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Den passenden Biokunststoff finden

Bruch des Scharniers? Minderwertige Optik? Das muss bei Biokunststoffen nicht sein. Ein Projekt mit einer Brotdose zeigt, wie es geht.
Brotdose Klickbox von Buchsteiner aus niederviskosem biobasiertem Polyethylen

Bruch des Scharniers? Minderwertige Optik? Das muss bei Biokunststoffen nicht sein. Ein Projekt mit einer Brotdose zeigt, wie es geht.

Die Klickbox, eine Brotdose von Buchsteiner, wirbt mit Attributen wie formschön, solide, langlebig, hochwertig und zuverlässig. Die meisten dieser Attribute waren bisher das Ausschlusskriterium für die Verwendung von Biokunststoffen.

"Doch am Markt zeigt sich ein neuer Trend: Von Verbrauchern werden zunehmend nachhaltigere Verpackungslösungen auch im privaten Haushalt gesucht. Leicht, praktisch, aber 'bio' und besonders dort, wo es um den direkten Kontakt zu Lebensmitteln geht, wäre es auch für uns ein Fortschritt, könnten wir biobasierte Kunststoffe einsetzen", meint Produktionsleiter Andreas Metzler.

Die ersten Bemühungen des Unternehmens, auf ein biobasiertes Material umzusteigen, führten allerdings zu wenig zufriedenstellenden Produkten, die den Qualitätsansprüchen nicht entsprachen. Getestet wurde das Material an einer Brotdose, deren Deckel nach wenigen Malen des Auf- und Zuklappens am Scharnier brach. "Doch wir ließen uns nicht demotivieren und blieben weiter auf der Suche nach dem passenden Material. Richtig fündig wurden wir letztlich erst durch die Unterstützung des IFBB."

Auf der Suche nach dem richtigen Biokunststoff

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Im Rahmen eines Verbundprojektes recherchierte das IFBB (Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe an der Hochschule Hannover) zunächst infrage kommende Materialien. Dabei waren die wesentlichen Anforderungen an das Polymer die Bruch-, Kratz- und Spülmaschinenfestigkeit. Am Ende fiel die Wahl auf eine hochviskose- und eine niederviskose Bio-Polyethylen-Type. Nach ersten Abmusterungen stellte sich heraus, dass nur die fließfähigere Type die rheologischen Anforderungen des Werkzeugs erfüllen konnte. Diese ließ sich sehr gut verspritzen und die Nachteile gegenüber dem bisher verwendeten Polypropylen (PP) hinsichtlich der geringeren Kratzfestigkeit konnten ausgeräumt werden.

Zukünftig eine "Bio-Brotdose"

Neben den Ingenieuren am IFBB freut sich auch Andreas Metzler: "Das Produkt erfüllt auf den ersten Blick alle gewünschten Anforderungen und ich freue mich, dass es zukünftig biobasiert sein wird. Für uns machen die Materialeigenschaften die leichten Kostennachteile in jedem Fall wett und sicherlich wird sich an den etwas höheren Preisen bei steigender Nachfrage auch bald etwas ändern. Ich sehe auch für weitere Produkte aus unserem Sortiment gute Chancen, diese zukünftig aus biobasierten Kunststoffen herzustellen."

Das Material besitzt bereits die Lebensmittelzulassung, nun muss diese nur noch für das Endprodukt erfolgen und der Verbraucher wird zukünftig eine "Bio-Brotdose" erwerben können, ohne qualitative Abstriche machen zu müssen.

Vorteile von Biokunststoffen

Biobasierte Kunststoffe, wie dieses Bio-PE, die vollständig oder zu großen Anteilen aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, ersetzen Erdöl und tragen somit zu einer nachhaltigen Ressourcenwende bei. Die Entsorgung von Bio-PE kann gemeinsam mit anderem Verpackungsmüll wie ein herkömmliches PE über den Gelben Sack erfolgen. Gelangt es in die thermische Entsorgung, also Müllverbrennung, erfolgt diese in den meisten Fällen CO2-neutral, weshalb das Bio-PE gegenüber konventionellen Kunststoffen umweltfreundlicher sein kann.

Auf die Daten kommt es an

Im Forschungsprojekt "Biokunststoffe verarbeiten", gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), wurden beim IFBB – ähnlich wie an diesem Beispiel dargestellt – noch weitaus mehr Daten für viele weitere Biokunststoffe und unterschiedlichste Kunststoffverarbeitungsverfahren erarbeitet, allesamt bedeutsam für die Praxis der Kunststoffverarbeiter und in einem Materialdatacenter frei zugänglich.

Wissensstand zur Verarbeitung von Biokunststoffen, Stand 2018

Dieses Projekt war eines der ersten durch das BMEL geförderten, das nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Forschung forcierte, sondern diese als Voraussetzung für das Gelingen machte. Insbesondere in der zweiten Projektphase standen die Fragestellungen kleiner und mittelständischer Unternehmen und ein entsprechender Technologietransfer im Mittelpunkt der Arbeiten des Verbundes. Gemeinsam mit anderen Partnern wurden marktgängige biobasierte Kunststoffe in verschiedensten Verarbeitungsprozessen unter die Lupe genommen. Ziel war immer, die für den Verarbeiter relevanten Parameter genau zu definieren, um ihm so eine problemlose Verarbeitung zu ermöglichen.

Die nebenstehende Tabelle schafft einen guten Überblick über den Stand des Wissens zur Verarbeitung von Biokunststoffen. Viele Lücken wurden während des Projektes mit Daten gefüllt, die zunächst erarbeitet und dann aufbereitet wurden, um sie öffentlich zur Verfügung stellen zu können (grün gekennzeichnet).

Viele Felder blieben weiß. Dies signalisiert, dass hier noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Damit die Materialien von den Verarbeitern problemlos eingesetzt werden können, müssen zukünftig die Hersteller neuartiger Biokunststoffe die Verarbeitungsparameter umfassend bereitstellen.

mg

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