzumgebung eingelernt.

Bis zum Projektende im Februar 2021 wird der Roboter basierend auf diesen Tests weiter optimiert. Messungen der Keimbelastung in den desinfizierten Bereichen dienen dabei dazu, den Mehrwert des Roboters zu verifizieren. Darüber hinaus greift das im Oktober dieses Jahres startende, ebenfalls von der Fraunhofer-Gesellschaft geförderte Forschungsprojekt „Mobile Desinfektion“ (Mobdi) Technologien des Dekonbo auf und entwickelt sie weiter. Innerhalb der einjährigen Projektlaufzeit sollen neue Desinfektionsmethoden und -werkzeuge sowie komplexere Erkennungs- und Planungsmethoden entwickelt werden.

Vom Prototypen zur Serienreife

Forscher des Fraunhofer IPA haben bereits ein Konzept für ein späteres Serienprodukt ausgearbeitet. „Gemeinsam mit interessierten Firmen möchten wir den Serviceroboter in die Praxis bringen und damit einen Beitrag für den Wiederanlauf des öffentlichen Lebens auch in Corona-Zeiten leisten“, formuliert Graf die nächsten Ziele. Mehrere Reinigungs­unternehmen, die in die Entwicklung des Roboters aktiv eingebunden waren, haben bereits ihr Interesse am Einsatz des Dekonbot geäußert.

db

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