Direkt zum Inhalt
Technik

Naturfaser im Biokunststoff

Fest wie Baustahl, leicht wie Carbon und trotzdem aus der Natur: Chemnitzer Wissenschaftler entwickeln biobasierte Faserkunststoffverbunde als Vision für die nachhaltige Großserie.
Ein Seitenaufprallträger für Pkw aus Naturfaserkunststoff-Verbund als Demonstrator
Ein Seitenaufprallträger für Pkw aus Naturfaserkunststoff-Verbund als Demonstrator

Fest wie Baustahl, leicht wie Carbon und trotzdem aus der Natur: Chemnitzer Wissenschaftler entwickeln biobasierte Faserkunststoffverbunde als Vision für die nachhaltige Großserie.

Werkstoffverbunde aus Kunststoffen und Fasern sind im Strukturleichtbau fest etabliert. Glas- und Carbonfasern werden am häufigsten verwendet und als Verstärkung in thermoplastischen Kunststoffen integriert. Die meisten dieser Kunststoffe basieren allerdings auf Erdöl – einem raren Rohstoff, dessen Gewinnung und Einsatz wenig ökologisch sind. Auch Glas- und Carbonfasern können nur unter hohem Energieeinsatz gewonnen werden.

Faser und Matrix aus nachwachsenden Rohstoffen

Nachhaltiger ist da ein Ansatz der Forscherinnen und Forscher im Bundesexzellenzcluster Merge. Ahmed-Amine Ouali, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strukturleichtbau an der Technischen Universität Chemitz, erklärt ihn so: "Wir ersetzen die Glas- oder Carbonfasern durch Naturfasern, zum Beispiel Flachsfasern. Die Kunststoffmatrix ist bei uns ein Biopolymer aus nachwachsenden Rohstoffen." Auch die auf das Strukturgewicht bezogenen Materialeigenschaften des Faserkunststoffverbunds sind technisch interessant: Durch den Einsatz von Endlosfasern wird der Verbund in Faserrichtung enorm fest und hochsteif. Zudem ist Flachs leichter als Glas- und kostengünstiger als Carbonfaser.

Leichtbau-Forscher Ahmed Amine Ouali entwickelt biobasierte Faserkunststoff-Verbunde.
Leichtbau-Forscher Ahmed Amine Ouali entwickelt biobasierte Faserkunststoff-Verbunde.
Ad

Ziel der Forscher war es, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem diese biobasierten endlosfaserverstärkten Kunststoffe in Großserie hergestellt werden können. Bisher wird in der Praxis hauptsächlich die Film-Stacking-Technologie eingesetzt, ein diskontinuierliches Verfahren. Dabei werden die einzelnen Schichten als Stapel (zum Beispiel Kunststofffolie-Fasergelege-Kunststofffolie) in eine Heizpresse eingelegt, unter Druck aufgeschmolzen, entnommen und an einer anderen Maschine zu Platten weiterverarbeitet. Für die kontinuierliche Produktion mussten die Forscher daher eine eigene Walzenanlage, einen sogenannten Kalander, konstruieren.

"Naturfasern haben im Unterschied zu Glas- oder Carbonfasern eine besondere Eigenschaft: Sie nehmen sehr gut Feuchtigkeit auf. Deshalb müssen sie vor der Verarbeitung getrocknet werden", erklärt Ouali. "Wir haben am Lehrstuhl eine eigene Trockneranlage entwickelt, die fast lückenlos vor dem Kalander angebaut wird. So hat die Faser nach dem Trocknen und vor dem Weiterverarbeiten kaum Kontakt mit der feuchtehaltigen Umgebungsluft."

Omega-Kalander für eine kontinuierliche Produktion

Der nach seiner Form benannte Omega-Kalander ist das Herzstück der kontinuierlichen Herstellungslinie. Er besteht aus mehreren Zylindern, zwischen denen die Flachsfaser-Kunststoff-Bahnen theoretisch endlos hindurchgeführt, erwärmt und zusammengepresst werden. Nach diesem Imprägnierungsvorgang und dem Abkühlen ist das thermoplastische Prepreg, also das Faser-Matrix-Halbzeug, fertig. Es liegt dann als Rolle vor und kann verschieden weiterverarbeitet werden. Zugeschnitten und in mehreren Schichten als Stapel gepresst, ergibt sich eine feste Platte. "Wir können das Halbzeug aber auch ein weiteres Mal umformen und mit Spritzgussteilen verbinden. Beides in einem einzigen Prozess. So haben wir auch einen Technologie-Demonstrator, nämlich unseren Seitenaufprallträger für PKW, hergestellt", erklärt Ouali.

Der Bauteilfertigungsprozess ist momentan noch nach der kontinuierlichen Herstellung des Prepreg-Halbzeugs unterbrochen und wird je nach Bedarf der Forscher an diversen weiteren Anlagen fortgesetzt. Im Hinblick auf die Großserienherstellung kann die Maschinenreihe so je nach Anforderung ergänzt oder kombiniert werden.

"Wir haben hier zukunftsträchtige, nachhaltige, langlebige Materialien entwickelt, deren Herstellung wesentlich energieeffizienter ist und sich durch einen besseren CO2-Fußabdruck auszeichnet, als bei konventionellen Faserkunststoffverbunden", sagt Ouali. Mit Blick auf die Zukunft erklärt er: "Wir experimentieren auch weiterhin mit unterschiedlichen Faserstrukturen als Gewebe, als Gelege oder in anderer Form, sowie auch mit verschiedenen Matrixvarianten, zum Beispiel als Folie oder Spinnvlies." So werden die positiven Materialeigenschaften, die ökologischen Faktoren und der großserientaugliche Herstellungsprozess der Faserkunststoffverbunde weiterentwickelt und optimiert.

mg

Passend zu diesem Artikel

Besondere Herausforderungen bei der Fertigung von Bauteilen entstehen beispielsweise im Wickelverfahren durch die Notwendigkeit einer schädigungsfreien Integration sensorischer Kohlenstofffasern.
Technik
Sichere Bauteilüberwachung
Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden entwickeln eine Überwachung von CFK-Strukturen durch Einsatz textilbasierter und textiltechnisch integrierter Sensorsysteme. Das Forschungsvorhaben mit dem Namen Tessy sind textilbasierte Sensornetzwerke, die in hochbelastbare Faser-Kunststoff-Verbunde werkstoffgerecht integriert werden.