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Editorial 4. November 2021

Mit eigenem Strom gegen den Preisschock

Ausufernde Strompreise setzen die Branche unter Schock. Nicht nur die Politik muss handeln, die Betriebe sollten ihren Strom vermehrt selbst produzieren.
Matthias Gutbrod, Redakteur der K-ZEITUNG
Matthias Gutbrod, Redakteur der K-ZEITUNG

Ausufernde Strompreise setzen die Branche unter Schock. Nicht nur die Politik muss handeln, die Betriebe sollten ihren Strom vermehrt selbst produzieren.

Für VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup sind die steigenden Preise bei Strom und Gas ein „beispielloser Preisschock“ für die energieintensive Kunststoff- und Chemieindustrie. „Den Mittelstand treffen die Strompreise wie ein Schlag“, meint er. Andere Verbände warnen vor dem „Sterben des Mittelstandes“. Eberhard von Rottenburg, stellv. Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik beim BDI, sieht gleich den ganzen Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet.

VCI fordert regulierten Industriestrompreis

Ist es wirklich so schlimm? Das Jammern über viel zu hohe Strompreise hat seitens der Verbände eine lange Tradition, der Kunststoff-Standort Deutschland hat sich aber über alle Jahre als wandlungs- und wettbewerbsfähig behauptet. Doch der VCI fordert von der kommenden Bundesregierung eine sofortige Abschaffung der EEG-Umlage und regt sogar einen regulierten Industriestrompreis an.

Dass die reflexartigen Rufe der Verbände diesmal nicht überhört werden sollten, dafür gibt es erste Signale: Einige Unternehmen – vor allem Recycler – drosseln bereits ihre Produktion, andere – besonders Kunststoff-erzeuger – beginnen damit, Energiekostenzuschläge zu erheben. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis weitere Produzenten und dann auch Verarbeiter folgen werden.

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Stromkosten selbst gestalten

Doch die Politik alleine kann es nicht richten – denn viele Akteure gerade im Mittelstand haben die notwendige Energiewende schlicht verschlafen. Dabei hätten sie es an vielen Stellen selbst in der Hand ihre Stromkosten zu gestalten. Denn schon seit einiger Zeit  ist Solarstrom vom eigenen Dach viel günstiger als der teure Strom aus dem Netz. Doch ein Blick auf die Dachflächen in Gewerbegebieten zeigt: Lediglich 13,2 % der aktuellen PV-Anlagenleistung ist in Besitz von Gewerbetreibenden. Laut der Agentur für Erneuerbare Energien könnten rund 3,5 Mio. Unternehmen in Deutschland eigenen Solarstrom nutzen und sich damit gegen steigende Energiepreise absichern.

Preise bleiben auf hohem Niveau

Im Fazit bleibt: Auch wenn die Politik den genannten Forderungen nachkommt, was allerdings eine große Unbekannte am Energiemarkt bleibt – knappe Brennstoffe, robuste Stromnachfrage und stetig steigende CO2-Preise werden auch künftig die Energiekosten auf hohem Niveau halten. Wer die Voraussetzungen dafür hat, aber die Potenziale bislang ungenutzt ließ, sollte die Energieerzeugung künftig selbst in Hand nehmen.

Matthias Gutbrod, Redakteur

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