Eine riesige Menge Müll treibt heute in unseren Ozeanen. 75 % davon sind aus Kunststoff und haben zwei Ursachen: So tragen Flüsse Kunststoffabfälle vom Land in die Meere – eine Erkenntnis, aus der sich gezielt Gegenmaßnahmen entwickeln lassen. Der Großteil des Kunststoffs hingegen stammt aus verloren gegangener Fangausrüstung der kommerziellen Fischerei, was bisher kaum ins öffentliche Bewusstsein drang. Hier gestaltet sich ein Vorgehen auch deutlich schwieriger.
Professioneller Fischfang – die Hauptquelle des Mülls im Meer
Wie viele andere Branchen schätzt auch die Fischerei die positiven Eigenschaften von Kunststoffen – vor allem das leichte Handling sowie die höhere Haltbarkeit und Zuverlässigkeit gegenüber natürlichen Materialien. Auf Fang in den Ozeanen gehen täglich rund 4,6 Mio. Fischerboote, was auch zu Materialverlusten führt: Der WWF schätzt, dass 40 bis 50 % des Plastikmülls allein aus verloren gegangenen Fischereigeräten stammen – Seile, Leinen, Bojen, Körbe, Eimer, Angelschnüre, Netze. Pro Jahr kommen vermutlich über 1 Mio. t hinzu.
Aufmerksam wurde man auf das Phänomen bei Untersuchungen des größten Müllstrudels der Welt im Nordpazifik zwischen Hawaii und Kalifornien – dem Great Pacific Garbage Patch (GPGP). Überraschendes Ergebnis: Hauptbestanteil des Plastikmülls waren mit rund 70 % tatsächlich Ausrüstungsgegenstände der Fischerei, davon 46 % Geisternetze mit einem Gewicht von insgesamt etwa 705.000 t.
Über 75 % des Kunststoffs im Meer stammt aus der Hochseefischerei
Aktuelle Studien bestätigen nicht nur den Befund, sondern erhöhen die Zahlen noch: Laut einer Analyse der Umweltinitiative „The Ocean Cleanup“, bekannt als Müllfänger im Meer, stammen sogar zwischen 75 und 86 % des Kunststoffabfalls im GPGP aus der Hochseefischerei.
Wie kann das passieren? Bei Fangarbeiten, Stürmen oder Unfällen geht Equipment über Bord. Auch Stell- oder Schleppnetze reißen ab und treiben fortan als „Geisternetze“ herrenlos durch die Ozeane oder verfangen sich am Boden, an Gesteinen, Riffen oder Wracks.
Geisternetze sind schwer zu finden und schwierig zu bergen
Geisternetze zu bergen, ist aufwändig, da sie zunächst aufgespürt werden müssen. Hierfür wird neuerdings Sonar eingesetzt, zudem will man Netze mit GPS-Trackern ausrüsten. Die Hebung ist Handarbeit, oft sitzen die Netze fest und müssen mühsam befreit werden. Auch ihr robuster Materialmix bedarf eines intensiven Recyclings. Länder, Forschungseinrichtungen, Umweltorganisationen und Fischereibetriebe sind sich mittlerweile der Bedeutung des Themas bewusst und leiten bereits Gegenmaßnahmen ein.
Flüsse sind effektive Transportwege – auch für Müll
Der zweite Grund, weshalb Kunststoffabfälle in die Meere gelangen, ist ebenfalls genau auszumachen: Untersuchungen belegen, dass sich die weltweite Müllzufuhr vom Land in die Ozeane hauptsächlich auf die zehn größten Wasserstraßen aus Asien und Afrika eingrenzen lässt. Diese zehn Flüsse allein spülen pro Jahr 12 Mio. t Kunststoffabfall in die maritimen Gewässer. Allen voran der Jangtsekiang, gefolgt von Indus, Huangho, Nil, Ganges bis zu Niger und Mekong. Eine Folge des rasanten Wirtschaftswachstums in diesen Regionen, mit dessen Dynamik die Entwicklung der Müllbeseitigung bis heute nicht Schritt halten kann.
Zwischenzeitlich wird hier aber aktiv investiert – für den Ausbau einer geordneten Entsorgung und effektiven Weiterverwertung des Abfalls. Wie zum Beispiel dessen Verbrennung zur Energiegewinnung in entsprechend ausgestatteten Kraftwerken. So ist dem Müll beizukommen, was auch die Verschmutzung der Meere verbessert.
Abfangsystem für Plastikmüll in Flüssen
Ein weiterer Ansatz verspricht ebenfalls Abhilfe: Da sich der weltweite Mülltransfer zu Wasser vor allem auf die genannten zehn Flüsse konzentriert, eröffnet sich die Möglichkeit, mit lokalen Maßnahmen dagegen vorzugehen. Wie es auch hier „The Ocean Cleanup“ tut: Die Organisation hat ein neues Abfangsystem für den Einsatz in Flüssen entwickelt. Der „Ocean Cleanup Interceptor“, ein solarbetriebenes, 24 m langes Boot mit Siebvorrichtung und Container, soll bis zu 50 t Müll pro Tag aus den fließenden Gewässern filtern – bevor sie in die Ozeane gelangen. Ein Engagement, das Schule machen könnte. gk