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Composites 8. Juli 2019

Extremer Leichtbau für die Raumfahrt

Der Markt für immer leichtere Satelliten wächst. In einem Interview erläutert Claude Maack, Gradel, wohin die Reise beim Ultra-Leichtbau geht.
Ultra-Leitchtbau für die Luft- und Raumfahrt: Welche Werkstoffe und welche Produktionsprozesse prägen die Zukunft?
Ultra-Leitchtbau für die Luft- und Raumfahrt: Welche Werkstoffe und welche Produktionsprozesse prägen die Zukunft?

Der Markt für immer leichtere Satelliten wächst. In einem Interview erläutert Claude Maack, Gradel, wohin die Reise beim Ultra-Leichtbau geht.

Claude Maack, Geschäftsführer beim Raumfahrt-Zulieferer Grade.
Claude Maack, Geschäftsführer beim Raumfahrt-Zulieferer Grade.

Die Raumfahrt treibt als Innovationsmotor viele Disziplinen zu neuen Höchstleistungen. Auch in Sachen Leichtbau, der zum Ultra-Leichtbau wird. Claude Maack, Geschäftsführer beim luxemburgischen Raumfahrt-Zulieferer Grade, spricht über die hohen Anforderungen an die Materialien. Wie sich der Markt für Leichtbau-Materialien in der Raumfahrt entwickelt, wird das Unternehmen auch auf dem Lightweight Technologies Forum vom 10. bis 12. September in Stuttgart präsentieren.

Herr Maack, Ultra-Leichtbau ist eine Schlüsseltechnologie in der Raumfahrt. Was treibt den Leichtbau gerade jetzt noch weiter voran?

Claude Maack:

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Leichtbau wird in der Raumfahrt immer im Fokus stehen, denn hier kostet Gewicht viel Geld: Aktuell liegen die Kosten für jedes Kilogramm Gewicht, dass in den Weltraum befördert wird, bei rund 7.000 US-Dollar. Der Leichtbau trägt dazu bei, die Nutzlast (Payload) einer Rakete zu erhöhen. Somit lassen sich pro Start mehr Satelliten ins All bringen. Zudem lassen sich Treibstoff und damit Kosten einsparen. Aber Leichtbau in der Luft- und Raumfahrt ist ein langer Weg.

Warum? Was bremst auf dem Weg zu leichteren Raketen und Satelliten?

Maack:

Die Raumfahrt ist geprägt von der Risiko-Minimierung. Das heißt, lange Simulations- und Testreihen. Die größte Herausforderung ist es, die Kunden wie z.B. Satelliten-Betreiber davon zu überzeugen, eine neue Technologie einzusetzen. Auch wenn wir alle nötigen Qualifizierungen vorwiesen können, gibt es ja noch keine praktischen Erfahrungen. Wir müssen die Kunden also davon überzeugen, dass die Leichtbau-Technologien sicher sind und die Wertschöpfung so groß, dass sich die Investitionen lohnen. Gefragt ist Leichtbau zu bezahlbaren Preisen.

Produkte von Gradel kommen in vielen Weltraumprogrammen zum Einsatz. In welchen Bereichen sehen Sie noch Potenzial für den Leichtbau?

Maack:

Einen großen Markt sehe ich bei mittleren und kleinen Satelliten, aber auch den Nano-Satelliten, die künftig im Verbund die Telekommunikation oder Internetanbindungen auf der Erde abdecken sollen. Der Bedarf an solchen Satelliten wird wachsen.

Welche besonderen Anforderungen gibt es an Materialien in der Raumfahrt?

Maack:

Bei einem Satelliten sind sämtliche Bauteile extremen Bedingungen ausgesetzt. Bereits beim Raketenstart müssen sie hohen Beschleunigungskräften standhalten. Im Weltall geht die Belastung weiter: Hier müssen alle Materialien vor allem der Strahlenbelastung widerstehen – und das über eine Lebensdauer von durchschnittlich 15 Jahren. Dazu kommen die hohen Temperaturunterschiede zwischen -185 °C und +200 °C – alle paar Stunden im Wechsel von einem zum anderen Extrem. Das absolute Vakuum im All verlangt den Werkstoffen ebenfalls viel ab, weil eine Ausgasung der Materialien unbedingt verhindert werden muss.

Welche Technologien sehen Sie ganz vorne, wenn es um noch leichtere Bauteile geht?

Maack:

Auf jeden Fall Faserverbundwerkstoffe. Bei der Technologie haben wir uns für eine dreidimensionale Wickeltechnik entschieden. „xFK in 3D“ ist eine Entwicklung unseres Partners AMC. Dabei werden Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe dreidimensional und geometrisch frei gewickelt. Mit keiner Technologie kann mach derzeit leichter bauen.

Warum haben Sie sich gerade für diese Technologie entschieden?

Maack:

In der Raumfahrt sind kleine Stückzahlen gefragt, oft auch nur Prototypen. Das Wickelverfahren „xFK in 3D“ ist eine konkurrenzfähige Alternative zum 3-D-Druck, die äußerst belastbar ist. Bauteile müssen neben geringem Gewicht eine hohe Steifigkeit aufweisen – beides hat Einfluss auf das Gesamtkonzept von Satelliten. Unsere xFK-Bauteile werden momentan qualifiziert, dazu beziehen wir die die Europäische Weltraumorganisation ESA mit ein. Im Anschluss folgen Tests mit thermischen Lastzyklen. Sind die erfolgreich, werden wir die ersten Strukturen bauen.

Welche Bedeutung spielt die Digitalisierung bei der Entwicklung?

Maack:

Wir arbeiten in einer geschlossenen digitalen Prozesskette. So können wir den Kunden vorab zeigen, was das fertige Bauteil leisten kann, den Einsatz simulieren und nachweisen, dass wir die Technologie beherrschen.

Werden die vielen Satelliten nach ihrem Lebensende nicht irgendwann als Weltraumschrott zum Problem werden?

Maack:

Auch hier kann der Leichtbau eine Lösung sein: Wenn ausgediente Satelliten zum kontrollierten Absturz gebracht werden, können Objekte mit geringer Masse beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre restlos verglühen.

Wie glauben Sie, wird sich der Markt für Raumfahrt-Produkte mittelfristig entwickeln?

Maack:

Ich denke, der Markt wird unter großen Kostendruck geraten. Firmen wir SpaceX werfen derzeit die bisherigen Strukturen über den Haufen. Die Raumfahrt-Industrie wird zudem immer schnelllebiger. Satelliten und ihre technischen Einsatzmöglichkeiten müssen heute flexibler sein. Früher hat ein Satellit 15 Jahre lang dieselbe Funktion erfüllt, heute muss er in der Lage sein, bereits nach 6 Monaten neuen Aufgaben zu übernehmen. Die OEMs müssen sich also neu positionieren.

Gemeinsam mit AMC führen Sie derzeit eine Studie zur Zukunft des Leichtbaus in der Raumfahrt durch, die Sie im September auf dem Lightweight Technologies Forum in Stuttgart vorstellen werden. Was ist das Ziel der Studie?

Maack:

Der Raumfahrt-Markt wird wachsen. Uns interessiert, welches Potential der integrative, systemische Leichtbau hat und welche Werkstoffe dafür die richtigen sind. Dazu wollen wir einen Überblick über den aktuellen Stand über den Markt und die Technologien schaffen.

mg

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