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Forschung 13. November 2018

Glitschig wie ein Regenwurm

Forscher aus Saarbrücken haben ein Material entwickelt, das sich selbst und immer dann mit Schmiermittel versorgt, wenn Druck ausgeübt wird.
Wie beim Regenwurm: Neues atmendes Material schmiert sich bei Bedarf selbst.
Wie beim Regenwurm: Neues atmendes Material schmiert sich bei Bedarf selbst.

Forscher aus Saarbrücken haben ein Material entwickelt, das sich selbst und immer dann mit Schmiermittel versorgt, wenn Druck ausgeübt wird.

Regenwürmer sind immer sauber, selbst wenn sie aus noch so feuchter, klebriger Erde kommen. Das haben sie einer Schmutz abweisenden, gleitfördernden Schmierschicht zu verdanken, die sich auf ihrer Haut immer wieder selbst bildet. Forscher vom INM haben dieses System aus der Natur nun künstlich nachgebaut: Sie entwickelten ein Material mit einer Oberflächenstruktur, die sich selbst und immer dann mit Schmiermittel versorgt, wenn Druck ausgeübt wird. Da das so geschmierte Material reibungsmindernd ist und auch das Aufwachsen von Mikroben verhindert, können sich die Wissenschaftler zahlreiche Anwendungen in der Industrie und Biomedizin vorstellen. Ihre Ergebnisse publizierten die Wissenschaftler vor Kurzem in der Fachzeitschrift Advanced Materials.

Druck gibt Öl frei

Durch Druck wird das Öl freigegeben und verhindert Anhaftungen.
Durch Druck wird das Öl freigegeben und verhindert Anhaftungen.

Die Wissenschaftler entwickelten ein Material aus einem weichen Kunststoff, in dessen Innerem sich Tröpfchen aus Silikonöl als Schmiermittel befinden. „Wenn wir Druck auf das Material geben, verändern die Tröpfchen ihre Form und wandern an die Oberfläche. Das Silikonöl verteilt sich dann gleichmäßig auf der Oberfläche zu einer wasser- und schmutzabweisenden Gleitschicht“, erklärt Jiaxi Cui, Leiter der Forschungsgruppe Schaltbare Mikrofluidik. Verringert sich der Druck, bilden sich die Tröpfchen zurück. Außerdem lässt sich die Gleitschicht auch entfernen und bildet sich immer wieder neu, wenn wieder Druck auf das Material einwirkt. „Es reagiert also dynamisch auf Druck – wie ein ‚atmendes‘ System“, fasst Cui zusammen.

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Wie die Haut eines Regenwurms

Die Oberflächenstruktur des neuen Materials spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: „Auch hierbei haben wir uns vom Regenwurm inspirieren lassen. Seine Hautoberfläche ist nicht glatt, sondern rau. Das haben wir bei unserem Material berücksichtigt und die Oberfläche aufgeraut“, erläutert Cui. Gerade durch diese Rauigkeit könne sich ein gleichmäßiger Schmierfilm ausbilden und gut haften bleiben. Davon hängt ab, wie reibungsmindernd sich das neue Material verhalten kann. „Die Oberflächenstruktur ist aber auch für die Langlebigkeit der Schmierwirkung von Bedeutung: „Wir haben den Gleitfilm auf unseren ‚Regenwurmstrukturen‘ mit einem Gleitfilm auf einer glatten Oberfläche verglichen: Unsere Strukturen überstehen 10.000 Reibungszyklen, während es bei Gleitfilmen auf glatten Strukturen nur 300 Reibungszyklen sind“, sagt der Chemiker Cui. Gerade diese Kombination aus rauer Oberfläche und den Schmiermitteltröpfchen im Inneren sei das Besondere an dem neuen Material.

Erstmals in fester Umgebung

Zwar gibt es schon einige Strukturen, die die Reibung vermindern, darunter auch solche, die der Funktionsweise von Tierhäuten nachempfunden sind. Auch Systeme, die selbst Schmierstoffe freisetzen, sind von Forschern untersucht. Sie alle funktionieren bisher jedoch nur in flüssiger Umgebung.  „Wir stellen erstmals eine Anwendung vor, die die Reibung in fester Umgebung verringert und haben uns dafür vom Regenwurm inspirieren lassen, da er auch durch eine feste Umgebung, Erde, gleitet“, betont Cui. Die Forscher können sich zahlreiche Anwendungen in der Industrie oder Biomedizin vorstellen, nämlich immer dann, wenn ein Gerät reibungslos durch etwas Festes gleiten soll.

pl

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