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Inspektionssystem beschleunigt Prüfung von Barrierefolie

Ein Inspektionssystem des Fraunhofer IWS misst die Qualität von Barrierefolien für organische Elektronik erstmals während des Produktionsprozesses.
Ein Rolle-zu-Rolle-Folieninspektionssystem am Fraunhofer FEP: Ein neues Inspektionssystem misst die Qualität von Barrierefolien für organische Elektronik innerhalb weniger Stunden.

Ein Inspektionssystem des Fraunhofer IWS misst die Qualität von Barrierefolien für organische Elektronik erstmals während des Produktionsprozesses.

Hyperspektral-Bildgebung und Künstlicher Intelligenz (KI) sind die Basis des Inspektionssystems für Barrierefolien, die etwa für organische Leuchtdioden (OLED) oder Solarzellen (OPV) benötigt werden. OLEDs benötigen Barrierefolien, die allenfalls wenige Mikrogramm Wasserdampf pro Tag durchlassen. Die Durchlässigkeit bestimmt maßgeblich die Lebensdauer der flexiblen Produkte. Bislang dauern Messungen der Wasserdampfdurchlässigkeit bei OLED-Barrierefolien oft einige Wochen. Die Wissenschaftler des Fraunhofer IWS haben es geschafft, die Inspektionszeit auf zwei bis drei Stunden zu verkürzen.

Eine wichtige Rolle in Herstellungsprozess für organische Elektronik spielt die Material- und Oberflächeninspektion, für die sich das Hyperspectral Imaging (HSI) eignet. Das Fraunhofer IWS hat die Technologie zur Imanto-Plattform weiterentwickelt. Diese ist imstande, selbst kleinste Defekte und geringste Abweichungen vom idealen Aufbau von Barrierefolien rasch zu erkennen und deren Wasserdampfdurchlässigkeit zu ermitteln.

Inspektionssystem entstand im EU-Projekt Oledsolar

Die Chance auf einen neuen Lösungsansatz eröffnete das EU-Projekt Oledsolar, in dessen Zuge insgesamt 16 Institute und Technologieunternehmen aus ganz Europa bis zum Frühjahr 2022 fortgeschrittene Fertigungs- und Inspektionsmethoden für die Industrialisierung der organischen Elektronik entwickeln. Das Fraunhofer IWS begann in diesem Projekt, ein Barriere-Inspektionssystem mit einem grundsätzlich neuen Ansatz zu entwickeln: Es wird nicht mehr der Wasserdampf gemessen, der die Barriere durchdringt, sondern allein die Folie, die diese Durchlässigkeit maßgeblich bestimmt.

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In zweieinhalbjähriger Arbeit haben Wissenschaftler und Techniker beim Projektpartner Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP mehr als 100 Barrierefolienmuster im Rolle-zu-Rolle-Verfahren hergestellt, deren Wasserdampfdurchlässigkeit das Fraunhofer IWS zunächst mit der am Institut entwickelten Hibarsens-Technologie hochpräzise gemessen hat. Danach haben die IWS-Forscher von den Proben an verschiedenen Stellen HSI-Datensätze gemessen und mit diesen ein Modell angelernt, das anhand einer HSI-Messung die Wasserdampfdurchlässigkeit der gemessenen Barrierefolie mit hinreichender Genauigkeit hundertmal schneller vorhersagen kann.

Hyperspektrales „Sehen“ erzeugt Riesenmengen an Rohdaten

Die Verarbeitung optischer Rohdaten zu nützlichen Informationen ähnelt dem menschliche Sehen. Das Gehirn erhält Farbrohdaten wie rot, grün sowie blau von den Augen. Dank lebenslang trainierter Erfahrungswerte kann es diese Daten deuten und der Mensch die Welt wahrnehmen und erkennen. Das hyperspektrale „Sehen“ weist allerdings einen entscheidenden Unterschied auf: Um an die entscheidenden Informationen zu gelangen, sind aufgrund der enormen Größe und Komplexität der in sogenannten Hypercubes aufgezeichneten Daten spezielle Datenanalyse-Algorithmen notwendig.

„Diese Daten könnte kein Mensch herkömmlich auswerten“, betont Wulf Grählert, der am Fraunhofer-Anwendungszentrum für Optische Messtechnik und Oberflächentechnologien AZOM, einer Außenstelle des Fraunhofer IWS, die Arbeitsgruppe für optische Inspektionstechnologien leitet. „Deshalb setzen wir dafür Methoden der Künstliche Intelligenz ein.“

Auch Künstliche Intelligenz macht Erfahrungen

Auch die KI „macht Erfahrungen“. Sie lernt Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung. So werden die Auswirkungen potenzieller Foliendefekte wie Kratzer, Schichtfehler oder Einschlüsse auf einen Hypercube sowie auf die Wasserdurchlässigkeit der Folie einem Modell antrainiert. Ein ausreichend trainiertes Modell kann dann aus einem Hypercube einer Barrierefolie deren Wasserdampfdurchlässigkeit mit hoher Sicherheit vorhersagen. Messung und Vorhersage liegen so schnell vor, dass sich Fehlchargen unmittelbar erkennen lassen. Darüber hinaus ist es nun sogar erstmals möglich zu bewerten, an welchen Stellen konkret die Barrierefolien mehr oder eben weniger Wasserdampf durchlassen.

Barrierefolien werden seit langem zum Beispiel in der Lebensmittel- und Pharmabranche eingesetzt, doch die organische Elektronik hat die Anforderungen an deren Dichtigkeit gegenüber Wasserdampf extrem hochgeschraubt.

Mit schnelleren Kameras lässt sich die Messzeit sogar noch weiter verringern. Und je mehr Trainingsdaten der KI künftig zur Verfügung stehen, desto genauer werden ihre Vorhersagen.Ziel ist letztlich eine Echtzeit-Qualitätskontrolle während der Folienproduktion, aber auch in der Eingangskontrolle in den sich anschließenden Verarbeitungsprozessen. „Wir sehen großes Potenzial“, sagt Grählert. „Diese neue Art von Sensorik verkürzt die Inspektionszeit für Barrierefolien erheblich, eröffnet die Möglichkeit einer Inline-Qualitätskontrolle, verringert die Ausschussrate und kann die OLED- und OPV-Produktion verbilligen.“

Hyperspektral-Inspektor auch für andere Barrierefolien geeignet

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten sieht Grählert auch jenseits der organischen Elektronik, zum Beispiel in der Elektronik- oder Halbleiterindustrie, in der Pharmazie oder im Lebensmittelsektor. „Mit Tiefkühlpizzen haben wir das System auch schon getestet“, verrät er. Möglich sei damit eine automatische Kontrolle, ob genug Schinken, Champignons und Käse auf der Pizza liegen oder Fremdkörper dazwischen gelandet sind. Noch viele weitere Anwendungsszenarien in denen unsichtbare Probeneigenschaften „sichtbar“ und somit verfügbar gemacht werden, seien darüber hinaus realisierbar.


sk

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