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Elastomerformteile: lieber spritzgießen oder pressen?

Elastomerformteile lassen sich zwar gut im Spritzguss fertigen, aber bei einigen Bauteilen haben Kompressionsformen und Transfer Moulding klare Vorteile.

Auf Pressen gefertigte Elastomerformteile (von links nach rechts, obere Reihe): Absperrventile für Erdöl- oder Erdgasbohrung, Gummimembran, (untere Reihe) Simmerringe, O-Ring, Kupplung aus einer Gummi-Metallverbindung mit einem Durchmesser von 2 m.

Zwar ist das Spritzgießen als Verfahren zur Fertigung von Elastomerteilen in großen Stückzahlen etabliert, daneben gibt es aber eine Reihe von Elastomerformteilen, die sich besser mittels Kompressionsformen oder Transfer Moulding produzieren lassen. Steve Büchner, Vertriebsingenieur bei Wickert Maschinenbau aus Landau/Pfalz, einem der weltweit führenden Anbieter von Elastomerpressen, zählt hierzu insbesondere Mikro- und Präzisionsteile, dünnwandige und großvolumige Bauteile sowie Reinraum-Pharmaprodukte.

Häufig sind die Fertigungsprozesse komplex und einzigartig, daher werden die Pressensysteme stets kundenindividuell konstruiert. Meist werden sie für eine vollautomatisierte Fertigung ausgelegt. Neben Konzept- und Machbarkeitsstudien übernimmt Wickert in der Regel neben der Gesamtplanung inklusive Automatisierung die Generalunternehmerschaft, die die Peripherie einschließt.

Compression Moulding für große Formate und filigrane Teile

Büchners Aussagen zufolge werden zum einen großformatige Formteile aus Silikon- oder Zellkautschuk durch Kompressionsformen gefertigt. Bei dünnwandigen Teilen und filigranen Produkten wie Membranen mit Gewebeeinlagen bietet das Compression Moulding (CM) den Vorteil, dass mit ihm eine absolut homogene Vulkanisation, größte Maßhaltigkeit und höchste Oberflächengüten gelingen.

Solche pharmazeutischen Stopfen und Kolben aus Elastomeren werden in riesigen Stückzahlen auf Pressen von Wickert gefertigt.
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Pharmazeutische Produkte wie Kolbenspritzteile und Verschlusstopfen sowie hochwertige O-Ringe nennt der Produktingenieur als Beispiele, die sich mit dem Verfahren in Großserien von mehreren Milliarden Stück automatisiert und gratfrei fertigen lassen. Teile, in die zusätzliche Metall- oder Gewebeeinsätze integriert werden, wie Membrane für die Industrie, werden in mehrteiligen Werkzeugen ebenfalls durch Kompressionsformen hergestellt. „Hersteller von Keilriemen, verstärkten Gummiketten und Handläufen für Rolltreppen nutzen eine besondere Ausprägung von Kompressionspressen für ihre Fertigung, das Continuous Compression Moulding (CCM)“, ergänzt Büchner.

Transfer Moulding bei großen Volumina und sehr vielen Kavitäten

Neben dem Kompressionspressen kommen bei der Großserienfertigung kleiner und kleinster Präzisionsteile regelmäßig auch Pressen für das Transfer Moulding (TM) zum Einsatz. Eine Variante hiervon ist das Injection Transfer Moulding (ITM), bei dem plastifizierter Kautschuk über ein Spritzaggregat in die obere Formhälfte, den Transfertopf, injiziert wird.

Es sind vor allem zwei Anwendungen, bei denen das Transfer Moulding sinnvoll ist, erklärt Steve Büchner: „Wenn Großteile mit besonders hohen Volumina hergestellt werden sollen oder in den Kavitäten der Werkzeuge hohe Innendrücke benötigt werden.“

Zum Tragen kommt, dass die Artikel bei Transferformen mittels direkter Anspritzung und damit hohem Nestinnendruck gefertigt werden können. Auch Großteile, die mit hohen Einspritzvolumina von bis zu 150 dm³ unter einem möglichst gleichmäßigen Druck von bis zu 1.000 bar verarbeitet werden, können auf Transferpressen wirtschaftlich hergestellt werden.

„Wir haben einen Kunden, der auf einer Wickert-Presse mehrere hundert Kilogramm schwere Kupplungen mit einem Durchmesser von bis zu 2 Metern aus einer Gummi-Metallverbindung mit 150 kg Gummimasse produziert. Hier werden die hochwertigen Teile über kurze Angusskanäle mit sehr engen Toleranzen prozesssicher gefertigt“, berichtet der Vertriebsingenieur.

Vakuum bei hochwertigen Präzisionsteilen Standard

Bei der Verarbeitung von Elastomeren in Pressen rät er zur Fertigung unter Vakuum. In der Vakuumkammer werden qualitätsmindernde Lufteinschlüsse vermieden, außerdem lasse sich so die Zykluszeit senken. Dazu Büchner: „Bei hochwertigen Präzisionsteilen ist das Vakuum Standard.“

Daneben hängt der Erfolg der Prozesse stark von einer hohen Temperaturhomogenität in der Form ab, weshalb Wickert-Pressen meist mit elektrisch arbeitenden Heizplatten ausgestattet sind, die über bis zu neu einzeln regulierbare Zonen verfügen. Entscheidend ist zudem die Präzision hinsichtlich der Platten-Ebenheit und der Planparallelität, die eine Anlage unter Volllast erreicht: Mit Toleranzen von 0,05 mm bei einer Plattengröße von 700 x 700 mm und 0,2 mm bei 3.300 x 3.600 mm zählen die Pressen aus Landau zu den genauesten Modellen weltweit.

Effizient dank Automatisierung

Welcher Grad der Automatisierung für die jeweilige Anwendung sinnvoll ist, ist im Einzelfall zu klären. Wickert bietet zum einen Einzelmaßnahmen wie den vollautomatischen Trennmittelauftrag, die Beschickung und Entnahme von Teilen mittels Roboter und das Schnellrüsten der Formen mit Hilfe von Magnetspannplatten an. Ebenso sind eine Teilautomatisierung mit einem kompletten Werkzeughandling und eine vollautomatische Fertigung möglich.

Weltweiter Leistungsführer für die Elastomerverarbeitung

Elastomerpressen fertigt Wickert seit mehr als 70 Jahren. Alle Maschinen und Anlagen sind modular aufgebaut, mit Presskräften zwischen 20 und 100.000 kN verfügbar und werden jeweils kundenspezifisch konstruiert und gefertigt.

Außer zur Fertigung von Elastomerformteilen werden die Pressen aus der Südpfalz auch zur Verarbeitung von Composites sowie zahlreichen anderen Kunststoff- und Pulvermaterialien eingesetzt. Das breite Produktspektrum reicht von pharmazeutischen Verschlussstopfen über Sicherheitsteile in KFZ-Bremsanlagen, Komponenten für die E-Mobilität bis hin zu Bipolarplatten für Brennstoffzellen. Vielfach sind die Pressen in Laboren und Forschungseinrichtungen im Einsatz.

Ende 2022 ist bei Wickert übrigens mit Stephanie Wickert die vierte Generation in die Geschäftsführung eingetreten. Gleichzeitig wechselte Hans-Joachim Wickert nach 46 Jahren Geschäftsführung in den Beirat. gk

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