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News 4. August 2017

Erdbeben beim Kunststoff-Recycling

Der Grüne Punkt, Belland Vision und Interseroh haben die Clearing-Verträge gekündigt. Die drei Unternehmen wollen mit neuen Verträgen die Initiative zur Sicherung der Produktverantwortung ergreifen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Zur Begründung heißt es, einzelne Systeme seien ihren Verpflichtungen wiederholt nicht nachgekommen. Neue Clearing-Verträge sollen den fairen Wettbewerb und Übergang zum Verpackungsgesetz sicherstellen.
Michael Wiener, CEO der Duales System Holding
Michael Wiener, CEO der Duales System Holding

Der Grüne Punkt, Belland Vision und Interseroh haben die Clearing-Verträge gekündigt. Die drei Unternehmen wollen mit neuen Verträgen die Initiative zur Sicherung der Produktverantwortung ergreifen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Zur Begründung heißt es, einzelne Systeme seien ihren Verpflichtungen wiederholt nicht nachgekommen. Neue Clearing-Verträge sollen den fairen Wettbewerb und Übergang zum Verpackungsgesetz sicherstellen.

Die von den dualen Systemen an ihre Clearingstelle gemeldeten Lizenzmengen für Glas, Papier, Pappe und Karton sowie für Leichtverpackungen liegen laut Grüner Punkt für das Jahr 2016 zum wiederholten Male und deutlicher als bislang befürchtet unter den Zahlen der DIHK-Hinterlegungsstelle.

Die Differenz belaufe sich auf rund 210.000 t. Dies entspricht einem Schaden von bis zu 60 Mio. EUR. Damit habe sich bestätigt, dass einige Marktteilnehmer ihren Pflichten auch weiterhin nicht nachkommen oder gezielt Schlupflöcher nutzen. Anscheinend rechnen einzelne Systembetreiber ihre Marktanteile klein, um einen möglichst geringen Teil der Kosten für die Sammlung und Verwertung der Verpackungen tragen zu müssen, vermutet der Grüne Punkt. Sie melden wohl beispielsweise duale Verpackungsmengen nicht an die Clearingstelle oder deklarieren sie um. Trotzdem kassieren sie aber Lizenzentgelte von Herstellern oder Handelsunternehmen. Durch dieses Verhalten verschaffen sie sich einen unzulässigen Kostenvorteil zu Lasten ehrlicher Wettbewerber und deren Kunden, kritisiert das Unternehmen.

Dazu erklärte Michael Wiener, CEO des Grünen Punkts: "Wie die jüngst bekannt gewordenen Zahlen zeigen, haben die dreisten Tricksereien einzelner dualer Systeme im Jahr 2016 erneut stattgefunden. Sowohl die Appelle aus Wirtschaft und Politik als auch die Regelungen der Länder werden hier in unverantwortlicher Weise ignoriert. Offensichtlich wird von Einzelnen der Versuch unternommen, die Übergangsphase bis zum Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes im Jahr 2019 nochmals kräftig auszunutzen. Auf dieser Basis ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Clearingstelle der dualen Systeme nicht mehr möglich."

Der Grüne Punkt, die Belland Vision und Interseroh, die eigenen Angaben zufolge gemeinsam einen Marktanteil von knapp 65 % erzielen, haben aus diesem Grund die aktuellen Verträge mit den Mitgliedern der Clearingstelle gekündigt und gemeinsam neue sichere und effizientere Clearing-Verträge erarbeitet und gezeichnet. Die ordentliche Kündigung wird zum 31. Dezember 2017 wirksam. Die neuen Clearing-Verträge ermöglichen ab 2018 fairen Wettbewerb und regeln die notwendigen Übergänge, bis das Verpackungsgesetz in Kraft tritt und die Zentrale Stelle ihre Arbeit aufnimmt. Diese Verträge sollen sicherstellen, dass Verpackungen vollständig gemeldet und abgerechnet werden.

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"Wir dürfen nicht zulassen, dass einige Wenige das etablierte und auch international vorbildliche duale System beschädigen und auf Kosten der vielen seriösen Unternehmen, aber auch zu Lasten der Umwelt und der Verbraucher profitieren", ist sich Wiener mit den Geschäftsführern der beiden anderen dualen Systeme einig.

Jedes duale System kann seine Altverträge ebenfalls noch bis 31. August 2017 kündigen und den neuen Clearingverträgen beitreten. Mit dieser Maßnahme werden Mengensicherheit, fairer Wettbewerb und der saubere Übergang in die Regelungen des Verpackungsgesetzes sichergestellt. Am 1. Januar 2019 tritt das Verpackungsgesetz in Kraft. Mit dem Gesetz wird eine Zentrale Stelle eingerichtet, die Marktteilnehmer kontrolliert und überwacht. Experten erwarten durch die neue Rechtsgrundlage eine deutlich erhöhte Disziplin im System und eine Stärkung des Vollzuges. Die Zentrale Stelle wird bereits die Mengenmeldungen für das Jahr 2018 prüfen und bei Unregelmäßigkeiten aktiv werden.

Hintergrund

Seit 1991 sind in Deutschland Industrie und Handel durch die Verpackungsverordnung rechtlich verpflichtet, die Rücknahme und Verwertung der durch sie produzierten und verkauften Verpackungen durch Beteiligung an einem dualen System sicherzustellen.

Heute besteht das duale System für die Sammlung und Verwertung von Verpackungen aus insgesamt zehn Systembetreibern. Bei diesen lizenzieren Hersteller und Handel die von ihnen in Umlauf gebrachten Verpackungen. Das Beteiligungsentgelt ist abhängig von Material und Gewicht der verwendeten Verpackungsmaterialien. Im Gegenzug für diese Lizenzgebühr organisiert und finanziert der Systembetreiber die Entsorgung und Verwertung der Verpackungen.

Duale Systembetreiber sind verpflichtet, die bei ihnen beteiligten Verpackungsmengen an die sogenannte Clearingstelle zur Kostenbeteiligung und an den DIHK zu melden. Hersteller und Handel melden die von ihnen in Umlauf gebrachten Verpackungen an eine Hinterlegungsstelle des DIHK. Die Behörden prüfen nur die DIHK-Meldungen. Bislang fehlt die Behördenprüfung bzw. der Abgleich der System-Meldungen an Clearingstelle und DIHK.

Mit dem Verpackungsgesetz, das am 1. Januar 2019 in Kraft tritt, wird das System vereinfacht: Alle Marktteilnehmer (Systeme und Inverkehrbringer) sind ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, ihre Verpackungsmengen bei der neu entstehenden Zentralen Stelle zu melden, damit dort in einer Hand umfassend alle Daten geprüft und abgeglichen werden können.

pl

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