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Additive Fertigung 6. Dezember 2017

Additive Fertigung: Riesige Teile einfach drucken?

Geht 3D-Druck auch bei großformatigen Teilen? Der Bootsbauer Livrea hat es versucht und druckte den Rumpf einer Yacht mit Spezialkunststoffen von Sabic. Erschließen Großformatprinter und neue Materialien künftig ganz neue Möglichkeiten?
Modell einer Yacht von Livrea mit gedrucktem Rumpfteil
Modell einer Yacht von Livrea mit gedrucktem Rumpfteil

Geht 3D-Druck auch bei großformatigen Teilen? Der Bootsbauer Livrea hat es versucht und druckte den Rumpf einer Yacht mit Spezialkunststoffen von Sabic. Erschließen Großformatprinter und neue Materialien künftig ganz neue Möglichkeiten?

Der saudi-arabische Kunststoffhersteller Sabic hat kürzlich eine Familie ganz neuer faserverstärkter Compounds auf Basis von Hochleitungskunststoffen vorgestellt, die speziell auf die Anforderungen in der Additiven Fertigung von Großformatteilen ausgerichtet sind.

Premiere: Der Druck eines Bootsrumpfes

Was genau man unter "Großformatteilen" versteht, haben Sabic, der italienische Bootsbauer Livrea sowie Autodesk, ein Anbieter von Software für 3D Design amp; Engineering, jetzt in einem Gemeinschaftsprojekt demonstriert. Sie druckten das Rumpfsegment eines Bootsprototypen auf einem eigens entwickelten Big Area Additive Manufacturing (BAAM) Printer. Gestützt auf die Expertise aller Beteiligten wurden für das Projekt folgende zwei Materialien von Sabic gewählt: ein carbonfaserverstärktes PPE-Compound für die Außenhaut des Rumpfs und ein carbonfaserverstärktes PEI-Compound für die tragende innere Gitterstruktur.

Der Rumpf einer Yacht von Livrea wurden mit zwei carbonfaserverstärkten Compounds gedruckt: ein PPE-Compound für die Außenhaut und ein PEI-Compound für die tragende innere Gitterstruktur.
Der Rumpf einer Yacht von Livrea wurden mit zwei carbonfaserverstärkten Compounds gedruckt: ein PPE-Compound für die Außenhaut und ein PEI-Compound für die tragende innere Gitterstruktur.
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Big Area Additive Manufacturing: Beginn einer spannenden Ära

"Durch die Additive Fertigung dieser großformatigen Teile spart Livrea die sonst erforderlichen Werkzeug- und Prototypen, die teuer und ineffizient sein können", erläutert Mike Geyer, Director of Evangelism amp; Emerging Technology bei Autodesk. "Der 3D-gedruckte Rumpf ist leichter, fester und lässt sich zu einem Bruchteil der Kosten doppelt so schnell herstellen. Wir stehen am Beginn einer spannenden Ära komplexer additiv gefertigter Anwendungen."

Acht Kunststoffe speziell für große Formate

"Die Additive Fertigung mit Großformatprintern erschließt enorme Möglichkeiten zur raschen Produktion von großen, komplexen Präzisionsformteilen", sagt Stephanie Gathman, Director, Emerging Applications, Sabic. "Wir sind entschlossen, entsprechende Materiallösungen zu entwickeln und unterstützen unsere Kunden mit Verarbeitungs-, Konstruktions- und Testkapazitäten in unserem Center of Excellence for Additive Manufacturing in Pittsfield, Massachusetts, USA."

Sabic präsentiert zunächst acht Kunststoff-Compounds unter der Bezeichnung Thermocomp, die für den Einsatz in granulat-beschickten Extrudern für Großformatprinter entwickelt wurden. Sie basieren auf vier amorphen Polymeren des Unternehmens: Acrylnitrile-Butadien-Styrol (ABS), Polyphenylenether (PPE), Polycarbonat (PC) und Polyetherimid (PEI). Alle bieten ein gutes Kriechverhalten im Vergleich zu teilkristallinen Materialien und weniger Deformation unter konstantem Druck. Darüber hinaus zeigen sie eine geringere Schwindung beim Kühlen, was zu erhöhter Dimensionsstabilität und geringerer Wärmeausdehnung führt. Thermocomp-Compounds sind, abhängig von der jeweils erforderlichen Steifigkeit und Dimensionsstabilität, carbon- oder glasfaserverstärkt.

Sabic hat eine neue Familie von Hochleistungskunststoffen eingeführt, die speziell auf die Anforderungen in der Additiven Fertigung von Großformatteilen ausgerichtet sind.
Sabic hat eine neue Familie von Hochleistungskunststoffen eingeführt, die speziell auf die Anforderungen in der Additiven Fertigung von Großformatteilen ausgerichtet sind.

Welcher Kunststoff druckt besser?

Je nach Anwendung bieten diese Kunststoffe ihre spezifischen Vorteile beim 3D-Druck:

  • Die ABS-basierten Compounds sind leicht zu verarbeiten, zeigen einen geringen Verzug und bieten eine gute Oberflächenqualität direkt aus dem Drucker. Das prädestiniert sie für eine breite Palette von Anwendungen, einschließlich Thermo- und Vakuumformwerkzeuge.
  • Die PPE-basierten Compounds vereinen geringe Wärmeausdehnung und hervorragende Hydrolysestabilität mit einem höheren Festigkeit-zu-Gewicht-Verhältnis und höherer Wärmebeständigkeit im Vergleich zu ABS.
  • Die PC-basierten Compounds liefern erhöhte Steifigkeit, höhere Wärmebeständigkeit und höhere Durchsatzraten gegenüber ABS und PPE sowie ausgezeichnete Duktilität und glattere Oberflächen.
  • Die auf Basis der inhärent flammwidrigen Ultem PEI-Kunststoffe von Sabic entwickelten Compounds zeichnen sich durch geringe Wärmeausdehnung, hohe Wärmebeständigkeit, ein hervorragendes Festigkeit-zu-Gewicht-Verhältnis, ein hohes Biege- und Elastizitätsmodul und geringe Kriechneigung aus.

Wachsendes Portfolio für Großformteile

"Die Additive Fertigung von Großformatteilen wird stark zunehmen. Wir werden hier unser Angebot an Materialien auch künftig deutlich erweitern", bekräftigt Joshua Chiaw, Director, LNP Compounds amp; Copolymers, Sabic. "So untersuchen wir aktuell eine Reihe neuer Großformattechniken und geeigneter Compounds auf der Basis auch von teilkristallinen Polymeren wie PBT, PA, PPS und PEEK."

Um Materialwahl und Prozessoptimierung zu erleichtern, stellt das Unternehmen seinen Kunden typische Druckparameter und mechanische Eigenschaftsdaten bereit, die anhand von Prüfmustern auf einem eigenen BAAM-Printer ermittelt wurden.

Die neuen Thermocomp-Compounds eignen sich nicht nur für den Bootsbau, sondern auch für anspruchsvolle Anwendungen von großformatigen Teilen im Werkzeugbau oder in der Luft- und Raumfahrt.

mg

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