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Frugale Automobile? Kaum zu glauben

Der neueste postulierte Trend: Das Automobil wird frugal. Frugale Nachhaltigkeit nennt dies Timo Achtelik, Werkstoff-Experte bei Volkswagen. Wirklich?
Matthias Gutbrod, Redakteur der K-ZEITUNG

Der neueste postulierte Trend: Das Automobil wird frugal. Frugale Nachhaltigkeit nennt dies Timo Achtelik, Werkstoff-Experte bei Volkswagen. Wirklich?

Frugale Nachhaltigkeit beim Automobilbau soll den Individualverkehr grüner machen – wenn es nach einigen Akuteren aus dem Elfenbeinturm geht. Nachhaltigkeit beim Auto? Gar Frugalität? Ein Realitätscheck macht ungläubig.

Automobile verbrauchen Energie, beanspruchen Fläche, belasten Luft und Klima, erzeugen Feinstaub und Lärm. Autoreifen tragen durch Gummiabrieb Mikroplastik in Böden und Gewässer. Nicht zu vergessen der erhebliche Ressourcenverbrauch schon bei ihrer Produktion.

Eine neue Studie zeigt: Die Kosten, die die Gesellschaft für die verursachten Schäden trägt, liegen bei rund 5.000 Euro pro Auto und Jahr. In Deutschland wird ein Auto durchschnittlich 18 Jahre gefahren, macht gesamtgesellschaftliche Kosten von rund 90.000 EUR pro Auto. Müssten die Schadensverursacher, also die Autohalter, diese Kosten selbst tragen, könnten sich viele ein eigenes Auto nicht leisten.

Seit Jahren spricht die Branche daher über Nachhaltigkeit, um die Probleme abzumildern. E-Mobilität und Leichtbau sollen Emissionen reduzieren, Rezyklate oder biobasierte Werkstoffe endliche Ressourcen schonen. Design for Recycling soll bereits bei der Entwicklung neuer Modelle die Wiederverwertung ganzer Baugruppen berücksichtigen.

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Frugalität – ein neuer Trend im Automobilbau?

Ein ganz neuer Trend aus dem Elfenbeinturm sind jetzt frugale Innovationen. Frugal heißt genügsam sein. Alles Überflüssige wird weglassen, kein Over-Engineering mehr – auch beim Werkstoffeinsatz. Timo Achtelik, Experte für Werkstofftechnik bei Volkswagen, sprach im Mai gegenüber der Fachpresse von frugaler Nachhaltigkeit im Automobilbau. Für Hersteller technischer Kunststoffe keine gute Nachricht. Wo bislang ein hochwertiges Polyamid zum Einsatz kam, soll künftig ein Polypropylen reichen.

Doch verlässt man vom Elfenbeinturm in die Realität auf deutschen Straßen, sieht man ein gänzlich anderes Bild: Der Anteile reiner E-Autos bei den Neuzulassungen im April 2022 lag bei nur 12,3 % - und das trotz üppiger Subventionen. Das Durchschnittsgewicht der Fahrzeuge nimmt – Stichwort SUV – von Jahr zu Jahr zu. Und nach Frugalität im Auto kann man lange suchen – viele „überflüssige“ Features, die weit über die Kernfunktion eines Personentransports von A nach B hinausgehen, gehören zur Standardausstattung. Und es werden immer mehr.

Design for Recycling schön und gut, doch still gelegte Autos gehen ja nicht zum Hersteller zurück, der dann aus einer Türverkleidung wieder eine Türverkleidung macht – nein, die Autos werden im besten Falle auf einem Schrottplatz zu Klumpen, deren Kunststoffanteil verbrannt wird. Und viele deutsche Autos sterben ihren Tod völlig unkontrolliert und ohne jede Rücksicht auf die Umwelt in Afrika.

Frugale E-Autos auf den Straßen? Kaum zu glauben Vielleicht ändert sich das tatsächlich einmal. Allein der Glaube daran fehlt. Man stelle sich vor, dass frugale E-Auto auf den Straßen führen – leichtgewichtig, im Design fürs Recycling optimiert, gebaut aus Biokunstsoffen und Rezyklaten. Diese Autos wären zwar immer noch nicht die Leuchttürme einer nachhaltigen Mobilität, aber die Schäden, die sie anrichten, wären deutlich reduziert und wohl auch für auf die auf dem Asphalt klebende „letzte Generation“ noch akzeptabel.

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