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Prüftechnik 18. Oktober 2022

Kunststofftanks: Neue Zugversuche erleichtern Auslegung

Das Fraunhofer LBF hat einen neuen 2D-Zugversuch für die Auslegung von Kunststofftanks entwickelt; dabei kommt eine Kamera zum Einsatz.

Neuartige Zugversuche verbessern die Auslegung von Kunststofftanks. Hier die Prüffvorrichtung am Fraunhofer LBF beziehungsweise der eingebaute Probekörper mit schwarz-weißem Muster nach dem Test bei 80 °C (Ansicht von unten) durch das Seitenfenster.
Neuartige Zugversuche verbessern die Auslegung von Kunststofftanks. Hier die Prüffvorrichtung am Fraunhofer LBF beziehungsweise der eingebaute Probekörper mit schwarz-weißem Muster nach dem Test bei 80 °C (Ansicht von unten) durch das Seitenfenster.

Die übliche Auslegung von Kunststofftanks und -behältern auf Basis von Modellen für Metalle kann zu kritischen Fehlinterpretationen führen, da diese vorwiegend mehraxialen Zugbelastungen ausgesetzt sind; das heißt, Materialmodelle für Kunststoffe benötigen Daten aus 2D- und 3D-Zugversuchen. Falsche Auslegungen bei Tanks und Behältern, die unter Innendruck stehen, führen zu „unerwartetem“ Versagen im Einsatz.

Am Fraunhofer LBF wurden daher bekannte Prüfvorschriften für den biaxialen Zugversuch unter Temperatureinfluss auf den aktuellen Forschungsstand gebracht. Die implementierte optische Messung während der Belastung erfasst das mechanische Verhalten. Diese Daten vereinfachen die Anpassung eines materialgerechten Modells. Eine Extrapolation auf 3D-Zug ist möglich und entscheidend für sicheres und kosteneffektives Design

Diese neue Vorgehensweise liefert sowohl Daten für eine zuverlässige Modellierung von Bauteilen unter praxisrelevanten Belastungen als auch geeignete Auslegungswerkzeuge. Bauteile aus dem Automotivebereich, Komponenten im Flugzeugbau oder Produkte für Sport, Medizin und Haushalt können zuverlässiger und kostengünstiger ausgelegt werden.

Moderne Methode für 2D-Zugversuche

Die Prüfvorrichtung wurde für rund 2 mm dicke Kunststoffplatten konzipiert. Diese Dicke entspricht der typischen Wandstärke von Kunststoffbauteilen im Spritzgießbereich. Die Platte wird in der Vorrichtung zwischen kreisförmigen Ringen fest eingespannt und mittig mit einer Halbkugel des Indenters belastet, wodurch eine Durchbiegung der Probe verursacht wird. In der Mitte der Probe tritt eine gleichmäßige biaxiale Zugspannung auf. Die Kontaktfläche wird geschmiert und die Reibung beim Krafteinbringen verringert. Spannungssingularitäten im Einspannbereich werden durch eine spezielle Gestaltung der Kanten der Kreisringe reduziert.

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Die Verformung des Probekörpers wird von einer CCD-Kamera mit einem telezentrischen Objektiv aufgenommen. Dadurch lässt sich verhindern, dass virtuelle Dehnungen erfasst werden, die entstehen, wenn sich die Betrachtungsebene entlang der optischen Achse verschiebt. Die Auswertung der Geometrieänderung in der Platte erfolgt in einem anschließenden Post-Processing unter Verwendung von Grauwert-Korrelationssoftware. Zusätzlich wird eine zweite CCD-Kamera eingesetzt, die den Beginn der Plastifizierung am Rand der Einspannung erfasst.

Die Testergebnisse können bis zu einer Durchbiegung der Platte von 6 mm ausgewertet werden. Durch Variation des Durchmessers des Spannzeugs und der Geometrie des Indenters lassen sich verschiedene Formen von Biegelinien erzielen. Die optimalen Abmessungen werden mit den Wissenschaftlern des Fraunhofer LBF je nach den Materialeigenschaften, der Probendicke und den Prüfanforderungen individuell abgestimmt. Die Prüfungen werden nach Kundenspezifikationen oder nach den Empfehlungen des Instituts bei Temperaturen bis zu 120 °C durchgeführt.

Auswertung der Deformation durch digitale Bildkorrelation

Die Probendicke wird vor der Prüfung gemessen, der Probekörper dann mit einem statistisch verteilten schwarz-weißen Muster gesprenkelt und sofort geprüft, damit eine optimale Haftung zwischen der Platte und dem Muster bis zum Versagen erreicht wird. Dies ermöglicht die Auswertung der Dehnungen auf der Probenoberfläche durch digitale Bildkorrelation als Funktion der Belastung. Darüber hinaus ermöglicht der Aufbau die Erfassung lokaler Effekte und, bei Bedarf, die Untersuchung des Entlastungsverhaltens der Polymere. Außerdem erlaubt der Prüfaufbau die Ermittlung der Kriecheigenschaften unter 2D-Zug.

Die Gesamtbelastung versus die Durchbiegung als Funktion des Radius werden durch Methoden des Reverse-Engineerings nachgestellt. Bei bisherigen Untersuchungen wurde eine gute Übereinstimmung zwischen den experimentellen und den Simulationsergebnissen bei verschiedenen Temperaturen erreicht.

Prognose von Versagensfälle in Kunststofftanks unter Innendruck

Die Daten werden zum Beispiel für die Auslegung und Untersuchung von Versagensfällen in Kunststofftanks unter Innendruck und erhöhten Temperaturen verwendet. Basierend auf den gewonnenen Daten werden in Simulation genutzte Materialmodelle und Festigkeitskriterien an die Kunststoffe materialgerecht angepasst. Die Forscher analysieren die individuellen Herausforderungen bei der Modellierung der kritischen Kunststoffkomponenten und bieten Expertise auf allen Ebenen des Designprozesses. sk


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