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Additive Fertigung 14. Juni 2017

Können wir bald wie ein Roboter fühlen?

An der Universität Minnesota versuchen Forscher, Roboterhände sensibel zu machen. Dazu bauen sie per 3D-Druck die menschliche Haut nach. Erste Ergebnisse sind vielverprechend und gehen weit über die Robotik, wie wir sie heute kennen, hinaus.
Die auf der Haut applizierbaren Sensoren bieten ein riesiges Anwendungsfeld.
Die auf der Haut applizierbaren Sensoren bieten ein riesiges Anwendungsfeld.

An der Universität Minnesota versuchen Forscher, Roboterhände sensibel zu machen. Dazu bauen sie per 3D-Druck die menschliche Haut nach. Erste Ergebnisse sind vielverprechend und gehen weit über die Robotik, wie wir sie heute kennen, hinaus.

Ingenieurwissenschaftler der University of Minnesota haben kürzlich ein 3D-Druckverfahren vorgestellt, das sie für nicht weniger als revolutionär halten. Es erlaubt, dehnbare elektronische Sensoren auszudrucken. Die Forscher wollen so mittelfristig Roboter das Fühlen lehren. Außerdem könnten die Forschungsergebnisse einmal dazu dienen, Elektronik direkt auf die menschliche Haut zu drucken.

Viele denkbare Anwendungen

"Wir haben ein dehnbares Gewebe entwickelt, das sich in der Praxis sehr vielfältig einsetzen lässt", ist sich Michael McAlpine, Professor der Ingenieurwissenschaften an der Universität Minnesota und Leiter des Projekts, sicher. "Wenn etwa Operationsroboter mit dieser Art von ,bionischer Haut‘ versehen würden, könnten die Chirurgen bei minimalinvasiven Eingriffen tatsächlich fühlen, was der Roboter fühlt. Das würde Operationen erheblich vereinfachen, da mit dem Tasten neben dem Sehen ein weiterer Sinn zur Verfügung stehen würde. Die Technologie könnte außerdem dazu verwendet werden, Robotern das Gehen oder die Interaktion mit ihrer Umwelt zu erleichtern.

McAlpine hatte im Jahr 2013 für internationale Aufmerksamkeit mit der Herstellung eines bionischen Ohrs gesorgt. Wenn es gelänge, Sensoren direkt auf die menschliche Haut zu drucken, könnte dies der Gesundheitsüberwachung dienen. Das Militär könnte Soldaten in die Lage versetzen, gefährliche Chemikalien oder Sprengstoffe buchstäblich mit ihren Fingern orten zu können.

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Professor Michael McAlpine
Professor Michael McAlpine

"Wir haben noch nicht versucht, auf menschliche Haut zu drucken. Auf der unebenen Oberfläche einer Modellhand hat es allerdings bereits funktioniert," so McAlpine. "Wir haben auch bereits den gedruckten Sensor auf die Haut platziert und waren überrascht, dass er so sensibel war, dass man den Puls in Echtzeit aufzeichnen konnte." Das einzigartige Material wurde von McAlpine und seinem Team auf einem selbstkonstruierten Drucker hergestellt. Das multifunktionale Gerät verfügt über vier Düsen, mit denen die Materialien schichtweise aufgetragen werden. Die Basisschicht besteht dabei aus Silikon. Auf diese werden die Elektroden appliziert, darauf folgen der spulenförmige Drucksensor sowie eine Opferschicht, die die oberste Schicht in Position hält, bis sie sich selbst trägt und dann entfernt wird.

Bald direkt auf die Haut drucken

Die verwendeten Materialien lassen sich bei Zimmertemperatur verarbeiten. Konventioneller 3D-Druck erfordert meist Temperaturen, die es ausschließen, auf lebendige Haut zu drucken. Außerdem seien die Verfahren oft nicht für flexible Materialien geeignet. Der in Minnesota entwickelte Sensor kann um bis zu 300 % seiner Originalgröße gedehnt werden."Wir haben es mit einem völlig neuen Ansatz zum Drucken von Elektronik zu tun", freut sich McAlpine, "unser multifunktionaler Drucker kann mehrere Schichten zur Herstellung dieser flexiblen Sensoren drucken. Von diesem Punkt aus können wir die Technologie in viele Richtungen weiterentwickeln."

Nah an möglichen Anwendungen

Denkbar seien Anwendungen von der Gesundheitsüberwachung über die Energiegewinnung bis hin zur Detektion von Chemikalien. Aus den Reihen der Forschung wird besonders gelobt, dass die Erfindung gleich ein Verfahren zu ihrer Herstellung beinhaltet. "Wenn in der Forschung eine Erfindung gemacht wird, dann ist es meist so, dass im Anschluss eine Technologie entwickelt werden muss, um das Erfundene in industriellem Maßstab herzustellen", weiß McAlpine. Das kann mitunter Jahre dauern, bis daraus schließlich ein Produkt wird. Diesmal aber haben wir die Herstellung gleich in den Prozess miteingebaut. Wir können sofort loslegen."

Im nächsten Schritt sollen jetzt die Technologie für Halbleiter weiterentwickelt werden und das Drucken direkt auf den menschlichen Körper. "Die Möglichkeiten für die Zukunft sind endlos", ist sich McAlpine sicher. Außer Prof. McAlpine sind auch noch die Studenten Shuang-Zhuang Guo, Kaiyan Qiu, Fanben Meng und Sung Hyun Park an dem Projekt beteiligt. Die Forschung wird gefördert vom National Institute of Biomedical Imaging and Bioengineering der US-amerikanischen National Institutes of Health.

pl

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