Neue Lösungen für das Kunststoffrecycling standen auf dem Programm des zweiten Recompound-Kongresses, zu dem der Forschungsverbund ZWT e.V. an der Privaten Hochschule für Wirtschaft und Technik (PHWT) Vechta/Diepholz eigeladen hatte. Denn was bei der PET-Kunststoffflasche inzwischen erfolgreich funktioniert, klappt bei anderen Kunststoffprodukten schlecht bis gar nicht: Die Wiederverwertung von Kunststoffen ist nach wie vor eine große Herausforderung, wie beim Kongress deutlich wurde. Hinzu kommen aktuell gesetzliche Anforderungen an das Kunststoffrecycling, bei denen Anspruch und Wirklichkeit teils weit von einender entfernt seien, wie Referenten der Veranstaltung berichteten.
Anhand verschiedener Kunststoffprodukte und möglicher Wiederverwertungsverfahren zeichneten sie ein Bild der aktuellen Situation und zeigten auf, wo es mangelt und welche Lösungsansätze vorstellbar sind.
Design for Recycling muss mehr in die Köpfe
Für Prof. Dr. Carsten Bye, Geschäftsführer Forschungsverbund ZWT, muss das Design for Recycling mehr in die Köpfe. Das habe sich auch bei einem Kongresstag mit über 300 Schülern gezeigt, die zum einen erstaunt gewesen seien, wie groß das Potential noch sei, aber zugleich angetan gewesen seien von den Möglichkeiten, die jeder auch eigenverantwortlich wahrnehmen müsse. Es gehe nämlich nicht nur um Strategien des Recycelns, sondern zuallererst auch um das Vermeiden.
Das machten auch die Referenten klar. Wenn das Design von Kunststoffprodukten von vornherein auf Wiederverwertung ausgelegt sei, dann gäbe es nicht so große Probleme. Bereits bei der Entwicklung von Kunststoffprodukten müsse deren Wiederverwertung in den Blick genommen werden. Bye machte das am Beispiel eines Joghurtbechers deutlich: Der Plastikbecher aus Polypropylen sei zusätzlich mit einer Polyesterfolie versehen sowie mit zwei Alufolien. Das sei ein Worst Case des Designs for Recycling. Hier müsse dringend etwas geschehen, um Becher von Anfang an für das Recycling zu produzieren.
Recyclinggranulat nachhaltig produzieren
Die Neuproduktion aus Rohstoffen sei zwar nach wie vor kostengünstiger, sagte auch Martin Burwinkel, Geschäftsführer der Firma Burwinkel Kunststoffwerk GmbH und 1. Vorsitzender des Forschungsverbunds ZWT, doch das sei künftig nicht mehr verantwortbar. Recyclinggranulat sei die Zukunft, doch es müssten Wege gefunden werden, dieses auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu produzieren. Da liege zurzeit noch vieles im Argen.
Nach Überzeugung der Referenten sei auch der Gesetzgeber eher etwas orientierungslos. Statt realistische Vorgaben für das recycelbare Design zu machen, stelle er Verordnungen auf, die auf Grundlage der aktuellen Situation nicht einzuhalten seien.
Frank Stammer vom Branchenverband Tecpart erläuterte, dass es zwar eine „Ökodesign-Verordnung“ gebe, die aber nicht konsequent durchdacht und zudem sehr ambitioniert sei. Zu dieser gehörten unter anderem eine Verpackungsabfallverordnung, Altfahrzeugverordnung, eine Elektronikabfallverordnung und eine Bauprodukteverordnung und es kämen immer mehr Verordnungen hinzu. Das sei für die Kunststoffindustrie eine große Herausforderung, denn in die „Ökodesign-Verordnung“ würden immer mehr Stoffe aufgenommen, die die Kunststoffindustrie tangierten.
Stammer machte das unter anderem an der Altfahrzeugverwertung deutlich, die verlange, alle Kunststoffteile auszubauen, zu recyceln und sie für Neufahrzeuge zu verwerten. Fakt sei, dass künftig mehr Recyclate benötigt würden, da in E-Fahrzeugen deutlich mehr Kunststoff stecke. Es werde einen Kampf um die Recyclate geben, auch weil andere Produzenten, wie zum Beispiel die Verpackungshersteller, diese ebenso benötigten.
Vorträge zu den verschiedenen Wegen zum Kunststoffrecycling
Die Referenten stellten im Rahmen des Kongresses auch verschiedene Recyclingwege vor. So sprach Dr. Dirk Textor, Dr. Textor Kunststoff GmbH, über das mechanische Recycling. Ein Problem sei der vorgesehene „Closed Loop“, also, dass ein Joghurtbecher auch wieder zu einem Joghurtbecher werden müsse. Diese in sich geschlossenen Kreisläufe funktionierten aus Textors Sicht nicht. Er erläuterte das am Beispiel der Gummibärchentüte: Sie bestehe aus zwei Folien mit zwei Schichten. Daraus exakt wieder Neuware herzustellen sei kaum möglich. Da es sich um zwei verschiedene Polypropylen-Folien handele, seien nicht jeweils wieder exakt zwei Folien zum Wiederverwerten herauszubekommen. Deshalb sei es absolut Science Fiction, dass eine Haribotüte wieder zur Haribotüte werde.
Auch Lebensmittelverpackungen aus Papier würden nie wieder zu Lebensmittelverpackungen aus Papier. Warum das beim Kunststoff allerdings so sein müsse, sei nicht zu verstehen. Beim Kunststoff werde das Kreislaufthema rauf und runter diskutiert, beim Papier spreche da kein Mensch drüber, so Textor.
Wie Textor weiter ausführte, habe die Kunststoff-Recyclingfähigkeit auch mit dem Preis zu tun. Wenn etwas zwar recyclingfähig sei, aber dieses keiner wolle, führe das nicht weiter. Textor spricht daher lieber von Kreislauffähigkeit. Er wies zudem darauf hin, dass nicht lückenlos nachweisbar sei, dass in einem Produkt Recyclate enthalten seien. Dennoch machte er Hoffnung: Es sei immer wieder faszinierend, was aus dem „stinkenden Haufen Kunststoff“ werde, den man in den Recyclinganlagen verarbeite.
Drei unterschiedliche Verfahren zum Kunststoffrecycling
Dr. Elmar Pöselt, BASF Polyurethanes GmbH, brachte den Zuhörern die verschiedene Kunststoffarten und die jeweils unterschiedlichen Recyclingtechniken näher. Für die Verwertung von Kunststoffen gebe es drei bedeutende Verfahren. Zum einen das mechanische Kunststoffrecycling zu Granulat, auch werkstoffliches Recycling genannt. Das rohstoffliche Recycling beschreibt die Auftrennung der einzelnen Kunststoffe in ihre Einzelteile mittels Pyrolyse. Das dritte Verfahren ist die thermische Verwertung von Kunststoff. Diese Methode ist zur Rückführung von Kunststoffabfällen gedacht, die nicht zu Mahlgütern oder Granulaten verwertet werden können.
Dieses Spannungsfeld wurde auch in der Podiumsdiskussion aufgegriffen. Hier ging es um das mechanische Recycling versus das chemische Recycling und wo der Weg beider hinführt. Was das mechanische Recycling nicht fasse, müsse über das chemische aufgefangen werden, war man sich einig.
Wie Frank Stammer betonte, würden immer größere Mengen an Recyclaten benötigt. Auch müsse die Effizienz des Kunststoffrecyclings gesteigert werden. Außerdem gebe es sehr dezidierte Anforderungen an die Inputströme. „Wir brauchen jedes Mal ein Stoffstrommangement.“ Es gebe aber auch viele Abfallströme, die über das mechanische Recycling nicht zu heben seien. Diese machten einen großen Anteil der Kunststoffabfälle aus. Daher müsse man sich stärker auch auf diese konzentrieren. Es müsse zudem geprüft werden, ob die sehr hohen Anforderungen an die Stoffe gesenkt werden könnten, um besser aufgestellt zu sein.
Automobilindustrie sollte auch ihre eigenen Produkte recyceln
Ein Zuhörer kritisierte, dass Hersteller ihr eigenes Polyprophylen gar nicht recycelten, sondern Recyclate zukauften. Es müsse aber selbstverständlich werden, dass Hersteller sich zunächst einmal um das Recycling ihrer eigenen Produkte kümmerten, das sei der richtige Weg. Gerade die Automobilindustrie sei hier gefordert.
Interessanter Teil des Kongressprogramms war auch die Nachhaltigkeitsbewertung von Kunststoffrecycling durch Prof. Endres, IKK-Hannover. Anschließend gab es praktische Beispiele zum Kunststoffrecycling bei der Nachhaltigkeitsbewertung durch Dipl.-Ing. Frank. Budde, Akro-Plastic. Es folgte dann das Nachhaltigkeitskonzept der Firma Miele (Frank Dobbertin, Dr. Tatjana Dänzer).
Ganz konkret wurde es dann bei Kurzvorträgen aus der Region: Das Konzept Pöppelmann blue stellte Frank Schockemöhle, Bereichsleitung Technologiemanagement bei Pöppelmann Kunststoff-Technik, vor. PCR-Kunststoff mit Lebensmittelzulassung hieß das Thema von Ellen Seyda, Circular Economy Manager bei Berry CPI. Und Tobias Eichhorst, E-Bike Advanced Technologies, präsentierte einen Fahrradrahmen aus Recyclingkunststoff.
Im Rahmen einer Ausstellung präsentierten sich zudem Mitgliedsunternehmen des Forschungsverbundes ZWT e.V. Dieser offene Verein von Unternehmen der regionalen und überregionalen Kunststoffbranche zählt mittlerweile 44 Mitgliedsunternehmen.
Viele neue Erkenntnisse und neue Blickwinkel
Die Tagung hat viele neue Erkenntnisse gebracht und neue Blickwinkel geöffnet, bilanzierte Prof. Dr. Bye. Sie habe zudem den Austausch in der Branche gefördert und sei als ein wichtiger Meilenstein der Arbeit des Forschungsverbundes ZWT zu bewerten. Dabei blickte Bye auch auf den Kongresstag, an dem sich 300 Schüler über Kunststoff-Recycling informiert haben: Es gab interessante Versuche, Aktionen, Spiele sowie Diskussionen mit den Unternehmensvertretern zum verantwortlichen Umgang mit Kunststoff. Geboten wurden spannende Experimente mit Kunststoff. Schüler konnten zudem selber Kunststoff verarbeiten und neue Bauteile an einer Spritzgussmaschine gießen.
Vorgestellt wurden auch Projekte in der Region, zum Beispiel Müll sammeln aus dem Fluss, am Strand oder im Wald. Jeder erfuhr, wie er sich selbst für das Kunststoffrecycling einsetzen kann. Die Teilnehmenden erlebten zudem, wie durch Recyclingprozesse Recompounds von Kunststoffabfällen entstehen. Um ein wirklich qualitativ hochwertiges Substitut zu Neuware zu erhalten, müssen die Reinigungs- und Recyclingprozesse allerdings mit äußerster Sorgfalt durchgeführt werden. Eine spannende Herausforderung, auf die es beim Infotag Antworten gab. Prof. Dr. Carsten Bye: „Wir wollten über Kunststoff aufklären, denn Kunststoff ist mehr als nur die Flasche am Strand.“ Das sei erfolgreich gelungen. „Wir freuen uns auf die nächste Veranstaltung.“ gk