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News 11. Januar 2017

Messungen über Mikroplastik nicht verlässlich

Wissenschaftler der TU München fordern eine Harmonisierung der Messverfahren bei Mikroplastik. Nur durch standardisierte Analytik ließen sich Menge, Qualität und Risiko in Wasser-Ökosystemen sicher erfassen. Insbesondere bei Teilchen unter 20 µm gebe es Handlungsbedarf.
Trotz vieler Falschresultate nimmt die Untersuchung von Mikroplastik mit dem bloßen Auge in Sediment- oder Wasserproben immer noch eine wesentliche Rolle ein.
Trotz vieler Falschresultate nimmt die Untersuchung von Mikroplastik mit dem bloßen Auge in Sediment- oder Wasserproben immer noch eine wesentliche Rolle ein.

Wissenschaftler der TU München fordern eine Harmonisierung der Messverfahren bei Mikroplastik. Nur durch standardisierte Analytik ließen sich Menge, Qualität und Risiko in Wasser-Ökosystemen sicher erfassen. Insbesondere bei Teilchen unter 20 µm gebe es Handlungsbedarf.

Seit den ersten Berichten über die dramatisch steigende Verschmutzung mit Mikroplastik in den Meeren wurde auch die weltweite Forschung dazu stark intensiviert. Ein Übersichtsartikel in der Zeitschrift Angewandte Chemie evaluiert die bisher geleisteten Studien kritisch. Demnach besteht eine dringende Notwendigkeit, die analytischen Methoden für eine bessere Vergleichbarkeit zu harmonisieren. Außerdem müssen auch Teilchen im unteren Mikrometerbereich und kleiner erfasst werden können, denn gerade diese gelten als besonders gefährlich.

Flüsse und Seen noch kaum untersucht

Der Aufsatz von Natalia Ivleva, Alexandra Wiesheu und Reinhard Nießner von der Technischen Universität München beginnt mit der recht bemerkenswerten Feststellung, dass die Forschung zum Mikroplastikgehalt im Süßwasserbereich noch ganz am Anfang steht, während das Meer bereits seit etwa zwanzig Jahren schon recht intensiv untersucht wird und es dazu auch erste (EU-)Harmonisierungsansätze gibt. Zudem lassen sich die Studien allgemein kaum vergleichen, weil teilweise sehr unterschiedliche analytische Methoden verwendet werden. Dennoch deutet alles darauf hin, dass die Verschmutzung von Flüssen und Seen stark variiert, aber genauso alarmierend wie im Meer ist.

Messungen mit „bloßem Auge“

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Ivleva und ihre Kollegen erläutern die derzeit verwendeten Analyseverfahren mit allen Vor- und Nachteilen. So erfährt der Leser erstaunt, dass trotz sehr vieler Falschresultate (sowohl Über- als auch Unterschätzung) die Untersuchung von Sediment- oder Wasserproben mit dem bloßen Auge eine wesentliche Rolle einnimmt. Dabei liegt die Untergrenze mit dieser Methode bei etwa 500 µm (0,5 mm), während die interessantesten – weil wahrscheinlich schädlichsten – Teilchen Größen von 20 µm und darunter haben. Andererseits gibt es bereits etablierte spektroskopische Verfahren, mit denen man Kunststoffteilchen bis auf Mikrometergröße klar identifizieren kann. Nach Meinung der Autoren sollte die Spektroskopie zusammen mit den schon bereits eingesetzten thermoanalytischen Methoden in Zukunft sehr verlässliche Ergebnisse produzieren können.

Vor allem aber sei eine weitreichende Harmonisierung der Mikroplastik-Analytik nötig, eine Standardisierung der Prozesse von Probennahme, Prozessierung, Identifizierung und Quantifizierung von Mikroplastik-Teilchen aus Wasser und Sedimenten. Diese Forderung untermauern die Autoren mit neun Argumenten, die für eine zuverlässige Datenerhebung zu den Risiken einer Verschmutzung mit Mikroplastik in Betracht gezogen werden müssen.

Neben dem analytisch-technischen Schwerpunkt diskutieren die Autoren auch die Mikroplastikaufnahme in lebenden Organismen. Ivleva und ihre Koautoren betonen, wie wichtig es ist, den Verbleib der potenziell gesundheitsschädlichen Additive wie Weichmacher, Füllstoffe, Flammschutzmittel etc. im Gewebe zu untersuchen. Der Artikel fügt zur derzeitigen Diskussion über die Verschmutzung von Meeres- und Süßwasserbiotopen wichtige Punkte hinzu und zeigt mögliche Lösungen für die Zukunft auf.

mg

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