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CFK 22. März 2022

Gebäude mit Twist – Carbonbeton macht’s möglich

Ein Gebäude mit völlig neuem Material: Beim Cube in Dresden wird statt Bewehrungsstahl Carbonbeton mit in Kunststoff gebundenen Carbonfasern verwendet.
Der sogenannte Cube wird das weltweit erste Gebäude aus Carbonbeton sein. Es ist ein Leuchtturmprojekt des C³ – Carbon Concrete Composite.
Der sogenannte Cube wird das weltweit erste Gebäude aus Carbonbeton sein. Es ist ein Leuchtturmprojekt des C³ – Carbon Concrete Composite.

Ein Gebäude mit völlig neuem Material: Beim Cube in Dresden wird statt Bewehrungsstahl Carbonbeton mit in Kunststoff gebundenen Carbonfasern verwendet.

Anfang Februar war Richtfest in Dresden beim weltweit ersten Carbonbeton-Gebäude, bei dem ausschließlich nichtmetallische Bewehrung, vor allem in Kunststoff gebundene Carbonfasern, eingesetzt wird. „Carbonbeton ist nicht nur der neue ‚Beton ohne Nebenwirkungen‘, sondern Carbonbeton ermöglicht auch neue, freiere Formen und kann dem Bauen einen neuen Schwung geben“, sagt Gunter Henn. Der Architekt ist bekannt in der Baubranche. Er hat zum Beispiel die Gläserne Manufaktur von VW in Dresden oder die neue Covestro-Zentrale in Leverkusen entworfen.

Den Schwung, von dem Henn spricht, ist dabei wörtlich zu nehmen: Das Gebäude besteht im Wesentlichen aus zwei Elementen; nämlich der quaderförmigen Box und zwei sogenannten Twist-Schalen – alles aus Carbonbeton bestehend. Bei den Twist-Elementen handelt es sich um zwei symmetrisch gegenüber angeordnete Schalen, die sich jeweils aus der Wand heraus in ein Dach hinein verdrehen und dadurch gleichzeitig den seitlichen und oberen Raumabschluss bilden. Die Wand geht also gewissermaßen in das Dach über.

Carbonbeton ermöglicht Bauteile in jeder beliebigen Form

Die Twist-Schalen des Cube in Dresden sind hier nach dem Ausschalen zu sehen.
Die Twist-Schalen des Cube in Dresden sind hier nach dem Ausschalen zu sehen.
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Die Twist-Schalen zeigen dabei, dass Carbonbeton dank der Carbonfasergelege in der Kunststoffmatrix fast grenzenlos in jede beliebige Form gebracht werden kann. Und die Box belegt, dass Carbonbeton auch wirtschaftlich herstellbar ist.

„Mit dem Cube haben wir den Grundstein für eine zukünftige Bauweise gelegt. Dabei sind wir mit dem Material Carbonbeton an die Grenzen des Machbaren gegangen. Das Gebäude stellt einen Meilenstein in der Baugeschichte dar und ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass mit Carbonbeton viele neue anspruchsvolle Projekte möglich werden“, sagt Jens Kretzschmar, Projektleiter bei Hentschke Bau. Das Unternehmen baute die beiden Twist-Elemente.

Hochleistungsdämmung stammt von BASF

„Mit dem Bau der Box beweisen wir, dass eine wirtschaftliche und massentaugliche Bauweise mit dem innovativen Material Carbonbeton jetzt schon möglich ist und mit den automatisierten Herstellverfahren können wir den Weg in die breite Anwendung ebnen“, ergänzt Ludwig Pickert, Projektleiter bei Bendl HTS. Die Box besteht aus einem Doppelwandsystem mit 4 cm dünnen carbonbewehrten Betonschalen. Bei dem Beton handelt es sich um eine anthrazitfarbene Mischung, einem sogenannten Sichtbeton. Die Wandstärke der schlanken Konstruktion wurde durch die Hochleistungsdämmung Slentite des Cube-Partnerunternehmens BASF.

German Design Award für Dämmstoff von BASF
Slentite von BASF wurde für exzellentes Produktdesign ausgezeichnet. Der Hochleistungsdämmstoff sei interessant für Architekten und Designer.

„Mit der Box sparen wir bis zu 50 % der herkömmlichen Betonmenge ein. Zudem handelt es sich um eine sehr leichte Konstruktion, die es uns ermöglicht, ressourceneffizient zu bauen“, sagt Professor Manfred Curbach Direktor des Instituts für Massivbau an der TU Dresden, der auch Bauherr des Cube ist. Durch den Einsatz von Carbonbeton ist es nicht nur möglich, sehr viel Material einzusparen, sondern auch den CO2-Ausstoß zu reduzieren und Ressourcen wie Sand, der zunehmend knapp wird, zu schonen.

Verbundforschungsprojekt C³ hat die Entwicklung vorangetrieben

Beton hat Nachteile: Er ist schwer und die traditionellen Stahlarmierungen darin können rosten. Forscher der TU Dresden haben daher eine Alternative entwickelt: Sie ersetzen das Stahlskelett durch nicht rostende Carbonfaser-Netze. Diese sind außerdem leichter und elastischer als herkömmliche Betonplatten.
Beton hat Nachteile: Er ist schwer und die traditionellen Stahlarmierungen darin können rosten. Forscher der TU Dresden haben daher eine Alternative entwickelt: Sie ersetzen das Stahlskelett durch nicht rostende Carbonfaser-Netze. Diese sind außerdem leichter und elastischer als herkömmliche Betonplatten.

Beim Carbonbeton findet der klassische Bewehrungsstahl in Bauwerken aus Beton in mit Kunststoff gebundenen Carbonfasern eine Alternative. Vor allem das Verbundforschungsprojekt „C³ – Carbon Concrete Composite“ – unter der Führung der TU Dresden – hat in den vergangenen Jahren entscheidende Grundlagen für den Einsatz dieses High-Tech-Materials gelegt. Neben der Verarbeitung von Carbon-Bewehrungsmatten, speziellen Zementrezepturen oder den Einsparpotenzialen in verschiedenen Bauteilen, geht es den über 160 beteiligten Firmen und Forschungsinstituten auch um die Nachhaltigkeit.

Fest steht inzwischen, dass sich die nur wenige Millimeter starke Bewehrung effizient einbauen lässt. Deren absolute Korrosionsbeständigkeit sowie auch die geringere notwendige Betonüberdeckung sparen enorme Energiemengen bei der Herstellung – und reduzieren damit CO2-Emissionen sowie Transportkosten.

Viel weniger Beton notwendig, da Carbon nicht rostet

Studierende der HHL Leipzig Graduate School of Management haben in einer Potenzialanalyse im Sommer 2021 das hohe Potenzial von „Carbon Concrete Composite“ aufgezeigt: Demnach kann mit Carbonbeton schöner gebaut werden, weil Bauteile äußerst schlank und flexibel sowie frei formbar entworfen und hergestellt werden können. Außerdem können Bauherren schneller bauen, da hierbei bis zu 50 % Zeiteneinsparung bei der Verstärkung erzielt werden kann. Auch kann effizienter gebaut werden, da zusätzlich und je nach Anwendung bis zu 12 % mehr Nutzungsfläche gewonnen werden kann. Durch die Korrosionsbeständigkeit von Carbon entfällt zudem die zusätzliche Betonschicht, die sonst als Schutz des rostanfälligen Stahls aufgebracht werden muss.

Research Center Carbon Fibers erforscht die gesamte Prozesskette

Dank der Carbonfasergelege in der Kunststoffmatrix lässt sich Carbonbeton in nahezu jede beliebige Form bringen.
Dank der Carbonfasergelege in der Kunststoffmatrix lässt sich Carbonbeton in nahezu jede beliebige Form bringen.

Auch mit dem Recycling befasst sich C³. Forschungsarbeiten zeigen: Beton und Carbon können am Ende der Nutzungsdauer sicher getrennt, separiert sowie wiederverwendet werden. Außerdem kooperiert das Verbundforschungsprojekt mit dem Research Center Carbon Fibers Saxony (RCCF) der TU Dresden. Hier arbeiten Wissenschaftler des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) und des Instituts für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) zusammen, um die durchgängige Prozesskette vom Faserrohstoff bis zum fertigen Bauteil zu entwickeln.

Zu den aktuellen C³-Forschungsprojekten des RCCF gehören zum Beispiel die Entwicklung von Bewehrungsstrukturen und Schlichten für anorganische Beschichtungen. Ziel ist es, für die im Rahmen des C³-Projekts entwickelten Bewehrungstextilien eine deutliche Steigerung der strukturmechanischen Leistungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit im Betonverbund zu erreichen, und zwar auf Basis der Materialpaarung von Carbon mit anorganischen Beschichtungen. Auch entwickelt das RCCF derzeit eine prozessintegrierte Qualitätssicherung für die Fertigung der für den Carbonbeton notwendigen Armierungen.

Cube soll im Herbst 2022 eingeweiht werden

Das Cube geht nach dem Richtfest nun auf die Zielgerade: Im nächsten Schritt erfolgen weitere Arbeiten, zu denen der Einbau der Fensterfronten, der Innenausbau und die Hausanlagentechnik gehören. Diese Tätigkeiten, die Gestaltung des Außenbereiches und das Ausstatten des Gebäudes mit Mobiliar sollen bis zum Sommer andauern. Die Einweihung des Gebäudes ist für September 2022 geplant.

sk

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