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Technik 30. Juni 2017

Kommt mir nicht in die Tüte?!

Der internationale plastiktütenfreie Tag macht jedes Jahr am 3. Juli auf die negativen Seiten von Kunststofftaschen aufmerksam. Im neuen Positionspapier "Plastiktüten" schätzen Experten von Fraunhofer Umsicht das Thema nun aus wissenschaftlicher Perspektive ein.
Kein schöner Anblick: Diese Plastiktüte wurde in der Nähe des Fraunhofer-Umsicht-Instituts gefunden.
Kein schöner Anblick: Diese Plastiktüte wurde in der Nähe des Fraunhofer-Umsicht-Instituts gefunden.

Der internationale plastiktütenfreie Tag macht jedes Jahr am 3. Juli auf die negativen Seiten von Kunststofftaschen aufmerksam. Im neuen Positionspapier "Plastiktüten" schätzen Experten von Fraunhofer Umsicht das Thema nun aus wissenschaftlicher Perspektive ein.

Als Konsequenz auf die schon länger vorherrschende Kritik am weltweiten Verbrauch an Kunststofftragetaschen, umgangssprachlich auch "Plastiktüten" genannt, setzen einige deutsche Initiativen mittlerweile auf einen teilweisen oder vollständigen Verzicht auf diese Produkte. Doch lohnt sich das auch aus ökobilanzieller Sicht? Und schonen Papiertüten die Umwelt mehr als solche aus Kunststoff? Im neuen Positionspapier Plastiktüten schätzen Experten von Fraunhofer Umsicht das Thema aus wissenschaftlicher Perspektive ein und zeichnen Lösungswege für Wissenschaft und Gesellschaft auf.

Starker Rückgang von Kunststofftaschen

Plastiktüte, Papiertasche oder Jutebeutel? Diese Entscheidung wird Verbrauchern seit dem 1. Juli 2016 zumindest aus finanzieller Sicht ein Stück weit erleichtert: In einer freiwilligen Vereinbarung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit BMUB und dem Handelsverband Deutschland e. V. verpflichten sich die teilnehmenden Unternehmen, für Kunststofftragetaschen ein angemessenes Entgelt zu erheben. Einige Einzelhandelsunternehmen setzen sogar ausschließlich auf Alternativen aus Jute oder Papier. Diese Aktivitäten der jüngeren Zeit machen sich deutlich bemerkbar. Während in Deutschland von 2010 mit einem Verbrauch von 71 Tüten pro Person und Jahr bis 2015 mit 68 kaum ein Rückgang zu verzeichnen war, sank die Zahl innerhalb eines Jahres auf 45 Tüten im Jahr 2016, wie neue Ergebnisse der Gesellschaft für Verpackungsforschung zeigen.

Die Vereinbarung versteht sich nicht nur als Konsequenz auf den Plastiktütenverbrauch in Deutschland, sie will auch ein Zeichen gegen die Vermüllung der Weltmeere mit Plastik setzen. Denn seit vielen Jahren gehören Plastiktüten zu den Top 10 der meist gefundenen Müllobjekte bei Müllsammelaktionen an Stränden und stehen seitdem verstärkt in der öffentlichen Kritik. Im neuen Positionspapier "Plastiktüten" greifen Experten von Fraunhofer Umsicht das Thema auf und schätzen vor allem aus wissenschaftlicher Perspektive Fragen ein wie: Lohnt sich der Verzicht auf Gratisplastiktüten aus ökobilanzieller Sicht? Und schonen Papiertüten die Umwelt wirklich mehr als Plastiktüten?

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Papiertüten sind nicht zwangsläufig besser

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Fraunhofer Umsicht stellen klar, dass Plastiktüten einen hohen symbolischen Wert in den Umweltdebatten erlangt haben, was eine sachbezogene Diskussion schwierig macht. Gleichwohl konnten Ökobilanzierungen (Analysen der Umweltwirkungen von Produkten während des gesamten Lebenszyklus) des britischen Umweltamtes zeigen, dass Papier- und Baumwolltüten keine spezifischen Vorteile gegenüber Tüten aus konventionellem Kunststoff oder Biokunststoff bieten. Für alle Materialien gilt, dass sich die Mehrfachnutzung günstig auf die Ökobilanz auswirkt.

Bezüglich der Materialfrage sind sich die Mitwirkenden am Positionspapier "Plastiktüten" einig: Kunststofftüten aus Polyethylen (PE) mit katalytischen Zusätzen, die eine oxidative Fragmentierung auslösen, sind grundsätzlich abzulehnen. Denn dies führt gezielt zur Erzeugung von Mikroplastik, das auf den unteren Ebenen der Nahrungskette (Plankton, Muscheln, Würmer etc.) schwerwiegende Folgen haben kann. Die Verwendung von biologisch abbaubaren Materialien für Plastiktüten könnte hier eine Alternative bieten: Deren Wirkung auf die Umwelt muss allerdings noch eingehender untersucht werden. Doch selbst, wenn der Abbau sich über einige Jahre hinziehe, bringe das immer noch eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den viel länger haltbaren Standardplastiktüten mit sich, die meist aus den Polyolefinen PE oder PP gefertigt sind.

Ein generelles Verbot von Plastiktüten lehnen die Autoren des Positionspapiers "Plastiktüten" ab. Stattdessen sollten vielmehr Wege gefunden werden, die einen sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit dem mehr oder weniger alltäglichen Produkt und dessen effizientes Recycling begünstigen.

mg

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