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News 18. Juli 2019

„Kreislaufwirtschaft bringt uns einen Wettbewerbsvorteil“

Im Interview mit dem VDMA erklärt Thomas Herrmann, CEO von Herrmann Ultraschall, warum Umweltschutz ein Wettbewerbsvorteil ist
Der CEO von Herrmann Ultraschall Thomas Herrmann (l.) und Entwicklungsleiter Marco Lanza besprechen die digitalen Voraussetzungen für die Circular Economy. Über die ständige Verbesserung der Prozesse und eine immer genauer werdende Qualitätskontrolle werden Ressourcen eingespart.
Der CEO von Herrmann Ultraschall Thomas Herrmann (l.) und Entwicklungsleiter Marco Lanza besprechen die digitalen Voraussetzungen für die Circular Economy. Über die ständige Verbesserung der Prozesse und eine immer genauer werdende Qualitätskontrolle werden Ressourcen eingespart.

Im Interview mit dem VDMA erklärt Thomas Herrmann, CEO von Herrmann Ultraschall, warum Umweltschutz ein Wettbewerbsvorteil ist

Alle Player entlang der Kunststoff-Wertschöpfungskette schließen sich in Europa zusammen, um einen funktionierenden Kreislauf in Gang zu setzen. Woanders gibt es diese Initiative nicht. Hat Europa bald einen Wettbewerbsnachteil?

Thomas Herrmann: Ein funktionierender Kreislauf für Kunststoffe ist eng verbunden mit dem Streben nach Nachhaltigkeit, reduziertem Ressourceneinsatz und stofflicher Wiederverwertung. Das Wissen um diese Prozesse und die Entwicklung der erforderlichen Technologien wird Europa eher einen Wettbewerbsvorteil bringen, da sich auch andere Regionen künftig mit diesen Themen auseinandersetzen müssen und somit die europäische Industrie und Forschungslandschaft neue Exportfelder besetzen kann. Das gilt für Maschinen und Anlagen genauso wie für die  Prozesstechnik.

Was kann Herrmann Ultraschall als Glied in der Wertschöpfungskette tun? Auf wen oder was haben Sie Einfluss?

Herrmann: Die von uns entwickelten Maschinen und Komponenten zur Verbindung von Kunststoffen kommen ohne Zusatzstoffe wie Klebstoff oder zusätzliche Elemente wie Schrauben aus und tragen allein dadurch zur Vermeidung von unnötigem Materialeinsatz und Mischmaterialverbunden bei. Dazu ist das Ultraschallschweißen im Vergleich zu anderen Fügeverfahren sehr energieeffizient, das heißt, beim Schweißvorgang wird nur wenig Energie zugeführt. Ressourcen werden also geschont. Ultraschall-Fügetechnik funktioniert auch mit Bauteilen aus rezyklierten Granulaten und auch verschiedenen Bio-Kunststoffen.

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Kunststoffverpackungen, die als Plastikteppiche auf den Weltmeeren von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, sind zur Zielscheibe der Kritik geworden. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Herrmann: Natürlich ist die Verschmutzung der Meere mit Kunststoffabfällen tragisch und nicht akzeptabel, resultiert aber aus dem falschen Umgang mit dem Abfall und nicht aus dem Produkt  Kunststoffverpackung selbst. Kunststoffverpackungen stellen einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der Ernährung einer schnell wachsenden Weltbevölkerung dar und reduzieren dabei den Einsatz natürlicher Ressourcen. Ungefähr ein Drittel aller erzeugten Lebensmittel verdirbt auf dem Weg von der Erzeugung bis hin zur Verarbeitung, das heißt bevor sie überhaupt verpackt werden können. Die richtige Kunststoffverpackung, deren Gewicht und CO2-Fußabdruck nur einen Bruchteil des zu schützenden Lebensmittels ausmacht, hilft dabei, diese Verschwendung zu vermeiden. Aber es gibt auch bei uns noch Verbesserungspotenzial. Die Zahl der unnötigen Einwegverpackungen muss reduziert werden und auch so manche Sekundärverpackung muss auf den Prüfstand.

Können Bio-Kunststoffe der Rohstoff der Zukunft sein?

Herrmann: Wir denken, dass Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zukünftig an Bedeutung gewinnen werden. Sie müssen neben verfahrenstechnischen und hygienischen auch ethischen Anforderungen genügen. Es muss überlegt werden, ob sie nicht auf Flächen erzeugt werden, die dann der Produktion von Lebensmitteln fehlen. Allerdings werden diese Materialien das Thema Umweltverschmutzung nicht lösen, da sie nicht vollständig unter natürlichen Bedingungen abgebaut werden können.

Welche wirtschaftlichen Vorteile bietet die Kreislaufwirtschaft?

Herrmann: Das absehbare Ende der Verfügbarkeit fossiler Energieträger wird zu einem deutlichen Anstieg der Kosten für die Förderung führen. Der klimaschädliche Einfluss ist schon heute spürbar und birgt große wirtschaftliche Risiken. Aus diesen Gründen kann eine Kreislaufwirtschaft nur wirtschaftliche Vorteile bringen, da insbesondere Aufwände für Förderung und Herstellung, aber auch für die Behebung von Schäden und zur Renaturierung sinken. Es ist eine Situation, in der alle nur gewinnen können, die Wirtschaft, die Umwelt und die ganze Menschheit. Aktuell ist es so, dass aufbereitetes Granulat teurer ist als Neuware. Die Motivation aus wirtschaftlicher Sicht ist also eher gering, dieses zu verwenden. Erlaubt unsere Technologie entscheidende Vorteile gegenüber anderen Fügeverfahren, wird es natürlich spannend. Eine EU Verordnung würde sicherlich helfen, die Verwendung von Bio- oder recycelten Kunststoffen zu motivieren und zu steigern.

Was sollte die Politik zur Förderung der Kreislaufwirtschaft noch tun?

Herrmann: Die Rolle der Politik besteht darin, Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung des globalen Wettbewerbs bereitzustellen. Wir brauchen Regulierung, denn die Erfahrung zeigt, dass Reaktionen des Marktes am ehesten durch gesetzliche Vorgaben zu erreichen sind. Allerdings muss man sich vor Überregulierung in Acht nehmen. Nicht zuletzt sind einheitliche europäische Standards erforderlich, um als europäischer Lebens- und Wirtschaftsraum der Kreislaufwirtschaft den Weg in eine erfolgreiche Zukunft zu ermöglichen.

Inwieweit begünstigt die Digitalisierung die Durchsetzung der Kreislaufwirtschaft?

Herrmann: Die Digitalisierung ist dafür die Voraussetzung. Kunststoffe, die in einem Kreislauf zirkulieren, werden keine konstanten, immer gleichbleibenden Eigenschaften aufweisen. Je besser die digitale Signatur des Roh- oder Werkstoffes ist und je mehr Daten aus den einzelnen Verarbeitungsschritten verwendet werden können, desto besser funktionieren Rezyklierungsschritte. In anderen Worten, entlang der Wertschöpfungskette müssen durchgängig alle Informationen vorhanden sein, dann werden die richtigen zusätzlichen Prozessschritte zur Kreisschließung überhaupt erst möglich.

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