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Geschäftszahlen 18. August 2022

GKV/Tecpart: Trotz Umsatzrekord kommt keine Freude auf

Die Kunststoff verarbeitende Industrie erreichte zwar im ersten Halbjahr einen Umsatzrekord von knapp 40 Mrd. EUR, dies aber primär aufgrund höherer Kosten.

Michael Weigelt, Geschäftsführer von GKV/TecPart, kann sich nicht über den neuen Umsatzrekord der Kunststoffverarbeiter freuen, denn: „Die deutlich verzögerten und unzureichenden Preisanpassungen treffen auf reduzierte Abnahmen, was für Serienprozesse sämtliche Kalkulationen aus den Fugen he
Michael Weigelt, Geschäftsführer von GKV/TecPart, kann sich nicht über den neuen Umsatzrekord der Kunststoffverarbeiter freuen, denn: „Die deutlich verzögerten und unzureichenden Preisanpassungen treffen auf reduzierte Abnahmen, was für Serienprozesse sämtliche Kalkulationen aus den Fugen hebt“,

Wie der Branchenverband GKV/Tecpart berichtet, ist die Kunststoff verarbeitende Industrie im ersten Halbjahr 2022 um 13,3 % gewachsen und hat damit einen Rekordumsatz von 39,6 Mrd. EUR erreicht. Für GKV/Tecpart aber kein Grund zur Freude, denn Kostensteigerung und Produktionsrückgang belasten das Ergebnis, multiple Krisen den Ausblick.

Umsatzrekord durch Kostensteigerungen getrieben

So wurde die Umsatzsteigerung wesentlich getrieben durch die Kostensteigerungen aus den Bereichen Material, Energie, Transport und Personal. Trotz des Produktionsrückgangs von gut 2 % wurden aber in der Kunststoffverarbeitung mit 324.000 rund oder 1,4 % mehr Menschen beschäftigt als noch zu Jahresbeginn.

Die einzelnen Sparten entwickeln sich dabei sehr unterschiedlich. So führen die Bauprodukte das Quartett der Kunststoffsparten mit 13,7 Mrd. EUR Umsatz und einer Steigerung von 18,1% an, gefolgt von den Technischen Teilen mit 10,2 Mrd. EUR und einem vergleichsweise schwachen Umsatzplus von 6,2 %. Den stärksten Umsatzzuwachs verzeichnen die Kunststoffverpackungen mit einem Plus von 18,6 % auf rund 9,5 Mrd. Euro. Das kleinste Segment, die Kunststoff-Konsumprodukte, wuchs um 8,2 % auf 6,2 Mrd. EUR. Der Exportanteil der Kunststoffprodukte liegt bei knapp 40 % und wuchs um rund 1 %.

Die Steigerungen der Kosten für Transport, Personal, Energie und Material konnten bei den materialintensiven Branchen Bau und Verpackung am besten weiter gegeben werden. Bei den Herstellern von technischen Teilen sieht das Bild anders aus. Allein die Materialkosten stiegen hier nach dem Index „Plastixx TT“ von KI web um 9,6 % seit Anfang des Jahres für technische Kunststoffe, der Umsatz der Sparte jedoch nur um 6,2 %.

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Abnehmer technischer Teile tragen Kostensteigerungen nicht mit

Die Stimmung bei den technischen Teilen ist nach Analyse von GKV/TecPart wenig überraschend besonders belastet. Viele Unternehmen der Zulieferindustrie berichten von der mangelnden Bereitschaft der Abnehmer, die Kostensteigerungen gemeinsam zu tragen, und das bei steigenden Gewinnen auf der Endkundenseite.

„Vielen Kunden ist nicht klar, was hier mit der Zuliefersubstanz derzeit passiert. Die deutlich verzögerten und unzureichenden Preisanpassungen treffen auf reduzierte Abnahmen, was für Serienprozesse sämtliche Kalkulationen aus den Fugen hebt“, so der Branchenexperte Michael Weigelt, Geschäftsführer von GKV/TecPart.

Stromkostenanteil hat sich verdoppelt

Der Stromkostenanteil in den Produktkosten hat sich von einem Korridor von 4 bis 10 % seit Jahresbeginn verdoppelt. Die verstärkte Produktion von Premiumfahrzeugen (+6,2 %) ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach den Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts zu Lasten der volumenstarken, aber margenschwächeren Mittelklasse und Kleinwagen (-16 bis - 21%).

„Wenn dieser Trend der Ergebnisschmälerung nicht gebrochen wird, ist davon auszugehen, dass mit dem Rückzahlungsdruck der Corona-Darlehen im kommenden Jahr einige Unternehmen nicht mehr über die notwendige Liquidität verfügen“, berichtet Weigelt die Sorgen seiner Branche. Und weiter: „Viele Kunststoffverarbeiter aus der Mitgliedschaft ebenso wie aus den Branchen der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (ArGeZ) berichten bereits heute, dass die Warenkreditversicherungen die Limits der Kunden herabsetzen und somit im Falle der liquiditätsfördernden Factoring-Maßnahmen die Mittel nicht mehr vollumfänglich fließen.“

Rückzahlungsmodalitäten der Corona-Kredite strecken

Michael Weigelt appelliert in diesem Umfeld, die Rückzahlungsmodalitäten der Corona-Kredite zu strecken, um die Unternehmen, die vor zwei Jahren mit diesen Geldern gerettet wurden, nicht bei der Rückzahlung zu verlieren. „Es war schließlich nicht davon auszugehen, dass der Coronakrise die Chipkrise mit ihren gestörten Lieferketten und dann der Ukraine-Krieg mit den stark gestiegenen Energie- und Materialkosten die Zulieferbranche in diesem Umfang belasten“.

Zudem fordert die ArGeZ ein effektives und sofortiges politisches Eingreifen, etwa durch die Einführung eines Industriestrompreises. Dies würde zwar nicht alle Probleme lösen, jedoch ist es mittlerweile für viele Klein- und Mittelständler existenziell.

Der Verband GKV/Tecpart hat sich im Juni vom GKV Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. getrennt. Mehr dazu lesen Sie in diesem Beitrag der K-ZEITUNG. gk

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