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Spritzgießen 10. April 2017

Lackierung direkt im Spritzgießwerkzeug

In einer Forschungskooperation haben das Kunststoff Zentrum Leipzig und Panadur ein Zwei-Komponenten-Spritzgießverfahren entwickelt, wobei als zweite Komponente ein reaktives Polyurea-basiertes Lack-System in die Werkzeugkavität eingebracht wird. Dadurch lassen sich Spritzgießteile sehr effizient mit hochwertigen Oberflächenlackierungen versehen.
Diese hochwertigen Metalleffekt-Lack-Beschichtungen auf Thermoplast-Trägern wurden am Kunststoff Zentrum Leipzig im kontinuierlichen IMC-Verfahren hergestellt.
Diese hochwertigen Metalleffekt-Lack-Beschichtungen auf Thermoplast-Trägern wurden am Kunststoff Zentrum Leipzig im kontinuierlichen IMC-Verfahren hergestellt.

In einer Forschungskooperation haben das Kunststoff Zentrum Leipzig und Panadur ein Zwei-Komponenten-Spritzgießverfahren entwickelt, wobei als zweite Komponente ein reaktives Polyurea-basiertes Lack-System in die Werkzeugkavität eingebracht wird. Dadurch lassen sich Spritzgießteile sehr effizient mit hochwertigen Oberflächenlackierungen versehen.

Funktionsformteile aus thermoplastischen Kunststoffen erhalten häufig erst durch exquisite Oberflächenlackierungen eine hohe Wertanmutung. Eine sehr effiziente Möglichkeit zur Direktbeschichtung von Spritzgussformteilen mit einem reaktiven Lack-System bietet die technologische Umsetzung der Verfahrenskombination aus Thermoplast- und Reaktionsspritzguss. Diese basiert im Wesentlichen auf dem bekannten Zwei-Komponenten-(2K)Spritzguss, wobei hier als zweite Komponente das reaktive Lack-System in die Werkzeugkavität (RIM-Verfahren) eingetragen wird. Das reaktive Lacksystem verbindet sich bei der Vernetzung fest mit dem spritzfrischen Thermoplast-Träger. In einer erfolgreichen FuE-Kooperation zwischen der Panadur GmbH und der Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH (KUZ) entstanden Lack- und Technologieentwicklungen zur Herstellung von Polyurea-basierten Beschichtungen auf thermoplastischen Tragelementen mittels Formteil-Direktbeschichtung (In Mould Coating - IMC).

Versuche zum mechanischen Ablösen der Beschichtung vom Träger führen zum Kohäsionsbruch im thermoplastischen Trägermaterial. Hier im Bild kraterförmige Ausbrüche im Thermoplast-Träger nach Haftabzugsprüfung.
Versuche zum mechanischen Ablösen der Beschichtung vom Träger führen zum Kohäsionsbruch im thermoplastischen Trägermaterial. Hier im Bild kraterförmige Ausbrüche im Thermoplast-Träger nach Haftabzugsprüfung.

Essentiell für die prinzipielle Gebrauchstauglichkeit derartiger Verbundformteile ist die erreichte Verbundfestigkeit zwischen thermoplastischem Substrat und Polyurea-Überzug. Als Formmassen zur Herstellung der thermoplastischen Träger sind polare technische Kunststoffe und Blends mit Oberflächenenergien oberhalb ca. 38 mN/m geeignet. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Oberflächenenergie und der Verbundhaftung bzw. Langzeitstabilität ist nicht eindeutig gegeben, so dass das erreichte Eigenschaftsniveau in jedem Fall am beschichteten Formteil geprüft werden muss. Für konkrete Anwendungen sind die Umgebungsbedingungen im beabsichtigten Einsatz-Bereich wie werkstoffspezifische Dauergebrauchstemperatur oder Medien-Einfluss zu berücksichtigen.

Die Polyurea-Beschichtungen selbst sind VOC-frei und intrinsisch selbsttrennend. Neben Klarlack-, Transluzent- und Piano-Black-Formulierungen ist auch eine Vielfalt an Color- oder Metalleffekt-Systemen, bei Bedarf kombiniert mit sogenanntem Reflow-Effekt, verfügbar. Die IMC-Vernetzung erfolgt dann innerhalb 40 bis 100 s bei einer Werkzeugtemperatur zwischen 50 bis 80 °C.

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Die Verarbeitung der IMC-Komponenten Polyamin, Farbbatch und Härter erfolgt generell als 3-K-System. Hierdurch ist eine breite Variation der Mischungsverhältnisse sichergestellt. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich Farbwechsel kostengünstig und mit geringerem Material- und Zeitaufwand realisieren lassen. Diese Vorgehensweise ist auch bei der großtechnischen Umsetzung in einer Produktion mit häufigen Farbwechseln empfehlenswert.

Lassen sich an spritzfrischen thermoplastischen Trägern Oberflächenenergien oberhalb 38 mN/m nachweisen, ist die Verbundhaftung zwischen Substrat und Polyurea-Überzug prinzipiell gegeben. Bemühungen zum mechanischen Ablösen der Beschichtung vom Träger werden immer Bruch-Ereignisse im thermoplastischen Träger zur Folge haben.

Bei diesem Versuch führte der Haftabzugstest zu oberflächennahen Brüchen in der Grenzschicht thermoplastischer Träger.
Bei diesem Versuch führte der Haftabzugstest zu oberflächennahen Brüchen in der Grenzschicht thermoplastischer Träger.

Zur Quantifizierung der Verbundhaftung lässt sich beispielsweise ein Haftabzugstest nach ASTM D-4541 heranziehen. Für die Bewertung der Resultate muss das Deformationsvermögen des Thermoplast-Trägers durch Zugbeanspruchung während der Messung Berücksichtigung finden. Anderenfalls können zusätzlich auftretende Spalt- und Schälkräfte (dünnwandige Träger ohne Strukturversteifungen, gespritzt aus unverstärkten Formmassen mit niedrigen E-Modulen), die der eigentlichen Zugbeanspruchung überlagert sind, zu Fehlinterpretationen führen. Dieser Test zur Charakterisierung der Formteil- und Gebrauchseigenschaften widerspiegelt daher direkt das spezifische Bauteil-Versagen. Besonders kritisch sollte die Übertragung von Messergebnissen auf andere Formteil-Geometrien betrachtet werden.

Das Fazit der Forscher: "Die Verfahrenskombination aus Thermoplast- und Reaktionsspritzguss bietet eine sehr effiziente Möglichkeit zur Direktbeschichtung von Spritzgussformteilen mit reaktiven Polyurea-Lacksystemen. Dabei beeinflussen die Farbbatch-Zugaben jeglicher Art weder die Verbundhaftung zum jeweiligen thermoplastischen Trägermaterial noch das Selbstrennverhalten bzw. die Prozess-Stabilität. Das Potential dieser zukunftsträchtigen Oberflächentechnologie ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Neben den immer noch essenziell erforderlichen Arbeiten zu Thermoplast-Reaktionslack-Verbunden legt das KUZ aktuelle und künftige Themenschwerpunkte auf Untersuchungen zur Werkzeuggestaltung und dem Folien Hinterspritzen mit Klarlack-Überzug."

gk

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