Das erste Serien-E-Bike aus der Spritzgießmaschine
Mit dem ersten in Serie gefertigten spritzgegossenen Fahrradrahmen aus Kunststoff setzt das Nuvelos-E-Bike von Rehau nicht nur beim Design neue Akzente.
Fahrradrahmen aus Kunststoff bestanden bisher aus Carbon, wurden in aufwendiger Handarbeit gefertigt und waren damit sehr teuren Exemplaren für den Rennsport oder für solvente Hobbyfahrer vorbehalten. Rehau geht bei seinem Einstieg in die Fahrradfertigung einen ganz anderen Weg.
Auf Basis der langjährigen Erfahrung mit der Herstellung großer, komplexer und sehr anspruchsvoller Spritzgussteile für die Automobilindustrie, die höchste Ansprüche in Sachen Belastbarkeit, Oberfläche und Lackierung erfüllen müssen, ist es Rehau gelungen, bei Fahrradrahmen aus Kunststoff die Handarbeit durch Spritzguss zu ersetzen und das Carbon durch deutlich günstigere Glasfaser.
Einzigartiges asymmetrisches Design
„Driven by design“ lautete eine weitere Vorgabe an die Entwickler – und das sieht man dem ungewöhnlichen Nuvelos E‑Bike auch sofort an. Warum Rehau das Design so wichtig war, erklärte Christian Fabian, Head of Technology von Rehau und Mitglied im Group Executive Board, bei der Vorstellung der Nuvelos E‑Bikes in Bayreuth: „Bei den Kunden hochwertiger E‑Bikes steht das Design im Vordergrund, und deshalb hatte es auch bei unserer Entwicklung hohe Priorität.
Mit dem Nuvelos E‑Bike differenzieren wir uns deutlich vom Markt – nicht nur mit Kunststoff als Rahmenwerkstoff, sondern auch mit dem einzigartigen asymmetrischen Design, mit dem wir uns bewusst von der Masse konventioneller E‑Bikes abheben wollen.“
Das patentierte asymmetrische Design des Rahmens, bei dem der rechte Träger des Hinterrads waagerecht angeordnet ist, der linke aber schräg von der Sattelstütze nach unten zur Hinterradnabe führt, sieht aber nicht nur gut aus – es hat auch handfeste technische Vorteile: Nur mit einem solchen asymmetrischen Design war es überhaupt erst möglich, den Rahmen in zwei spritzgegossenen Halbschalen herzustellen.
Kunststoffrahmen des E-Bikes besteht aus zwei Halbschalen
Durch das Verkleben der beiden Halbschalen und Einkleben eines Organoblechs im Akkuschacht, durch das an dieser strukturell wichtigen Stelle eine geschlossene und sehr steife Rahmenkonstruktion entsteht, erreicht der Rahmen in allen relevanten Kriterien Eigenschaften, die mindestens so gut sind wie konventionelle Rahmen aus Alu oder Stahl.
Zusätzlicher Vorteil des asymmetrischen Designs: Bei Verwendung des Riemenantriebs lässt sich der Zahnriemen ohne weitere Demontagearbeiten wechseln. Bisher kommen für Riemenantriebe geteilte Rahmen zum Einsatz, bei denen beim Riemenwechsel ein Teil des Rahmens aus- und nach dem Wechsel wieder eingebaut werden muss.
Als Werkstoff für den Compositerahmen kommt ein teilaromatisches Polyamid mit einem Glasfaseranteil von 50 % zum Einsatz, das nach Worten von Alexander Oelschlegel, Direktor von Nuvelos, dank FEM-Optimierung und entsprechender Verrippung im Inneren der Halbschalen die gewünschten Eigenschaften perfekt erfüllt.
Nicht zuletzt aufgrund der hohen Kosten für die Werkzeuge entschied sich Rehau bei der Rahmengestaltung für das Konzept „One Size fits all“ – heißt: Mit einer Rahmengröße und verschiedenen Anbauteilen eignet sich das Nuvelos E‑Bike für Fahrergrößen von 1,55 bis 1,95 m. Dabei ist das Nuvelos nach Worten von Alexander Oelschlegel „mit der sehr komfortablen Rahmengeometrie und den dicken Reifen der SUV unter den E‑Bikes“.
Fahrfertig bringt das Nuvelos E‑Bike zwischen 22 und 26 kg auf die Waage und bewegt sich dabei in einem für StVZO-konforme E‑Bikes (das Nuvelos-Bike verfügt serienmäßig über eine integrierte Beleuchtung und alle geforderten Reflektoren) üblichen Rahmen. Motor und Akku allein wiegen schon rund 7 kg.
Die leichteste Variante verfügt über eine Zehn-Gang-Kettenschaltung von Shimano. Alternativ steht aber auch ein lastschaltbares Fünf-Gang-Automatikgetriebe von Shimano mit Riemenantrieb zur Verfügung, das zwar etwas schwerer ist als die Kettenschaltung, aber auch Features bietet, die den Fahrkomfort deutlich erhöhen. So passt sich die Automatikschaltung wie moderne Automatikgetriebe im Auto an das Fahrverhalten des Nutzers an, ist bei Bedarf aber auch manuell schaltbar.
Passen zum Topdesign setzt Rehau übrigens bei allen Anbauteilen – vom Elektroantrieb über die Schaltung bis zum Sattel – nur Komponenten weltweit führender Hersteller ein.
Rehaus Einstieg ins Endkundengeschäft
Ein Novum für Rehau ist aber nicht nur die Produktion von Fahrrädern. Mit der Gründung des Start-ups Nuvelos steigt Rehau auch zum ersten Mal in den Endkundenmarkt ein und beschränkt sich nicht auf das Liefern von Komponenten an OEMs. So wurde für den Vertrieb der Nuvelos E‑Bikes nicht nur ein eigener Webshop aufgebaut.
In der Innenstadt von Bayreuth hat Rehau auch einen Pop-up-Store eröffnet, einen Mercedes Sprinter angeschafft, mit dem ein Nuvelos-Mitarbeiter für Probefahrten direkt zu interessierten Kunden fährt, und vertreibt zudem über ausgewählte E‑Bike-Fachhändler, die immer aktuell auf der Nuvelos-Homepage aufgelistet sind.
Ganz wichtig ist Christian Fabian aber noch ein weiterer Effekt von Nuvelos: „Für Rehau ist Innovation eines der wesentlichen Unternehmensziele. So verfolgen wir bei Rehau die Strategie, zehn Prozent unseres Umsatzes mit innovativen Produkten zu erwirtschaften, die jünger als drei Jahre sind. Zu diesen Produkten gehört auch das Nuvelos E‑Bike, das sich bewusst und deutlich von allem abhebt, was derzeit am Markt verfügbar ist.“
Gut für Gesundheit und Umwelt
Neben Innovation und Design nennt Christian Fabian als weitere Triebfedern für das Nuvelos-Projekt auch die Gesundheit und die Umwelt: „Mit der Nutzung eines E‑Bikes bewegen sich die Fahrer und Fahrerinnen, was gut für die Gesundheit ist, und sie tun dies mit einem CO₂-Ausstoß, der um den Faktor 100 unter dem eines Autos liegt, was sich positiv auf die Umwelt auswirkt.“
Auf die Frage, mit welchen Stückzahlen Rehau plant, wollte sich Nuvelos-Direktor Alexander Oelschlegel zwar nicht festlegen. Er ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass Spritzgießen als Herstellungsverfahren erst ab größeren Stückzahlen Sinn macht. Der Markt dafür ist da, denn 2018 wurden allein in Deutschland 980.000 E‑Bikes verkauft. Angesichts des sehr ansprechenden Designs, der vielen Innovationen und der hochwertigen Ausstattung sollte bei einem Einstiegspreis von knapp unter 3.000 EUR doch der eine oder andere Käufer für ein Nuvelos zu begeistern sein – und zwar nicht nur unter den radbegeisterten Vertretern der Kunststoffbranche.
gk