„Wir konnten im letzten Quartal 2022 einen weitaus besseren Umsatz generieren als erwartet“, begründete Jürgen Boll, Geschäftsführer Finanzen, Controlling und IT bei Arburg, den Riesensprung zum Rekordumsatz am Tag vor dem Start des mehrtägigen Kundenevents. „Es war ein grandioses viertes Quartal, vor allem im Dezember.“ Das Kundenevent wurde aus Anlass des 100. Geburtstags des Familienunternehmens Hehl von Technologie- in Jubiläumstage umbenannt. Im Oktober hatte der Spritzgießmaschinenbauer aus dem Schwarzwald noch 750 EUR Umsatz für 2022 prognostiziert.
Großteil des Rekordumsatzes geht auf Volumensteigerung zurück
Zwei Drittel der 140 Mio. EUR Umsatzsteigerung gehen laut Boll auf das Konto von Volumensteigerung, ein Drittel jedoch auf Preiserhöhungen. „Insgesamt sind wir sowohl mit dem Jahr 2022 als auch mit der aktuellen Situation 2023 zufrieden“, so Boll weiter. „Derzeit haben wir einen guten Auftragsbestand. Und fertigen aus heutiger Sicht – zumindest im ersten Halbjahr – entsprechend unserem vorgesehenen Produktionsplan mit guter Auslastung.“ Und dies trotz anhaltender Materialknappheit und Lieferengpässen.
„Allerdings liegt der Auftragseingang der zweiten Jahreshälfte 2022 hinter dem der ersten. Der sehr gut verlaufene Dezember konnte diesen Umstand dann auch nicht mehr retten“, gestand Gerhard Böhm, Geschäftsführer Vertrieb und Service. Dominiert von der Diskussion in Deutschland und allen anderen europäischen Ländern über explodierende Energiepreise, war die Investitionsfreude laut Böhm deutlich eingeschränkt. Auch seien die enormen Preissteigerungen in den Bereichen Material ein großes Hemmnis. „Aus diesem Grund hat sich der Invest im Wesentlichen auf neu anlaufende Projekte und unbedingt erforderliche Kapazitätserweiterungen beschränkt.“
Investitionsbereitschaft in China sehr gering
Amerika war 2022 nach Aussagen von Böhm „ein sehr wichtiger und stabiler Markt für Arburg“. In Asien sei die Situation zweigeteilt: „Außerhalb von China ist viel Bewegung. In China bewegt sich die Investitionsbereitschaft immer noch nahe des Tiefpunkts. Doch nach Ende des Lockdowns wird die Stimmung endlich wieder besser und wir hoffen, dass es durch die Chinaplas im April in Shenzhen einen positiven Impuls in Richtung Zukunft geben wird.“
Bezogen auf die für Arburg wichtigen Branchen berichtete Böhm, dass die Automobilindustrie weltweit eine leichte Erholung zeige, aber noch weit von der bisherigen Größe entfernt sei. „Die Automobilbranche verharrt in Schockstarre. Die Hersteller wissen aufgrund der aktuellen politischen Diskussionen nicht, ob sie das Geld, das sie investieren, wiederbekommen werden“, so Böhm. Auf einem gleichbleibend guten Niveau bewegen sich für Arburg hingegen die Elektronik-/Elektrobranche, der Packaging-Bereich sowie die Baubranche. Auch der Medical-Sektor entwickelt sich für Arburg weiter positiv – wenn aktuell auch nicht mehr auf dem Niveau von 2020. Der Bereich „Spiel, Sport, Freizeit“, der während der Covid-Pandemie boomte, hat sich wieder auf dem alten Niveau eingependelt.
Keine Umsatzprognose für 2023, doch Optimismus
Nicht nur aufgrund der Flaute seitens der Automobilindustrie verzeichnet Arburg seit dem Jahreswechsel „eine ordentliche Delle im Auftragseingang“, so Böhm. „Doch es nach dem fulminanten Jahresendspurt, bei dem die Kunden alle vorhandenen Budgets und Mittel investiert haben, war zu erwarten, dass es im Januar und Februar ruhiger werden würde.“ Er ist für das Gesamtjahr optimistisch: „Die Konjunkturzahlen zeigen nach oben. Es wird dieses Jahr keine wirtschaftliche Depression geben. In den Unternehmen sind viele Investitionen notwendig.“
Die Zahl der Mitarbeiter bei Arburg stieg im vergangenen Jahr um 6 % auf 3600; 3000 von ihnen arbeiten in Deutschland. Insgesamt 26 Mio. EUR hat der Maschinenbauer im vergangenen Jahr in Fertigungstechnik, Produktionslogistik und Infrastruktur investiert, um die Produktionseffizienz und den Automatisierungsgrad weiter zu steigern sowie die Qualitätssicherung und die Kapazitäten auszubauen. Dazu gehören neue Schweißroboter und ein Biegezentrum, eine neue 3D-Großmessmaschine und ein 3D-Scanner. Ein flexibles Fertigungssystem mit fünf neuen Maschinenbearbeitungszentren und ein fahrerlose Transportsystems befinden sich derzeit noch im Aufbau.
IT-Security-Zertifizierung nach ISO 27001 vollzogen
Daneben hat sich Arburg nach ISO 27001 auf Basis von IT-Grundschutz zertifizieren lassen. „Security spielt bei der Digitalisierung natürlich eine bedeutende Rolle. Die Zertifizierung nach ISO 27001 zeigt schwarz auf weiß, dass wir diesbezüglich gut aufgestellt sind. Dies gilt nicht nur für die innere IT-Sicherheit, sondern auch für unsere digitalen Produkte wie etwa Arburgxworld. Das Portal haben die Prüfer auch genau unter die Lupe genommen“, sagte Boll. „Insofern ist die Zertifizierung auch ein gutes Zeichen nach außen.“
Highlight war neue hybride Spritzgießmaschine Allrounder 470 H
Highlight auf den Jubiläumstagen war die neue hybride Spritzgießmaschine Allrounder 470 H mit elektrischer Schließeinheit und hydraulischer Spritzeinheit. Das neue Maschinenkonzept, das auch ein Ölmanagement-Konzept, eine Förderstromteilung für gleichzeitige Bewegungen hydraulischer Nebenachsen und den erweiterten Einsatz der Servohydraulik umfasst, will Arburg künftig Schritt für Schritt für weitere Größen der hybriden Hidrive-Baureihe umsetzen. „Die neue Maschinenbaureihe ist eine energieeffiziente Alternative für Kunden, die nicht auf vollelektrische Spritzgießmaschinen umschwenken wollen“, sagte Technik-Geschäftsführer Guido Frohnhaus. Im Vergleich zu entsprechenden hydraulischen Maschinen verbessere sich die Energiebilanz um 50 %. „Und im Vergleich zu elektrischen Maschinen ist der Energieverbrauch unserer neuen hybriden Maschinen nur wenig höher – im einstelligen Prozentbereich“, so Frohnhaus.
Energiesparplan für Spritzgießer geschnürt
Daneben will Arburg mit dem „Action Plan: Energy“ die Kunden dabei unterstützen, Energie zu sparen. Dazu gehören die Betrachtung des gesamten Produktionsprozesses über die Spritzgießmaschinen hinaus sowie das Retrofitting von Bestandsmaschinen durch die Vollisolierung von Zylindern, den Einbau von energieeffizienten IE3-Motoren und das Nachrüsten des Arburg Energiesparsystems. Angeboten werden zudem Verbrauchsmessungen zur Ermittlung von Energiedaten, die Anzeige des Energiebedarfs im Arburg Leitrechnersystem oder der AXW Control Energyassist der Gestica-Steuerung. Und auch Beratung zu Prozessoptimierung, energetischen Retrofits, digitalen Lösungen, Fördermitteln in Verbindung mit Energieeinsparungen sowie Schulungen gehören zum Paket. Die Leistungen werden dabei individuell nach Anforderung des Kunden bepreist.
„100 Jahre Familienunternehmen Hehl“ feiert Arburg in diesem Jahr. Die Feiern begannen im Februar mit drei exklusiven Events in Loßburg, zu denen rund 1.200 Gästen aus 32 Ländern kamen. Nach den Jubiläumstagen folgen in den nächsten Wochen und Monaten der „Partner Summit“ in Loßburg und 25 regionale Events in den Arburg-Niederlassungen rund um den Globus. Spannende Einblicke in die bewegte Geschichte des Familienunternehmens aus dem Schwarzwald vermittelt ein 400-seitiges Jubiläumsbuch.