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Automation 21. Juli 2020

Diese Roboterzelle hat alles im Griff

Umspritzte Metallteile zielgenau handhaben: Die VL Robotix GmbH verwandelt eine Fanuc Roboshot Spritzgießmaschine in eine leistungsfähige Roboterzelle.
Um die Form beim Schließen zu schützen, gibt es bei der Fanuc Roboshot eine KI-Funktion. Sie warnt außerdem vor Verschleiß an Form und Auswerferstiften.
Um die Form beim Schließen zu schützen, gibt es bei der Fanuc Roboshot eine KI-Funktion. Sie warnt außerdem vor Verschleiß an Form und Auswerferstiften.

Umspritzte Metallteile zielgenau handhaben: Die VL Robotix GmbH verwandelt eine Fanuc Roboshot Spritzgießmaschine in eine leistungsfähige Roboterzelle.

Wie eine Roboshot Spritzgießmaschine von Fanuc mit den entsprechenden Automatisierungskomponenten zur flexiblen Roboterzelle umfunktioniert wird, zeigt das folgende Beispiel aus der Praxis: Doch zunächst stand für einen Kunststoff-Verarbeiter folgende Frage im Raum: Hat die nächste Spritzgießmaschine einen hydraulischen oder elektrischen Antrieb? Gleiches Werkzeug, gleicher Werkstoff, gleicher Zyklus – die Ausgangsbedingungen beim Vergleichstest entsprechender Maschinen waren identisch.

Die strukturierte Herangehensweise bei der Maschinenauswahl brachte ein eindeutiges Ergebnis: Die Robotshot Spritzgießmaschine von Fanuc verbrauchte nur noch ein Drittel der Energie. Als Referenz dienten hier die bis dahin eingesetzten hydraulischen Maschinen. Dem Verarbeiter bleibt die Erkenntnis: „Die Einsparung macht die Mehrkosten schnell wett, vor allem bei hohen Auslastungen im Dauerbetrieb.“

Energiewerte auf einen Blick bietet der in der Roboshot integrierte Energiemonitor – es müssen keine externen Messgeräte angeschlossen werden. „Erstbemusterungen liefern nun auch gleich präzise Daten bezüglich Energieaufwand mit“.

Dort automatisieren, wo es Sinn macht

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Die vollelektrische Roboshot setzte sich in einem umfangreichen Maschinenvergleich durch und überzeugte vor allem durch Präzision und geringen Energieverbrauch.
Die vollelektrische Roboshot setzte sich in einem umfangreichen Maschinenvergleich durch und überzeugte vor allem durch Präzision und geringen Energieverbrauch.

Der Grund, warum man sich letztendlich für die Fanuc-Maschinen entschied, war simpel: Ziel des Verarbeiters war es, sich weiterzuentwickeln. Teile manuell einzulegen war bereits Stand der Technik. Mit steigenden Stückzahlen kommt jedoch die Frage auf: Kann man das nicht auch automatisieren?

Die Antwort darauf: Man kann. Stückzahlen jenseits der 200.000 rechtfertigen eine Automation. In der neuen Zelle startete man zunächst mit nur einem Produkt. Weniger als ein Jahr nach dem Start, ist die Maschine ausgelastet und läuft im Mehrschichtbetrieb. Der Vorteil des  Einstiegs mit einem Artikel liegt auf der Hand: Man kann schon einmal Erfahrungen sammeln und potenziellen Kunden Referenzen und Muster zeigen. Es dauerte also nicht lange, bis die ersten Folgeaufträge akquiriert waren. Auf der von VL Robotix GmbH realisierten Zelle laufen insgesamt fünf unterschiedliche Artikel. Karl Vlahek, Geschäftsführer VL Robotix GmbH: „Mit einem Artikel hätte der Kunde die Maschine bzw. die Zelle nicht ausgelastet.“

Für den Verarbeiter ist die Robotertechnik ebenso wie der gesamte Maschinenpark in erster Linie Mittel zum Zweck. Die Technologie ist aber immer auch Teil des Firmenimages: „Wenn Kunden oder potenzielle Kunden zu uns kommen, sehen sie leistungsfähige Anlagen. Deswegen wollen wir unser Fertigungsportfolio auch immer herzeigen“, heißt es aus der Chefetage des Verarbeiters. Nun gehört also auch die Roboterzelle dazu.

Mit Roboterhilfe ab ins Werkzeug

In der Zelle positioniert ein 6-Achs-Roboter von Fanuc die jeweiligen Einlegeteile punktgenau im Spritzgießwerkzeug. So werden beispielsweise kleine Kugellager und Hülsen umspritzt; die fertigen Bauteile werden in einer Bohrmaschine von Festool eingesetzt. Ein weiteres Beispiel sind Kunststoff-Knebel mit integrierter Metallschraube, welche in Stihl-Geräten verbaut werden.

Zunächst wird das Zuführsystem, ein Vibrationsförderer, mit ausreichend vielen Buchsen, Stiften, Schrauben oder Kugellagern gefüllt. Bei Prozessstart werden die Teile mit dem Rüttler vereinzelt und von einem 2D-Visionsystem detektiert. Die Lageinformationen werden dann an den Roboter weitergegeben. Dieser nimmt die Teile mit seinem Greifer auf und legt sie in das Werkzeug der Spritzgießmaschine ein. Während des Spritzgießens puffert der Roboter weitere Teile in einer Pufferstation. Von dort nimmt er sie dann für jeden neuen Spritzzyklus auf. Fertige Teile werden auf einem Förderband abgelegt oder kommen als Schüttgut in einen Behälter.

Kombiniert wurden in der Zelle die vollelektrische Spritzießmaschine Roboshot α-S50iA und ein LR Mate Roboter 200iD/7L. Bei Letzterem handelt es sich um die Langarmversion mit 7 kg Traglast und einer Reichweite von 911 mm. Die komplette Zuführtechnik mit Kamerasystem wird vom Fanuc-Roboter gesteuert. Spritzgießmaschine und Roboter kommunizieren über eine integrierte fanuc-eigene digitale Schnittstelle. Diese bildet gegenüber der üblichen Euromap 67 Schnittstelle gleich mehrere Funktionen ab. Die Anlage lässt sich von der Spritzgießmaschine aus starten, stoppen und entstören. Somit können auch angelernte Bediener ohne Programmierkenntnisse die Produktion aufrechterhalten.

Die besonders bedienungsfreundliche Oberfläche der Zellensteuerung ist das Know-how von Karl Vlahek. Pfiffiges Detail der VL Robotix-Lösung: Auf einer freien Seite der Bedieneinheit lassen sich Parameter, die häufig gebraucht und geändert werden müssen, konzentriert zusammenstellen.

Intelligente Roboterzelle: Mithilfe eines 2D-Visionsystems erkennt der LR Mate die exakte Lage der Teile, die in die Spritzgießform eingelegt werden.
Intelligente Roboterzelle: Mithilfe eines 2D-Visionsystems erkennt der LR Mate die exakte Lage der Teile, die in die Spritzgießform eingelegt werden.

Roboterzelle lässt sich modular erweitern

Diese Zelle kann modular erweitert werden. So ließe sich beispielsweise auch eine automatisierte Stichprobennahme realisieren. SPC-Teile werden manuell aus einer Schublade entnommen. „Dieser Schritt lässt sich mit einfachen Mitteln automatisieren. Er muss aber auch wirtschaftlich darstellbar sein. Die Zelle insgesamt ist vor allem aufgrund der unterschiedlichen Teile, die produziert werden, ganz sicher eine Vorzeigeanlage“, erklärt Vlahek.

Um die Qualität produzierter Teile zu gewährleisten, werden in erster Linie Maschinendaten genutzt. Da die Roboshot ohnehin Parameter wie Temperaturen, Drücke oder Geschwindigkeiten protokolliert, lassen sich diese Werte direkt für die Prozessüberwachung verwenden. Fehlerhafte reine Kunststoffteile landen im recycelbaren Abfall, während fertig umspritzte, aber fehlerhafte Teile im Restmüll landen. Durch den Automatismus ist ausgeschlossen, dass Metallteile in Kunststoffmühlen gelangen.

Künstliche Intelligenz unterstützt den Anwender

Die Expertise von Fanuc im Bereich CNC Steuerungstechnik zeigt sich auch bei den Zusatzfunktionen der Roboshot Spritzgießmaschine. Die künstliche Intelligenz („AI“ Artificial Intelligence) unterstützt den Anwender durch einfachstes Setup komplexer Regelfunktionen. Wie das funktioniert, erklärt Daniel Armbruster, Roboshot Vertriebsexperte bei Fanuc Deutschland: „Die Funktion ‚AI Präzises Dosieren‘ kompensiert wechselndes Schließverhalten sowie schleichenden Verschleißgrad der mechanischen Rückstromsperre, indem die Maschine den Rückfluss misst, das Dosiervolumen mit dem Sollwert vergleicht und den Umschaltpunkt für jeden einzelnen Schuss anpasst. Somit ist sichergestellt, dass die Kavitäten immer gleichmäßig gefüllt werden.“ Der Vorteil für den Verarbeiter liegt auf der Hand: Höhere Teilegewichtskonstanz und stabilere Prozesse. Dabei sind keine Profi-Kenntnisse notwendig. Die Funktion wird optional aktiviert. Alles Weitere übernimmt die KI.

Eine weitere Funktion der Roboshot ist der AI Formschutz. Daniel Armbruster erläutert, was es damit auf sich hat: „Unser Formschutz misst die Antriebskraft der Schließeinheit und stoppt die Formbewegung im Falle einer Kollision oder Toleranzabweichung um Schäden zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Gleichzeitig warnt diese Überwachung frühzeitig vor Verschleiß an Form- und Auswerferstiften.“ Das senkt Wartungskosten oder verhindert Kostenaufwand von Formreparaturen. So funktioniert es: In den ersten fünf Zyklen wird die notwendige Kraft des Werkzeug-Schließens gemessen und als Referenzkurve gespeichert. Auftretende Abweichungen dazu führen zum Zyklusalarm. Die Sensibilität kann vom Bediener beliebig festgelegt werden. Der Clou: Auch die Auswerfer-Bewegung wird damit überwacht. Schwergängige Auswerfer-Pakete oder gelockerte Auswerfer-Stangen werden erkannt, bevor ein Schaden entsteht. Stillstandszeiten können damit verringert werden.

Räumliche Nähe als Grundvoraussetzung

Um das Projekt umzusetzen, hatte Fanuc mögliche Systempartner vorgeschlagen. Der Verarbeiter hat sich letztlich für die VL Robotix GmbH entschieden. Ausschlaggebend waren die Referenzen des Integrators, der bereits mehrere Spritzgießmaschinen automatisiert hat. Auch die räumliche Nähe war Voraussetzung - das klingt trivial, ist aber bei der Umsetzung eines Projektes wie der Roboshot-Zelle „unwahrscheinlich hilfreich“. Sowohl für das Beschaffen als auch für die Inbetriebnahme und vor allem für den Betriebsalltag sei es hilfreich gewesen, dass die Schnittstellenproblematik eben keine gewesen sei.

„Da alle zentralen Komponenten von Fanuc kommen und wir eine solche Zelle aus einer Hand liefern, sind alle Maschinen und Baugruppen aufeinander abgestimmt“, betont Vlahek. Das entlastet im Betriebsalltag, denn die zu produzierenden Teile sind technisch durchaus anspruchsvoll und erfordern Produktionsequipment auf dem neuesten Stand. Die Roboshot von Fanuc passt gut zum Ziel des Verarbeiters, die Energiekosten deutlich zu reduzieren. Seit Einführung des Energiemanagements wurde die Transparenz in dem entscheidenden Kostenfaktor „Energieverbrauch“ deutlich verbessert. Auf Basis konkreter Zahlen konnten relevante Prozesse optimiert werden. Die Roboshot hat maßgeblich dazu beigetragen.

db

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