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Märkte 8. Oktober 2019

Jetzt ist es amtlich: Titandioxid möglicherweise krebserregend

Die EU Kommission stuft Titandioxid als „möglicherweise krebserregend“ ein. Der Verband der Mineralfarbenindustrie warnt vor den Folgen.
Knappes und teures Pulver: Titandioxid wird in der Kunststoffverarbeitung als Weißpigment gebraucht.
Knappes und teures Pulver: Titandioxid wird in der Kunststoffverarbeitung als Weißpigment gebraucht.

Die EU Kommission stuft Titandioxid als „möglicherweise krebserregend“ ein. Der Verband der Mineralfarbenindustrie warnt vor den Folgen.

Titandioxid gilt seit dem 4. Oktober 2019 als ein „Stoff mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung durch Einatmen“. So entschied die EU-Kommission, dieses Weißpigment zu klassifizieren – und das obwohl sich die Mehrheit der Experten der Mitgliedsstaaten dagegen ausgesprochen hatte. Auslöser für die Diskussion zur Einstufung von Titandioxid als möglicherweise krebserregend sind Studien an Ratten, die hohen Konzentrationen an Titandioxid-Staub ausgesetzt waren, was zu Lungenüberladungen durch das Einatmen von Staubpartikeln führte.

VdMi kritisiert neue Einstufung von Titandioxid

„Dies ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar. Die Einstufung ist weder aus toxikologischer Sicht begründet, noch wird sie einen positiven Effekt im Gesundheits- oder Umweltschutz haben“, sagt Dr. Heike Liewald, Geschäftsführerin des Verbands der Mineralfarbenindustrie (VdMi). Mit der Einstufung von Titandioxid würde erstmals ein Stoff auf Basis von stoffunspezifischen Partikeleffekten eingestuft. Dies sei nicht im Sinne der CLP-Verordnung. „Die Brüsseler Behörden hätten gut daran getan, sich dem Vorschlag von Deutschland anzuschließen, Titandioxid über den allgemeinen Staubgrenzwert im Rahmen des Arbeitsschutzes zu behandeln. Diese Chance ist nun vertan, stattdessen wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der auch auf andere Stoffe mit ähnlicher Staubproblematik übertragen werden könnte“, begründet der VdMi die Kritik.

Pulverförmige Produkte mit Titandioxid müssen jetzt eingestuft und gekennzeichnet werden. Ergänzend sind Zusatzkennzeichnungen für flüssige und feste Gemische mit Titandioxid vorgesehen, unabhängig davon, ob überhaupt eine Freisetzung von Titandioxid am Arbeitsplatz oder beim Verbraucher zu erwarten ist.

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„Verbraucher kommen nicht mit Titandioxid-Staub in Kontakt, in nahezu allen Fällen ist Titandioxid in Lacken, Farben oder Kunststoffen in eine Matrix aus Bindemittel gebunden“, sagt Dr. Liewald und schließt sich damit dem Gutachten des europäischen Gremiums zur Risikobewertung (RAC) an. „Eine Gefahrenkennzeichnung an Produkten, die nicht gefährlich sind, führt einerseits zu einer übermäßigen Verunsicherung der Verbraucher und birgt andererseits die Gefahr, dass die Verwender abstumpfen und solche Hinweise nicht mehr ernst nehmen.“

Titandioxid behindert künftig das Recycling

Auswirkungen wird die Einstufung in vielen Bereichen und Anwendungen haben, auch dort wo Titandioxid gar nicht eingeatmet werden kann. Beispielsweise ergeben sich Konsequenzen im Recycling- und Abfallbereich: Produkte, die mehr als 1 % Titandioxid enthalten, werden zu gefährlichem Abfall. Dies betrifft zum Beispiel die Entsorgung rund der Hälfte aller Kunststoffprodukte und Bauschutt. Eine aktuelle Studie der Kunststoffindustrie, der Pigmenthersteller und der Recycler zeigt, dass in Deutschland beispielsweise etwa 400.000 t Kunststoffe wegen der Einstufung zukünftig nicht mehr recycelt werden können.

Titandioxid ist das am häufigsten verwendete Weißpigment. Aufgrund seiner Eigenschaften wird es breit und vielfältig in nahezu allen Bereichen und Anwendungen eingesetzt, am häufigsten in Farben, Lacken, Kunststoffen und in Papier. Darüber hinaus wird es zur Farbgebung in Kosmetik, Lebensmitteln, Pharmazeutika, Bauprodukten oder Keramik genutzt. Titandioxid ist in vielen dieser Anwendungen nicht durch andere Stoffe zu ersetzen.

mg

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