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Märkte 9. September 2020

Corona als Innovationstreiber?

Ein Jahr ohne Kunststoffmesse in Deutschland – ist das auch ein Jahr ohne Innovationen?
Wird es Corona-bedingt mehr Innovationen als üblich in einem Jahr geben, oder nicht? 62 % der Befragten sind klar der Meinung, dass das so sein wird. Nur lediglich 38 % sehen in diesen schwierigen Zeiten keine Innovationen auf uns zukommen.
Wird es Corona-bedingt mehr Innovationen als üblich in einem Jahr geben, oder nicht? 62 % der Befragten sind klar der Meinung, dass das so sein wird. Nur lediglich 38 % sehen in diesen schwierigen Zeiten keine Innovationen auf uns zukommen.

Ein Jahr ohne Kunststoffmesse in Deutschland – ist das auch ein Jahr ohne Innovationen?

Viele Unternehmen nutzen gerade jetzt die Zeit um Innovationen im eigenen Haus voran zu treiben. Wir haben in einer Online-Befragung in der Branche nachgefragt, wie sie die Situation einschätzt. Wird es Corona-bedingt mehr Innovationen als üblich in einem Jahr geben, oder nicht? 62 % der Befragten sind klar der Meinung, dass das so sein wird. Nur lediglich 38 % sehen in diesen schwierigen Zeiten keine Innovationen auf uns zukommen.

Innovationstempo bleibt bestehen

Dieses Bild spiegelt sich auch bei Branchengrößen wider. Wir haben einige unserer Kunden ebenfalls befragt, wie sie mit der Situation umgehen und ob Innovationen in der Kunststoffbranche im Herbst auf uns zukommen – trotz Corona oder der Tatsache, dass eine Fakuma heuer nicht stattfindet.   

Die Spritzgießmaschinenhersteller sind sich einig, dass ein Jahr ohne große Kunststoffmesse keinen Einfluss auf ihre Innovationsfähigkeit und ihr Innovationstempo hat. „Messen stellen geeignete Plattformen für die Vorstellung von Innovationen und Neuheiten dar. Ebenso können Messeschwerpunkte wie beispielsweise Industrie 4.0 oder Kreislaufwirtschaft einen gewissen Einfluss auf die Produktpräsentation, vielleicht sogar Entwicklungsrichtungen nehmen“, sagt Michael Wittmann, Geschäftsführer von Wittmann Kunststoffgeräte. „Das bedeutet aber nicht, dass sich der Ausfall von Messen negativ auf unsere Innovationstätigkeit auswirken würde.  Alle unsere Entwicklungen laufen ohne Verzögerung weiter und so ist unser Entwicklungsplan – auch für die Zukunft – prall gefüllt.“

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„Wir entwickeln unsere Innovationen ja nicht von Messe zu Messe, sondern verfolgen, was Technologie und Entwicklung und auch Wertschöpfungs- und Lieferketten angeht, trotz Corona-Situation langfristige strategische Ziele“, bestätigt Gerhard Böhm, Geschäftsführer Vertrieb bei Arburg. „Jetzt beim Thema Innovationen auf die Bremse zu treten, wäre aus unserer Sicht völlig falsch. Im Gegenteil: Nur mit neuen intelligenten und effizienten Lösungen schaffen es unsere Kunden, und damit letztlich auch wir, für die Zukunft gut aufgestellt zu sein und im Wettbewerb die Nase vorn zu haben.“

Klaus Geimer, stellvertretender Geschäftsführer von Boy betont: „Die Fakuma wurde zu einem so späten Termin abgesagt, da waren die meisten Innovationen bereits in der Testphase. Die Absage von Messen hat keinen Einfluss auf die Arbeit unserer Entwicklungsabteilung. Da haben wir langfristige Planungen und Ziele, die weiterverfolgt werden. Wir stehen im internationalen Wettbewerb und möchten da Trendsetter und der Spezialist für Spritzgießmaschinen bis 1.250 kN Schließkraft und Umspritzautomaten bis 600 kN Schließkraft bleiben.“

Direkter Kundenkontakt zählt

Seine ganz eigene Meinung zum Zusammenhang von Messen und Innovationen hat Sven Wolf, Geschäftsführer der Leistritz Extrusionstechnik GmbH: “Wie so oft im Leben meint man – im überlieferten Sinne – dass die, die „lauter“ schreien, auch innovativer sind. Messen sind zwar die sichtbarsten Möglichkeiten, um Innovationen darzustellen, aber viel mehr als die Präsentation bei Messen zählt der direkte Kundenkontakt. Und der fehlt zunehmend.“

Wie viele andere Unternehmen der Kunststoffindustrie setzte und setzt Leistritz deshalb auf die virtuelle Welt, um Neuheiten zu transportieren. Mehr noch. Die virtuelle Welt selbst hat bei Leistritz sogar verschiedene Innovationen hervorgebracht. Wie Wolf erklärt, ist die „allseits bekannte und beliebte „Extrusion Academy“ – hier wird geballtes Wissen rund um den Doppelschneckenextruder vermittelt wird – nun auch online verfügbar.“

Aber auch virtuelle Inbetriebnahmen selbst von komplexen Anlagen nicht nur in Europa, sondern auch in weiter entfernten Ländern wie zum Beispiel in Russland, sind bei Leistritz keine Zukunftsthemen mehr, sondern in Zusammenarbeit mit dem Kunden bereits Realität. „Gerade in Zeiten wie diesen schätzen mittlerweile mehr und mehr unserer Kunden die bereits vorhandenen Innovationen der Leistritz Extrusionstechnik, wie die Smart Glasses, durch die selbst schwierige Serviceeinsätze beim Kunden oder komplexe Abnahmeläufe im Technikum gemeistert werden“, so Sven Wolf.

Auch für Alaaddin Aydin, Managing Director und Vice President Maag Germany ist ein Jahr ohne Kunststoffmessen in Deutschland keinesfalls ein Jahr ohne Innovationen. „Ganz im Gegenteil“, so Aydin. Die Maag Group wird nach seinen Worten „wie auch viele andere Unternehmen die aktuelle Situation nutzen, um ihre Produktivität zu steigern und Innovationen voran zu treiben, um dann gestärkt aus der Krise hervorzugehen.“ Daher werden wir nach Aydins Überzeugung „bei der nächsten Fakuma mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Innovationen sehen als zu normalen Zeiten.“

Allerdings musste auch Maag nach Worten von Aydin in Zeiten von Corona lernen, die virtuellen Medien verstärkt einzusetzen. Hierzu zählen für Aydin vorwiegend Webinare, aber auch virtuelle Meetings mit Kunden und online Marketing-Aktionen, etc. „Wir sind überrascht, wie gut das funktioniert. Die Covid-19-Krise hat bei allen Beteiligten die Akzeptanz für virtuelle Meetings, Webinare, aber auch – ganz wichtig für unsere Kunden – für virtuell unterstützte Inbetriebnahmen erhöht. Vieles davon wird auch nach der Covid-19 Krise bleiben und unser Geschäftsleben nachhaltig prägen.“

Fakuma-Ausfall bedauerlich

Wie viele andere ist auch Manfred Hackl, CEO der Erema Gruppe fest überzeugt: „Messeabsagen bedeuten keinen Innovationsstopp“. Allerdings ist für Hackl „der Ausfall der Fakuma sehr bedauerlich, weil dadurch die Möglichkeit verloren geht, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums so viele persönliche Gespräche mit Interessenten, Kunden und Partnern aus aller Welt zu führen.“

Denn für Hackl sind persönlicher Kontakt und das sich Kennenlernen neben Qualität und Kosten mitentscheidende Faktoren, warum sich ein Kunde für ein bestimmtes Produkt entscheidet. „Da geht es auch um Atmosphäre und Sympathie“, so Hackl. Seiner Überzeugung nach müssen die Unternehmen angesichts der Absage und Verschiebung vieler Messen „neue Wege beschreiten, um seine Zielgruppen zu erreichen, sie zu informieren und sie für seine Produkte und Services zu begeistern.“

NGR – Next Generation Recycling Machines – aus Feldkirchen in Österreich hat ebenfalls aufgrund der Messeabsagen seine Innovationen nicht gestoppt, sondern unabhängig von den fehlenden Kunststoffmessen umfangreiche Entwicklungsprojekte vorangetrieben. Verkaufsleiter Uwe Neumann: „Gerade in den Bereichen Post Consumer-Recycling und PET-Aufbereitung haben wir durch Innovation zahlreiche neue Kunden gewinnen können. Somit liefern wir unsere Märkte ständig neue und gewinnbringende Technologien. Lediglich die Art der Kommunikation an die Kunden hat sich verändert.“

Für den Kundenkontakt setzt NGR übrigens im Wesentlichen auf Netmeetings oder ähnliches, um die Kunden direkt anzusprechen. „Vertrieb und Marketing arbeiten dazu Hand in Hand“, so Neumann. Darüber hinaus nutzt NGR verstärkt Socialmedia-Plattformen wie LinkedIn. „Hier berichten wir regelmäßig über den eigenen Kanal über Neuigkeiten, Referenzen und weitere interessante Dinge aus der NGR-Welt“, sagt Neumann.

Weg zum Kunden wird digitaler

Das Jahr 2020 wird seit fast 60 Jahren das erste Jahr ohne große Kunststoffmesse in Deutschland sein. Die Frage, ob das damit auch ein Jahr ohne Kunststoff-Innovationen ist, haben wir auch den Kunststoffherstellern gestellt. Die Antworten der befragten ähneln sich auch hier. Die Entwicklung neuer Produkte steht nicht still – und der Weg zum Kunden wird digitaler.

„Unsere Produktneuheiten sind unabhängig von Messen vorhanden“, erklärt Jan Bender, Head of Marketing EMEA HPM bei Lanxess. „Zudem haben wir unsere Kommunikation in die Märkte nicht grundsätzlich umgestellt. Wir bedienen nach wie vor die klassischen Kanäle zur Information unserer Partner, verschieben aber die Schwerpunkte in den digitalen Bereich.“ Als Beispiele hierfür nennt Bender Kundenevents über virtuelle Konferenztools zur direkten Kundenansprache mit fokussierten Informationen. „Auch an digitalen Branchenveranstaltungen nehmen wir teil. Und vom 15. bis 17. September veranstalten wir den Lanxess Virtual Day – unsere erste hauseigene virtuelle Messe“, so Bender.

Auch Ian Mills, CEO bei Mocom, sieht kein Innovationhemmnis: „Innovationen werden weiterhin von der Notwendigkeit angetrieben, sich an neue Trends anzupassen und relevant zu bleiben. Ohne Messen wie die Fakuma wird sich die Industrie anpassen und mehr digitale Methoden wie zum Beispiel die VR-Technologie einsetzen um Innovationen zu präsentieren. Allerdings bleibt hier eine direkte Diskussion von Angesicht zu Angesicht schwierig“, betont Mills.

Auch die Unternehmen der Feddersen-Gruppe setzen in diesen Zeiten verstärkt auf digitale Formate wie Webinare und Videokonferenzen. Jürgen Becky, Senior Vice President Perfomance Materials Europe, BASF, will gar Messen wie die Fakuma in die virtuelle Welt überführen. „Wir arbeiten aktuell mit Hochdruck an einer Plattform dafür. Darüber hinaus nutzen wir weitere Online-Kommunikationskanäle, um unsere innovativen Lösungen im Markt zu präsentieren. Trotz allem freuen wir uns natürlich sehr darauf, wenn hoffentlich im nächsten Jahr der direkte Kundenkontakt auf der Fakuma 2021 wieder möglich sein wird“, erklärt Becky.

sl

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