Direkt zum Inhalt

Mehr Energieeffizienz – weniger Abhängigkeit

Mit der Verbesserung der Energieeffizienz in Industriebetrieben kann die Abhängigkeit von Russlands Öl und Gas schneller reduziert werden als viele denken.
Die Steigerung der Energieeffizienz von Industriebetrieben hat ein enormes Potenzial zur Reduzierung des Energieverbrauchs und damit zur Verringerung der Abhängigkeit von russischen Öl- und Gasimporten.

Mit der Verbesserung der Energieeffizienz in Industriebetrieben kann die Abhängigkeit von Russlands Öl und Gas schneller reduziert werden als viele denken.

Denn die Potenziale, die in Energieeffizienzmaßnahmen von Industriebetrieben stecken, sind derart groß, dass die Abhängigkeit von Importen aus Russland schon bald Vergangenheit sein könnte. „Jede nicht verbrannte Kilowattstunde russischen Gases und jedes Kilo eingesparter Kohle reduziert die wirtschaftliche und damit militärische Handlungsfähigkeit Russlands“, so Prof. Jens P. Wulfsberg. Und der Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik – WGP – hat sogar konkrete und einfach umsetzbare Vorstellungen, wie dies funktionieren kann. Der Schlüssel heißt Energieeffizienz.

Enormes Potenzial in Energieeffizienzmaßnahmen

Wulfsberg: „Die Potenziale, die in Energieeffizienzmaßnahmen stecken, sind enorm. Und gerade im verarbeitenden Gewerbe, das gut 40 Prozent der Primärenergie Deutschlands verbraucht, haben wir für unsere Industrie bereits zahlreiche Lösungen anzubieten.“

Der WGP-Präsident nennt hier zum Beispiel die ETA-Fabrik in Darmstadt, die gezeigt hat, dass 40 % Energieeinsparungen durch Nutzung von Abwärme aus der eigenen Produktion keine Wunschträume sind, sondern Realität. Wulfsberg zu einer weiteren Lösung mit Vorbildcharakter: „Von den Ergebnissen der Demofabrik überzeugt, hat beispielsweise der Maschinenbauer Trumpf das Konzept umgesetzt und verbraucht nun in seinem neuen Gebäude in Ditzingen bei Stuttgart 70 Prozent weniger Gas im Vergleich zu einem Neubau mit konventioneller Gebäudeausrüstung und Versorgungstechnik. Ein ebenfalls dringlich wünschenswerter Effekt: Die CO2-Emissionen der Infrastruktur werden um 60 Prozent reduziert.“

Ad

Wesentliches Handlungsfeld zur Minimierung der Energiekosten

Auch die ECG Energie Consulting GmbH, Deutschlands größte unabhängige Energieberatung, sieht die Steigerung der Energieeffizienz als eines der wesentlichen Handlungsfelder zur Minimierung der Energiekosten. Denn die Zeiten sind vorbei, in denen Investitionen in einen sparsameren Maschinenpark für viele Unternehmen aufgrund niedriger Energiekosten weder notwendig noch betriebswirtschaftlich sinnvoll waren. Mit dem sprunghaften Anstieg der Preise für Strom und Gas hat sich diese Situation grundlegend geändert, so die ECG.

Dabei empfehlen die Energieberater allen Unternehmen dringend, vor einer Investition die geeigneten Fördermöglichkeiten durch Bund und Länder zu prüfen. Denn im Fall einer Förderung lässt sich die Amortisation einer neuen Maschine oder Anlage nach Erfahrung der ECG auf einen sehr attraktiven Zeitrahmen verkürzen. Ansprechpartner hierfür ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das fünf Fördermodule für die Energie- und Ressourceneffizienz anbietet.

Erneuerbare Energien inzwischen günstiger als fossile Energien

Neben der Steigerung der Energieeffizienz gibt es nach Überzeugung von Prof. Wulfsberg gerade für die energieintensive Industrie noch weitere Möglichkeiten und positive Entwicklungen, die uns allen in diesen extrem schwierigen Zeiten zugutekommen. So ist bei den erneuerbaren Energien seit einigen Monaten der Break-Even-Point erreicht. Prof. Wulfsberg: „Ihre Nutzung zur Energieversorgung ist nun günstiger als die fossiler Energieträger. Die Kosten für die Herstellung einer Kilowattstunde sind bei der Nutzung von Photovoltaik-Anlagen niedriger als bei der Verbrennung von Erdgas. Und die Marge wird sich durch die enorm steigenden Preise fossiler Energien noch weiten. Das heißt: Politik, Unternehmen und Hausbesitzer sind gefordert, alles zu tun, damit Solaranlagen so schnell als möglich auf jedes geeignete Dach kommen.“

Wulfsberg sieht hier aber nicht nur in den vielen Eigenheimen ungenutzte Potenziale. Ausgerechnet in der energieintensiven Industrie wie Chemie, Stahl oder Aluminium könnte nach seiner Überzeugung die Produktion auf das volatile Angebot der Sonnen- und Windenergie reagieren und damit einen ganz erheblichen Beitrag zur Stabilität des Stromnetzes leisten.

Industrie kann Strombedarf kurzfristig senken und die Abhängigkeit reduzieren

„Im vergangenen Jahr haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Kopernikus-Projekts Synergie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung das Energieflexibilitätspotenzial der Industrie berechnet. Sie konnten zeigen, dass der Strombedarf der Industrie kurzfristig gesenkt werden und damit die Leistung von bis zu 1.430 Onshore-Windrädern eingespart werden kann. Von den eingesparten CO2-Emissionen ganz zu schweigen“, so der Präsident der WGP.

Dieses Potenzial haben die Forschenden von Synergie nun für noch mehr Industrieprozesse berechnet und werden voraussichtlich in den kommenden Wochen die neuen Zahlen veröffentlichen. „Die Tendenz, soviel kann schon heute verraten werden, zeigt stark nach oben. Dabei sollte mitgedacht werden, dass wir mit solchen Technologien einen echten Exportschlager entwickeln können“, freut sich Prof. Wulfsberg.

Politik muss sofort die bisherigen Regularien ändern

Damit sich all diese Potenziale heben lassen, ist allerdings noch eine wichtige Änderung nötig und hier ist die Politik gefordert. Wulfsberg: „Die Politik muss sofort die bisherigen Regularien ändern. Die Stromnetzentgeltverordnung in ihrer jetzigen Form bestraft Unternehmen, die ihren Strombedarf flexibel ausrichten, und belohnt diejenigen, die ihn über das Jahr konstant halten. Die Industrie – so sind die Erfahrungen von uns Forschenden – würde sich gerne auf volatile Erneuerbare einstellen. Und nun gerade auch diejenigen, die von Erdgas abhängig sind. Solange die Gesetze aber bleiben, wie sie sind, lohnt eine Flexibilisierung wirtschaftlich für die meisten Firmen nicht. Es wäre ein Leichtes, das zu ändern.“

Günter Kögel

Passend zu diesem Artikel