Dr. Marco Thornagel, Gründer und Geschäftsführer von Tech2know: „E-Learning kann auch helfen, das Wissen der vorhandenen Mitarbeiter besser zu nutzen.“
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Dr. Marco Thornagel, Gründer und Geschäftsführer von Tech2know: „E-Learning kann auch helfen, das Wissen der vorhandenen Mitarbeiter besser zu nutzen.“

Unternehmen

E-Learning – die neue Form der Weiterbildung

Interview mit Dr. Marco Thornagel, Gründer und Geschäftsführer von Tech2know: Warum E-Learning gegenüber traditionellen Weiterbildungen klare Vorteile hat.

Die Arbeitswelt wird flexibler, individueller, nachhaltiger – auch in der Weiterbildung. Wir sprachen mit Dr. Marco Thornagel, Gründer und Geschäftsführer des auf E-Learning für die Kunststoffbranche spezialisierten Unternehmens Tech2know, über die Vorteile von E-Learning für Mitarbeiter und Unternehmen.

Herr Thornagel, ihre Begeisterung für das E-Learning war so groß, dass Sie sich vor einigen Jahren zum Schritt in die Selbstständigkeit und zur Gründung von Tech2know entschlossen haben. Was kann denn E-Learning besser als traditionelle Weiterbildungskonzepte?

Dr. Marco Thornagel: E-Learning hat auf verschiedensten Ebenen gigantische Vorteile. Wir wissen ja alle, wie Weiterbildung funktioniert. Bestes Beispiel ist der Führerschein. Da wird man auch nicht einfach irgendwo hingesetzt und tagelang mit Input „gefüttert“ und bekommt dann einen Führerschein. Beim Führerschein erhält man zuerst einen Theorieinput, und zwar heute meist über Apps, damit man nicht abends immer wieder zur Fahrschule fahren muss.

Später wird man dann ins Auto gesetzt und muss unter Aufsicht aktiv alles erlernen, was man zum Autofahren braucht, und erst dann wird man auf die Allgemeinheit losgelassen. Aber dabei fährt man ja nicht drei Tage am Stück. Man fährt mal eine Stunde, oder auch mal zwei und dann ist wieder eine längere Pause. Also ich kann mich noch gut an meine erste Fahrstunde erinnern. Nach einer Stunde hat es mir echt gereicht.

Doch wie laufen heute viele Weiterbildungsveranstaltungen ab? Die Teilnehmer sitzen von morgens 8:00 Uhr bis abends 17:00 Uhr in einem Raum, dazwischen sind zwei oder drei Pausen und ein nettes Mittagessen. Und spätestens nach dem Essen schalten dann viele ab und nehmen gar nichts mehr auf.

Von dem vielen Input, den die Teilnehmer bekommen, nehmen sie quasi nichts mit nach Hause – und das ist wissenschaftlich bewiesen. Professor Ebbinghaus, der Begründer der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit Didaktik und Lehre, hat schon vor 140 Jahren in Studien wissenschaftlich belegt, dass man bei einem Weiterbildungsimpuls nach zwei Tagen ungefähr 40 % vergessen hat und dass nach zwei Wochen nur noch 20 % des neu erworbenen Wissens erhalten sind. Und trotzdem betreiben heute noch viele Unternehmen genauso Weiterbildung.

Das ist weder zeitgemäß noch effizient und geht an der Didaktik vorbei. Und es ist zeitlich überhaupt nicht flexibel, weil man sich nach irgendeinem Terminkalender richten muss. Und wenn man Pech hat, ist der nächste Termin erst in sechs Monaten.

Und das kann E-Learning besser?

Thornagel: Auf jeden Fall. Das aktuelle Weiterbildungssystem hat massive Defizite, die wir eigentlich sogar alle kennen. Ich habe deshalb nach Möglichkeiten gesucht, Weiterbildung anders – besser – zu machen und mich dabei intensiv mit der E-Learning Branche auseinandergesetzt. Schnell habe ich verstanden, dass die E-Learning-Branche keine junge Branche mehr ist, sondern es dort seit 25 Jahren praktische Erfahrungen gibt. Es gibt es also nicht nur ausgereifte Softwaretools, die man nutzen kann. Es gibt auch Best Practice Erfahrungen, wie man E-Learning-Kurse aufbauen muss, damit sie von den lernenden Personen akzeptiert werden.

Es gibt alle möglichen Tools, die man nutzen kann, und es gibt auch das Know-how, wie man einen E-Learning-Kurs sinnvoll aufbaut, damit er didaktisch funktioniert. Es war nur die Frage welche Kombination dieser Tools für die Kunststoffbranche effizient und praktikabel ist, um den Mitarbeitern und Unternehmen die Reisen und den ganzen anderen Aufwand – und damit enorme Kosten zu sparen. So flexibilisiert sich Weiterbildung in enormer Art und Weise. Mit E-Learning kann man Mitarbeitende genau dann einen Kurs machen lassen, wenn Bedarf ist, also nicht in drei Monaten, sondern sofort. Und wenn nach einer Stunde der Kopf voll ist, macht man eine Pause und führt sein Tagesgeschäft fort.

Man kann E-Learning-Kurse sehr gut ins Tagesgeschäft integrieren, denn man muss nicht irgendwo hinfahren oder sich irgendwie die ganze Zeit freihalten. Die Kurse werden ganz normal in den Tag eingeplant, zum Beispiel zwei Tage pro Woche jeweils eine Stunde und das über ein paar Wochen gestreckt. Der Teilnehmer wiederholt dabei die Themen immer wieder über einen längeren Zeitraum – das ist didaktisch wertvoll und schafft gleichzeitig Flexibilität im Tagesgeschäft. Die E-Learning-Kurse lassen sich sogar mit Schichtarbeit kombinieren, was mit klassischer Weiterbildung immer sehr schwierig ist.

Die Wiederholung der Lerninhalte ist dabei in die Software integriert?

Thornagel: Genau. Zum einen werden kompliziertere Themen im Kurs immer in medial unterschiedlicher Form mehrfach behandelt. Wenn so ein Themengebiet behandelt ist, folgt immer ein kleiner Fragebogen als eine Art Quiz, bei dem man zu dem Themengebiet verschiedene Fragen beantworten muss. Der Teilnehmer erhält damit sofort ein Feedback, ob er das Thema verstanden hat oder nicht. Und wenn er merkt, dass er etwas nicht verstanden hat, erhält er sofort den Impuls, sich das Thema nochmals anzusehen und zu wiederholen. Im Zweifelsfall kann er uns auch jederzeit über die Lernplattform Fragen stellen.

Wie kann man sich denn so ein E-Learning-Kurs praktisch vorstellen? Wird dazu ein Referent gefilmt, der die Dinge vorträgt oder muss man sich am Bildschirm die Inhalte durchlesen?

Thornagel: Beides. In der E-Learning-Sprache sind unsere Kurse „web-based trainings“. Die Kurse sind browserbasiert und lassen sich mit jedem Endgerät jederzeit bearbeiten. Die Inhalte werden dabei in einem medialen Mix dargestellt, also je nach Thema als Text, Bilder, Animationen oder mit interaktiven Elementen. Teilweise arbeiten wir auch mit spielerischen Elementen. In dem Kurs passiert nichts, ohne dass man selbst eine gewisse Aktivität entfalten muss. Diese Interaktivität ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Das ist auch eines der wichtigsten Kriterien, damit ein E-Learning akzeptiert wird und funktioniert.

Alle komplexeren Sachverhalte werden immer als Erklärvideo dargestellt, bei denen eine reale Person spricht. Wir versuchen, diese Videos möglichst kurz zu halten, so drei, fünf oder sieben Minuten. Das Ansehen dieser Videos ist natürlich eine Zeit, wo der Lerner oder die Lernende eher passiv sind und zuhören. Deswegen versuchen wir, dies möglichst kurz zu halten. Danach folgen meistens ein paar Fragen, mit denen die Teilnehmer angeregt werden, über die Inhalte des Videos nachzudenken.

Wir setzen bei unseren Kursen bewusst auf einen Wechsel von unterschiedlichsten Medien. Und dadurch, dass bei den Videos eine reale Person spricht, entsteht sogar eine Art von persönlicher Beziehung zwischen denjenigen, die lernen, und der Person, die im Video redet. Von unseren Kunden haben wir schon das Feedback erhalten, dass dies gut funktioniert.

Drehen sich die Themen von Tech2know eigentlich ausschließlich um Kunststoff?

Thornagel: Wir verstehen uns primär als E-Learning-Agentur mit Kunststoffkompetenzen. Ich fasse unseren Fokus aber gerne etwas weiter, auf Themen mit technischem Bezug. Für die Kunststoffindustrie und angrenzende Bereiche wie den Werkzeugbau haben wir auch schon zu sehr speziellen Themen E-Learnings erstellt. Wir würden jetzt aber keine E-Learnings für Vertriebsschulungen erstellen, das können andere besser als wir.

Erhalten Sie Ihre Aufträge eher von Firmen, die eine bestimmte Technologie erklären wollen, oder geht es mit um allgemeines Kunststoffwissen, das den Mitarbeitern vermittelt werden soll?

Thornagel: Auch hier gilt wieder: Beides. Wir entwickeln einerseits eigenen Content, den wir in Kurse gießen. Zum Beispiel zum Spritzgießen. Diese Kurse gibt es auf unserer Homepage, wo man sie einfach buchen kann. Mit diesen Kursen gehen wir in Vorleistung. Wir hören dazu unseren Kunden genau zu, verstehen den Weiterbildungsbedarf und entwickeln passende E-Learnings.

Für große Unternehmen mit einem hohen Bedarf stellen wir diese Kurse auch den Unternehmen für deren eigene, interne Lernplattform zur Verfügung. Die Unternehmen bezahlen dann nicht mehr einzelne Kurse, sondern eine jährliche Miete.

Das andere ist ein klassisches Agenturgeschäft. Manche Unternehmen möchten ihre Mitarbeiter mit Spezial-Know-how ausbilden, wollen Kurse für das Onboarding oder wollen Kunden online zu speziellen Themen schulen. Dann entwickeln wir im Kundenauftrag entsprechende E-Learnings. Meist sind das keine großen Kurse, sondern eher kleine Einheiten mit ein paar Erklärvideos zu einem bestimmten Thema – speziell und exklusiv für ein Unternehmen.

Die Kunststoffbranche leidet massiv unter dem Fachkräftemangel. Kann E-Learning auch hier helfen?

Thornagel: Wir haben gerade in letzter Zeit viele Gespräche mit großen Unternehmen geführt, die über einen Mangel an Fachkräftemangel klagen. Diese Unternehmen haben ihre Zentrale hier in Mitteleuropa, betreiben aber weltweite Vertriebsnetze und auch die Anwendungstechniker sind weltweit unterwegs. Diese Unternehmen versuchen nun, auch in den verschiedenen Regionen neue Mitarbeiter zu rekrutieren, haben aber das Problem, dass die Mitarbeiter in anderen Ländern nicht auf dem Wissensstand sind, den sie brauchen, um ihre Kunden zu bedienen.

Diese Unternehmen reagieren gerade sehr positiv auf unsere Kurse. Denn mit unseren E-Learnings müssen die eigenen Mitarbeiter nicht mehr durch die ganze Welt reisen, sondern erhalten das nötige Wissen online an ihrem Arbeitsplatz. So werden zum Beispiel mehrere dieser Unternehmen künftig unsere E-Learnings für das Onboarding neuer Mitarbeiter nutzen. Aber auch kleine Unternehmen oder Mittelständler in Deutschland setzen auf Quereinsteiger und profitieren von Onboarding-E-Learnings.

Gibt es denn einen neuen Ansatz für das E-Learning, auf den Sie für die Zukunft besondere Hoffnungen setzen?

Thornagel: E-Learning kann auch helfen, das Wissen der vorhandenen Mitarbeiter besser zu nutzen. Einen neuen Ansatz in dieser Beziehung verfolgen wir bei den Unternehmen, mit denen wir in den Markt gestartet sind – den mittelständischen Spritzgussverarbeitern. Problem in diesen Betrieben ist oft, dass die Mitarbeiter in der Produktion unterschiedliche Wissensstände haben. Diese Unternehmen wollen jetzt in den Gruppen das Wissen-Niveau angleichen und anheben und zusätzlich eine bessere Kommunikation innerhalb der Gruppe initiieren. Damit soll ein interner Verbesserungsprozess starten, aus dem letztendlich neue Innovationen entstehen.

Das ist ein wunderbarer Prozess, den man sehr gut mit einem E-Learning starten und begleiten kann. Wir haben jetzt schon mehrere solcher Projekte erfolgreich durchgeführt. Dazu teilen wir die Mitarbeitenden in kleine Gruppen auf. Alle bearbeiten eines unserer E-Learning-Module. Dann treffen wir uns regelmäßig – zum Beispiel alle zwei Wochen – in Präsenz oder virtuell, diskutieren über die Inhalte, die Gruppen lösen Aufgaben und gemeinsam stellen wir den Bezug zum Tagesgeschäft her. Dabei klären wir auftretende Fragen und sorgen dafür, dass die Inhalte direkt in Anwendung kommen. Das nennen wir Hybride Weiterbildung.

Die Resonanz auf dieses Konzept ist sehr positiv und ich habe den Eindruck, dass diese neue, hochflexible Form der Weiterbildung spürbaren Mehrwert in die Unternehmen bringt. Es ist nicht mehr so, dass einer auf eine Schulung geht und mit lauter neuen Ideen zurückkommt, die dann an einzelnen Befindlichkeiten scheitern. Im gemeinsamen Erarbeiten lassen sich neue Lösungen viel besser erkennen und umsetzen.