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3D-Druck in Serie erfordert Skalierung der Prozesse

Oechsler produziert jährlich eine siebenstellige Zahl von 3D-gedruckten Kunststoffteilen und sieht dabei die Skalierung der Prozesse als Schlüssel zum Erfolg.
Mit über 150 3D-Druckern produziert Oechsler jährlich eine siebenstellige Zahl von Kunststoffteilen für verschiedenste Branchen.

Oechsler produziert jährlich eine siebenstellige Zahl von 3D-gedruckten Kunststoffteilen und sieht dabei die Skalierung der Prozesse als Schlüssel zum Erfolg.

Ein ganz wichtiger Faktor für eine prozesssichere Additive Fertigung von hohen Stückzahlen ist für Matthias Weißkopf, Prokurist von Oechsler und verantwortlich für die Entwicklung, eindeutig die Skalierung der Prozesse für den Serieneinsatz. Und Weißkopf weiß, wovon der spricht. Denn Oechsler ist bei der Herstellung von Serienteilen mit 3D-Druck ganz vorn mit dabei. So produzieren die Oechlser-Werke in Brodswinden bei Ansbach und in China inzwischen jährlich eine siebenstellige Zahl an 3D-gedruckten Kunststoffteilen. Dazu zählen echte High-Runner wie Schuhsohlen, aber auch besondere Lösungen wie große Sitzstrukturen für Sportwagensitze.

Additive Fertigung ist heute ein wettbewerbsfähiges Produktionsverfahren

Matthias Weißkopf, Prokurist von Oechsler und verantwortlich für alle europäischen 3D Entwicklungen des Unternehmens: „Es gibt zwar wirklich gute Lösungen, um 50 kg Material zu mischen, aber es gibt keine Lösung, um 3 t Material am Tag zu mischen."

So besteht für Matthias Weißkopf denn auch kein Zweifel mehr: Die Additive Fertigung ist heute ein wettbewerbsfähiges Produktionsverfahren, wobei er davon ausgeht, dass 50 % der Wertschöpfung im Drucker srtecken und weitere 50 % in der Vor- und Nachbereitung: „Der 3D-Druckprozess selbst ist hoch flexibel, denn dem Drucker ist es völlig egal, was für ein Teil er als nächstes herstellt. Daher kommt es jetzt darauf an, dass das Pre- und Postprozessing genauso flexibel wird. Denn ohne die dazu notwendigen Lösungen kann man mit dem 3D-Druck nicht in großen Stückzahlen produzieren.“

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Allerdings gibt es nach Erfahrung von Oechsler heute am Markt weder für das Pre- noch für das Postprozessing Systeme, die große Mengen an Material und Bauteilen verarbeiten können. „Es gibt zwar wirklich gute Lösungen, um 50 kg Material zu mischen, aber es gibt keine Lösung, um 3 t Material am Tag zu mischen. Diese haben wir selbst entwickelt – und zwar mit gehörigem Einsatz. Wir mussten dazu auch völlig neue Ansätze verfolgen, um bei der Skalierung die notwendigen Kostenvorteile zu erschließen“, so Weißkopf.

Der Einstieg von Oechsler in die echte additive Serienfertigung erfolgte übrigens schon im Jahr 2016. „Davor war es eher ein Ausprobieren, um in kürzester Zeit Bauteilmuster in der Hand halten zu können. Das hat sich aber im Jahr 2016 durch den Kontakt mit dem US-Hersteller Carbon geändert. Seitdem haben wir uns intensiv mit Themen wie Skalierbarkeit und Produktionstauglichkeit auseinandergesetzt, viele Komponenten für die Automobilindustrie entwickelt und als echtes Serienprodukt 3D-gedruckte Schuhsohlen für einen großen Sportartikelhersteller produziert.“

Skalierung in kürzester Zeit realisiert

Zum Einsatz kam dabei die Technologie des US-Herstellers Carbon, der nach Überzeugung von Matthias Weißkopf die Branche verändert, Schwung in die Additive Fertigung gebracht und auch die Einstellung von Oechsler zur Nutzung des 3D-Drucks verändert hat: „Mit Carbon Druckern und Werkstoffen konnten wir funktionelle, hochwertige Bauteile herstellen und haben deshalb auch mit Carbon die erste echte Skalierung der Additiven Fertigung realisiert.“ Und zwar mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit.

Vom Start der Entwicklung bis zum Anlauf der großen Fabrik in Asien vergingen weniger als 12 Monate. Heute verfügt Oechsler mit diesem Werk in Asien über genauso viele 3D-Drucker wie Spritzgießmaschinen, allerdings hat der Aufbau der Spritzgießfertigung in Asien 15 Jahre gedauert.

„Das zeigt die Leistungsfähigkeit und Flexibilität der Oechsler-Organisation, denn es ist alles andere als einfach, eine neue Technologie, die in der Breite noch nicht als echte Fertigungstechnologie eingesetzt wird, in einer derart hohen Geschwindigkeit auf ein echtes Fertigungslevel zu skalieren und dies auch noch während der Corona-Pandemie von Deutschland aus in einen chinesischen Standort zu übertragen“, so Weißkopf.

Viele Lösungen zum 3D-Druck in Serie selbst entwickelt

Dies alles muss man zudem vor dem Hintergrund sehen, dass es ganz viele Lösungen für eine Additive Serienfertigung einfach noch nicht gab. So musste Oechsler die Mischsysteme zum Preprocessing für das Liquidmaterial in kürzester Zeit selbst entwickeln.

„Wir haben eine Lösung für das Mischen von Photopolymerharzen in großen Mengen gebraucht und dies auch noch sehr schnell, weil der SOP für die Schuhsohlen vorgegeben war. Die Lösung konnte aber nicht sein, von den vorhandenen Mischsystemen 100 Stück zu kaufen, denn dann hätten wir keinen Kostenvorteil gehabt. Wir haben deshalb die Prozesse optimiert, um bei steigenden Volumen sinkende Stückkosten zu erreichen,“ erinnert sich Weißkopf an die anstrengende Zeit, in der in nur drei Monaten fünf Generationen des Mischsystems entwickelt und gebaut wurden.

Es gibt keine Technologie, die alle Wünsche erfüllt

Oechsler baut derzeit die Produktionskapazitäten der Additiven Fertigung in Brodswinden um weitere 800 m2 aus. Auf dieser Fläche kommen in Zukunft insbesondere Multi Jet Fusion 3D-Drucker des Unternehmens HP für die Serienfertigung von Produkten zum Einsatz.

In China fertigt Oechsler auf Carbon-Druckern Schuhsolen in Serie. Parallel arbeitet der Mittelständler mit weiteren Maschinen-Partnern im 3D-Druck zusammen: „Es gibt in der Additiven Fertigung keine Technologie, die alle Wünsche erfüllt. So sind wir aktuell bei einem anderen Projekt dabei, mit HP-Druckern eine neue Fertigung zu skalieren.“

Der größte Handlungsbedarf besteht auch hier im Pre- und Postprecessing. Weißkopf: „Die HP-Maschine bräuchte sieben Stunden, um die Build Unit zu befüllen und man bräuchte eine Processing Station für zwei Drucker. Die entsprechenden Kosten wären viel zu hoch. Wir haben deshalb selbst einen Zwischenprozess entwickelt, mit dem wir die Befüllung in 30 Minuten schaffen und eine Processing Station dadurch gleich 20 Drucker bedienen kann. Wer eine solche Lösung wie die von uns entwickelte nicht hat, kommt allein bei der Processing Station auf die zehnfachen Kosten und kann deshalb einen solchen Prozess niemals skalieren.“

Pionier beim 3D-Druck mit TPU

Hinzu kommt, dass Oechsler Materialien verwendet, die alles andere als einfach zu verarbeiten sind. Nach den Worten von Matthias Weißkopf ist Oechsler „zum Beispiel im Bereich TPU derzeit einer von ganz wenigen Kunden. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man mit PA12 oder mit TPU druckt. PA12 ist Standard – TPU fasst sonst keiner an. Wir haben inzwischen mit TPU Dinge erreicht, die niemand für möglich gehalten hat. Wenn man zusätzlich auch noch in die Skalierung gehen will, treten auf einmal völlig neue Probleme auf. Bei der Anlieferung des Pulvers in einem 300-kg-Sack kann es etwa zu Verklumpungen kommen, die das Material unbrauchbar für die Weiterverarbeitung machen. Um unsere additive Serienfertigung wirtschaftlich aufzustellen und zu betreiben, beschäftigen wir uns mit vielen solcher Fragestellungen. Damit gehören wir zu den Vorreitern in der Branche.“

Dazu zählt auch ein spezielles Kalibieren der 3D-Drucker, denn nach Überzeugung von Matthias Weißkopf ist es „für einen echten Produktionseinsatz extrem wichtig, dass Drucker A genau das gleiche macht wie der baugleiche Drucker B. Es bringt einem Produktionsbetrieb nichts, wenn Produkt X nur auf Drucker A hergestellt werden kann und Produkt Y nur auf Drucker B. Wir haben deshalb zum Beispiel für unsere Multijet Fusion-Drucker ein Sonderkalibierverfahren entwickelt, um in wesentlich engeren Korridoren fertigen zu können, als es heute im Standard möglich ist.“

Perfekte Umgebungsbedingungen geschaffen

Zudem hat Oechsler viel Geld in die Umgebungsbedingungen gesteckt und die Halle mit den 3D-Druckern temperatur- und feuchtigkeitsgeregelt. Wenn große Serien mit gleichbleibender Qualität hergestellt werden sollen, müssen sich die Umgebungsbedingungen in einem relativ engen Temperatur-Fenster bewegen, um eine Massentauglichkeit zu gewährleisten.

Angesichts all dieser Leistungen und Erfolge wird die Antwort von Matthias Weißkopf auf die Frage, worauf er besonders stolz ist, allzu verständlich: „Die Additive Fertigung hat lange Jahre viel versprochen und wenig gehalten. Daher ist es jetzt sehr schwer, diese Erfahrung wieder umzukehren und zu zeigen, dass inzwischen auch in einer echten Serienfertigung viel möglich ist. Wir haben dies gleich in mehreren Fällen bewiesen – und das als innovativer, technologieorientierter fränkischer Kunststoffspezialist und nicht als einer der großen Player im Markt. Darauf sind wir wirklich stolz.“

Warum neben der Skalierung auch ein anderer Ansatz für die Produktentwicklung wichtig für eine erfolgreichen 3D-Druck von Serienteilen ist, erklärt Matthias Weißkopf im Exklusiv-Interview der K-ZEITUNG. Mehr über die Additive Fertigung von Oechsler finden Sie hier.

Günter Kögel

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