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Recycling 10. Juni 2020

Kann eine Raupe Polyethylen verdauen?

Raupen der Wachsmotte fressen scheinbar herkömmliches Polyethylen. Doch verdauen sie den Kunststoff auch? Fraunhofer LBF untersucht den Abbauprozess.
Eine Raupe der Wachsmotte frisst eine Polyethylen-Folie vor. Doch verdaut sie den Kunststoff auch?
Eine Raupe der Wachsmotte frisst eine Polyethylen-Folie vor. Doch verdaut sie den Kunststoff auch?

Raupen der Wachsmotte fressen scheinbar herkömmliches Polyethylen. Doch verdauen sie den Kunststoff auch? Fraunhofer LBF untersucht den Abbauprozess.

Lassen sich Raupen der Wachsmotte im Kampf gegen den ausufernden Abfall von Polyethylen-Verpackungen einsetzen? Dieser Frage sind Forschende des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF detailliert nachgegangen.

Die Ausgangslage: Larven der Wachsmotte Galleria Mellonella fressen und verdauen angeblich Polyethylen, weshalb ihnen ein Beitrag zur CO2- neutralen Beseitigung der weltweit anwachsenden Berge von Kunststoff-Abfällen zugeschrieben wird. Ob und wie die Raupe dies bewerkstelligt, ist allerdings noch unverstanden und wird derzeit kontrovers diskutiert.

Forschungsprojekt zur Polyethylen-Verdauung in Raupen

Im Rahmen eines Forschungsprojekts zur bildgebenden chemischen Analyse der Kunststoff-Verdauung in Raupen (RauPE) hat ein Team des Fraunhofer LBF durch hochauflösende Raman-Mikroskopie und mit Hilfe einer speziellen Software den Weg des Kunststoffs durch die Raupe verfolgt und wichtige Antworten auf diese offenen Fragen gefunden.

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100.000 Raupen fressen pro Woche<br>5 Kilogramm Polyethylen

Laut einer Anfang 2019 veröffentlichten Studie sind Larven der Wachsmotte Galleria Mellonella in der Lage, Polyethylen (PE) zu fressen und mit einer bemerkenswert hohen Rate umzusetzen: 100.000 Raupen fressen demnach innerhalb einer Woche etwa 5,2 kg PE. Dies würde vielversprechende Möglichkeiten zur Entsorgung und Beseitigung der großen Mengen von Polyethylen-Abfall eröffnen. Bevor diese bemerkenswerte Fähigkeit der Raupe allerdings genutzt werden kann, muss geklärt werden, ob sie das PE wirklich verdaut oder bloß zerkleinert ausscheidet.

Verdauen oder zerkleinern? Raman-Spektren klären auf

Diese Frage hat das Team des Fraunhofer LBF durch den Einsatz hochauflösender Raman-Mikroskopie beantwortet. Im Zuge des Projektes hat das Team zudem eine dedizierte Software für die Raman-Mikroskopie an Gemischen in Python entwickelt. Mit Hilfe von maschinellem Lernen kann diese die überlagerten Raman-Spektren der Bestandteile entmischen. Sie liefert einerseits die Spektren der Einzelkomponenten und andererseits deren örtliche Konzentration. So können die Forschenden auch geringe Konzentrationen eines Stoffes wie Polyethylen innerhalb eines komplexen Gemisches aufspüren.

Winzige Kunststoff-Mengen in Gemischen aufspüren

Die Kombination von Raman-Mikroskopie und Software ist in der Lage, sehr geringe Konzentrationen von Kunststoffen innerhalb eines Gemisches verschiedenster organischer Substanzen, wie sie innerhalb der Raupe vorliegen, räumlich darzustellen. Dies ist dreidimensional mit einer Auflösung von bis zu 1 µm möglich. Durch die Nutzung einer konfokalen Optik können die Forschenden die Raupen zerstörungsfrei, d.h. weitgehend ohne Präparation untersuchen.

Kein biologischer Abbau von Polyethylen

Die bisherigen Ergebnisse verblüfften das Projektteam: Raupen fressen Löcher ins Polyethylen, nehmen geringe Mengen davon auf und verlieren gleichzeitig deutlich an Körpermasse. Wenn Löcher vorhanden sind, stoppen die Raupen die weitere Materialaufnahme. Die analytischen Messdaten zeigen, dass die Raupen das Polyethylen unverändert wieder ausscheiden.

„Dass Raupen herkömmliche Kunststoffe biologisch abbauen, bleibt zunächst weiterhin eine Vision. Es bleibt daher umso wichtiger, anfallende Kunststoffabfälle auch aus Polyethylen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu vermeiden und wiederzuverwerten“, betont Dr. Bastian Barton, der das Forschungsprojekt am Fraunhofer LBF betreute. Dringend benötigt würden verbesserte Konzepte und geeignete Technologien für die Herstellung von Post-Consumer-Kunststoffen mit hoher Qualität und konstanter Lieferbarkeit. Erst dann könnten bereits eingesetzte Kunststoffe für eine breite Produktpalette wiederverwendet werden, so Barton weiter.

Das Forschungsprojekt RauPE haben die Darmstädter Forschenden auch in einem Video dokumentiert.

mg

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